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Konzert-Bericht
 
Tabula Rasa

Savages
Bo Ningen

Köln, Luxor
03.03.2016

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Savages
Sicherlich nichts für schwache Nerven war dieser Konzertabend im Kölner Luxor. Eher blank lagen zum Beispiel die Nerven beim Sicherheitspersonal, denn angesichts des zu erwartenden Ansturms der Fans gab es einiges zu beachten, das ansonsten an dieser Stelle eigentlich nicht zum Tragen kommt. So gab es seit Jahren wieder ein Mal einen sogenannten "Abstandsgraben" im Luxor - der freilich viel zu liberal bemessen war, was dazu führte, dass die eh schon knappe Fläche vor der Bühne nochmals erheblich eingeschränkt war, was wiederum zu einer - selbst für Luxor-Verhältnisse - phänomenalen Verstopfung im Zuschauer-Raum führte. Und im Anschluss hatten die entsprechenden Security-Mannen alle Hände voll zu tun, das Treiben in diesem unter Kontrolle zu halten (etwa das heimliche Rauchen im Pulk zu verhindern oder die Balustrade vor dem Graben frei zu halten). Denn - und das war der Sinn der ganzen Aktion - sowohl Savages-Frontfrau Jehnny Beth wie auch der androgyne Frontmann Taigen Kawabe der befreundeten Supportband Bo Ningen (die 2014 mit den Savages zusammen das Album "Words To The Blind" einspielte) nutzten den Graben und die Absperrung, um Körperkontakt mit dem Publikum herzustellen.
Bo Ningen verfolgen musikalisch ein Konzept, das ein gewisses Gewaltpotential birgt. Mit einem Mix aus purem Krach, unerbittlich übersteigerter Krautrock-Motorik (Drummer Monchan Monna sieht nicht nur aus wie Damo Suzuki, sondern tatsächlich arbeiteten Bo Ningen auch mit diesem zusammen) und einem ziemlich steilen Heavy-Sound-Of-Wall (mit einer für japanische Acts ungewöhnlich unvirtuosen Anspruch) schaffte es das Quartett - nicht zuletzt wegen der exaltierten Akrobatik Taigen Kawabes - dann doch, ein im Rahmen des Möglichen unerwartet kurzweiliges und mitreißendes Set hinzulegen. Zweifelsohne lag es an der Bandfreundschaft, dass man das überhaupt zu ließ (zumal bereits hier die höchst effektive Beleuchtungsdramaturgie des Abends teilweise zum Einsatz kam), denn ihrer Aufgabe als Anheizer-Band wurden Bo Ningen so mehr als üblicherweise gerecht. Wie auch bei den Savages darf man bei Bo Ningen nicht nach Songs im klassischen Sinne suchen: Denn hier wie da geht es eher um die musikalische Verkörperlichung des Vorgetragenen. Dennoch: In der Hinsicht Hörgewohnheiten zu konterkarieren und mögliche Erwartungshaltungen zu torpedieren, sind Bo Ningen natürlich noch wesentlich konsequenter und nihilistischer als die Savages. Eine gewisse destruktive Qualität mochte ihnen dann auch sicherlich kaum jemand absprechen. Bereits bei dem Set von Bo Ningen machte sich eine gewisse körperliche Unruhe im Auditorium breit, die selbstredend beim Auftritt der Savages dann in freudetrunkene Anarchie umschlug. Noch ein seltsames, rätselhaftes Detail sollte vielleicht nicht unerwähnt bleiben: Beide Bo Ningen-Gitarristen trugen Schuhe, die wenigstens drei Nummern zu groß erschienen.
Für Jehnny Beth und ihre Damen ist ein Auftritt in einem Club wie dem Luxor heutzutage fast schon eine intime Angelegenheit, denn ansonsten sind die Mädels ja zwischenzeitlich größere Bühnen gewöhnt. Nicht, dass das einen besonderen Unterschied im Prozedere ausgemacht hätte, denn auch bei konzerttechnischen Großereignissen pflegt Jehnny einen sehr direkten Draht zu ihren Fans. Während Gitarristin Gemma Thompson und Bassistin Ayse Hassan eher konzentriert und gar introvertiert vor sich hinarbeiten, interagiert Jehnny Beth vor allen Dingen mit der stets gutgelaunten und energischen Drummerin Fay Milton. Auch im Luxor war diese kaum zu bremsen, drosch unentwegt aber durchaus differenziert und variantenreich auf ihre Bleche und Felle ein - allerdings zuweilen so, als habe sie die Absicht, diese zu demontieren. Unter den zahlreichen begnadeten Drummerinnen unserer Tage ist Fay Milton mit Sicherheit jene mit dem unbedingtesten Durchsetzungwillen und den größten Kraftreserven. (Und das - wie gesagt - offensichtlich immer gut gelaunt.) Die expressive Dramaturgie von Jehnny Beth, die ihren Vortrag mit weit ausholenden Gesten unterlegt, wirkt nach wie vor spontan und lebendig - auch wenn mit Sicherheit jede einzelne dieser Gesten sorgsam choreografiert wird. Reden tut Jehnny dabei nicht viel: Mal fragt sie, ob alles laut genug sei, mal macht sie darauf aufmerksam, dass alle noch da seien (wenn etwa ein technisches Problem gelöst werden muss), mal widmet sie einen Song den Ladies im Haus und mal hangelt sie sich streichelnd durch das Publikum und fragt einzelne Personen, wie es ihnen ginge. Tatsächlich sind die Savages so ihren Fans näher als Acts mit einem vergleichbaren Status. Bemerkenswert übrigens der Umstand, dass Jehnny ihre Exkursionen auf und vor der Bühne in High Heels absolviert.

