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Wie aus einer anderen Welt

Destroyer
Jennifer Castle

Köln, Luxor
14.11.2015

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Destroyer
Destroyer machen Popmusik, wie man sie noch nie gehört hat, schrieb diesen Sommer ein Rezensent über "Poison Season", das aktuelle Meisterwerk von Dan Bejars vielköpfigem Musikerkollektiv, und traf damit den Nagel auf den Kopf. Natürlich hat der wunderbar entspannte Sound zwischen lupenreinem Pop, samtigem Soul, spritzigem Cocktail-Jazz, einem Hauch von Glam-Rock und einem Schuss Indie-Coolness einen deutlichen Retro-Einschlag und unüberhörbar seine Wurzeln in den 70ern und 80ern, aber spätestens wenn die achtköpfige Band auf der Bühne steht, ist das vollkommen egal. Dann zählt nur noch der Moment und die grandios organische Performance der Kanadier, die im Luxor einen Tag nach der Bataclan-Tragödie von Paris eines der schönsten und besten Konzerte des Jahres abliefern.
Den Supportact Jennifer Castle bezeichnet Dan Bejar später bei einer seiner spärlichen Ansagen als "Freundin und Inspiration". In Köln gefällt vor allem die hübsche Schleife, mit der die Kanadierin ihren Verstärker verziert hat, musikalisch gibt sie sich bei ihrem Soloauftritt dagegen eher künstlerisch-sperrig. Richtig eingängig ist eigentlich nur ihre Version des von Simon & Garfunkel einst unsterblich gemachten Traditionals "El Condor Pasa". Allerdings muss man ihr zugutehalten: Neben Destroyer wäre vermutlich an diesem Abend jeder verblasst.

Als Bejar und die Seinen gegen halb neun auf die Bühne kommen, ist das Luxor rappelvoll. Mehr noch: Es sind nicht die typischen Indierock-Jungs, die nichts Besseres zu tun haben, als sich an einem Samstagabend bewegungslos in der ersten Reihe die Beine in den Bauch zu stehen. Nein, das Publikum besteht vor allem aus Menschen, die mit dem ganzen Independent-Kram nichts zu tun haben, die ganz einfach eine der besten Pop-Bands ihrer Generation sehen und dazu tanzen wollen.

Destroyer geben sich im Gegensatz zu ihrem Breitwand-Sound vom ersten Moment an herrlich unaufgeregt. Beim umwerfenden Opener "Bangkok" schmachtet zunächst eine einsame Trompete vor sich hin, bevor ein Easy-Listening-Piano einsteigt, das ganz ausgezeichnet die Leichtfüßigkeit auf den Punkt bringt, die praktisch alle Songs von Destroyer auszeichnet. Doch die Band ist nicht nur leichtfüßig. Vor allem spielen die Musiker die Songs mit einem Verve, einer Hingabe, die man in Zeiten, in denen Bands monatelang unterwegs sein müssen, um ihre Brötchen zu verdienen, nicht mehr allzu häufig hört. Am Ende von "Bangkok" übernimmt das Saxofon die Führung, und auch wenn das Saxofon für Indierocker ja in etwa das darstellt, was Kryptonit für Superman ist - hier passt es hervorragend. Auch bei vielen anderen Stücken gelingt den Musikern die Gratwanderung zwischen songtechnischem Tiefgang und einer Instrumentierung, die in anderem Kontext sehr schnell kitschig geklungen hätte, etwa, wenn statt eines Saxofons sogar noch eine Querflöte ins Spiel kommt.

Während die Musiker um ihn herum den perfekten Sturm entfachen, hockt sich der alte Kauz Bejar in der Bühnenmitte hin, offensichtlich auch, um niemandem die Sicht auf seine Mitstreiter zu nehmen. Auch wenn er singt, steht er in halb gebückter Haltung auf der Bühne und benutzt - das hat inzwischen Tradition - einen hüfthohen Mikrofonständer als Krückstock-Attrappe. Doch auch wenn er bisweilen aussieht wie ein alter Mann - seine Musik sprüht vor Elan. Vermutlich wäre bei jeder anderen Band mit einer ähnlichen Ausrichtung "melancholisch" die richtige Beschreibung, bei Destroyer trifft es der Begriff überhaupt nicht. "Träumerisch" (oder gleich "traumhaft"?) passt viel besser.

In Köln gibt es vor allem Stücke aus "Poison Season" zu hören und die Highlights aus dem Vorgänger wie "Chinatown" und das Titelstück "Kaputt". Viel weiter zurück geht es nur selten, doch das macht nichts, schließlich sind die letzten beiden Platten fraglos das Beste, was Destroyer je gemacht haben. Wenn sie am Ende des regulären Programms "Dream Lover" spielen, denkt man: So muss es sich angefühlt haben, David Bowie in den frühen 70ern zu sehen - mit dem Unterschied, dass Bowie damals schon in großen Hallen auftraf und ganz sicher nicht eine Armlänge vom Publikum entfernt auf einer kniehohen Bühne stand. Im Luxor klingt die Nummer nicht, als sei sie "nur" ein Stück aus dem neuen Album, sondern wie ein zeitloser Klassiker, der schon seit Jahrzehnten durch den Äther geistert. Da können sogar die Indie-Jungs nicht mehr stillstehen. Das schaffen nicht viele!

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Surfempfehlung:
www.facebook.com/Destroyer
www.mergerecords.com/destroyer
de.wikipedia.org/wiki/Destroyer_(Band)
www.facebook.com/jennifercastlemusic
en.wikipedia.org/wiki/Jennifer_Castle
Text: -Carsten Wohlfeld-
Foto: -Carsten Wohlfeld-

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Mehr über Destroyer:
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Konzert-Bericht

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