Überhaupt kommen die Savages ja traditionellerweise auch als Act mit einem gewissen stilistischen Anspruch daher. Dazu gehört übrigens auch die ausgefeilte Light-Dramaturgie. Hier wurde mit effektiv gesteuerten Licht-Vorhängen, Stroboskop, Lichtkanonaden aus dem Backstage-Raum und gezielten Schatteneffekten gearbeitet - dankenswerterweise ohne die üblichen Rotlicht-Orgien, sondern in gleißend weißem Licht, das den notwendigen Kontrast zu den effektiven Women in Black Outfits akzentuiert. Wie der New Musical Express es nicht ganz untreffend formulierte, ist eine Savages-Show nicht wirklich sexy und auch nicht lustig - aber immens unterhaltsam und effektiv. So auch hier - und das lag nicht nur daran, dass die Damen fast vollständig mit Vollgas durch die Gegend fuhren, sondern auch daran, dass - bei aller Ähnlichkeit im Ansatz - die einzelnen Songs, sowohl des Debütalbums "Silence Yourself" wie auch der aktuellen Scheibe "Adore Life" immer genügend klangliche Varianten bereit halten, um nicht etwa in der Monotonie zu verenden. Und derjenige Teil des Publikums, dem es technisch überhaupt möglich war, zumindest auf und ab hüpfen zu können, trug natürlich auch zur frenetischen Stimmungslage bei. Wie auch bei der Auswahl ihrer Songtitel, bei denen die Savages die jeweiligen Botschaften in Schlagworten wie "Adore", "Evil", "Surrender", "Husbands" oder "Shut Up" zusammenfassen, präsentieren sie sich auch auf der Bühne als Meisterinnen der Ökonomie: Da sitzt alles an seinem Platz und da gibt es keine selbstverliebten Frickeleien. Das ist schlicht "Post Punk", wie er sein soll: Hart, knapp kalkuliert und natürlich laut und energisch dargeboten. Kurz: Für alle, die im Werk der Savages (oder gar bei Bo Ningen) nicht unbedingt nach subtilem Feinsinn suchen, gab es im Luxor die notwendige Vollbedienung: Tabula Rasa eben - da blieb kein Auge trocken.

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Surfempfehlung:
savagesband.com
www.facebook.com/savagestheband
boningen.info
www.facebook.com/boningenofficial
Text: -Ullrich Maurer-
Foto: -Carsten Wohlfeld-


 
 

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