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Konzert-Bericht
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Zum Küssen!
Masha Qrella
Bielefeld, Kamp Café 03.02.2017
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Masha Qrella mag keine Schubladen. Deshalb macht die Berliner Singer/Songwriterin seit Jahren Musik, die zwar fantasievoll bei einer Vielzahl von Vorbildern andockt, sich aber dennoch ganz bewusst vorgefertigten Genres entzieht und Trends und Strömungen widersteht. Ihre Lieder sind oft kontemplativ und herrlich unaufdringlich, dabei aber auch so originell und immer wieder durch unerwartete Einwürfe aufgebrochen, dass sie dennoch sofort fesseln. Das gilt ganz besonders für ihr aktuelles Album "Keys", ein Meisterwerk des Understatements, auf dem sie ihren in jahrelanger Arbeit behutsam erarbeiteten Markenzeichensound noch einmal entschlackt hat, auch textlich viel direkter auf ihr eigenes Leben Bezug nimmt und weniger denn je auf den Input von Produzenten oder Musikern zurückgreift, sondern ihren eigenen Visionen folgt. Doch auch wenn sie sich auf dem Album nicht mehr versteckt: Ihren großartigen Auftritt im heimeligen Ambiente des Kamp Café in Bielefeld beginnt sie - maskiert.
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Unter Tierköpfen verborgen, beginnen Masha und ihre beiden Mitstreiter Robert Kretzschmar und Hannes Lehmann das Konzert mit einem bisweilen fast schon jazzig anmutenden Instrumentalstück, um sich leise einzugrooven. Doch dann fallen die Masken und Masha lässt sich zum entspannten Groove von "Ticket To My Heart" erstmals offen in die Karten schauen. "Pale Days" folgt und demonstriert eindrucksvoll, wie Masha nun mit wenig Aufwand maximale Wirkung erzielt. Mehr als einen grummeligen Bass, ein sachtes Schlagzeug und hier und da eine einsame Klavierlinie oder einen leise raschelnden Schellenkranz brauchen ihre Lieder heute zumeist nicht mehr, um zu begeistern. Besonders eindrucksvoll ist dabei, dass die Instrumente auf schwer zu beschreibende Art und Weise gleichzeitig sehr echt und unverfälscht, aber trotzdem nicht abgedroschen traditionell klingen.
Allerdings hätten die Protagonisten ihren Auftritt fast im wahrsten Sinne des Wortes verpennt. "Wir schlafen, wann immer man uns hinlegt", erklärt Masha lachend, doch zum Glück für das kleine, aber sehr aufmerksame Publikum im Kamp - zu Mashas Freude übrigens mehr Frauen als Männer -, sind die drei gerade noch rechtzeitig wach geworden. Eine Stunde lang bewegen sie sich - nach rund 50 Konzerten in den letzten Monaten perfekt eingespielt - zwischen melancholischer Fragilität und besinnlicher Nachdenklichkeit, lakonischer Nüchternheit und tanzbaren Uptempo-Nummern mit Indiepop-Anstrich. Dabei zeigt sich auch, wie gut, wie umfassend, ja, wie komplett Mashas aktuelle LP ist. Obwohl das Programm fast ausschließlich aus neuen Liedern besteht und drei ihrer fünf Solo-Werke komplett ausgeblendet werden, hat man nie das Gefühl, dass etwas fehlt oder dass nicht alle Facetten ihres Schaffens abgedeckt sind. Eher sogar im Gegenteil: "Destination Vertical", eine der wenigen alten Nummern (aus ihrem 2005er-Album "Unsolved Remained"), wirkt mit seinem hohen Elektronik-Anteil fast schon wie ein Fremdkörper. "Everything Shows" aus der gleichen LP dagegen fehlt das elektronische Beiwerk des Originals an diesem Abend und die Nummer verdeutlicht so, wie lange Masha schon auf den Sound von "Keys" hingearbeitet hat. Das Stück hätte in dieser Version durchaus auch von der neuen Platte sein können.
Doch auch einige neue Lieder sind live noch stärker als auf "Keys" auf das Nötigste reduziert, ohne dass sie deshalb unvollkommen klingen oder es an Leidenschaft fehlt: "Sicily" etwa, das Masha kurzerhand ganz allein spielt. Doch es gibt auch Gegenbeispiele. Das auf Platte eher unscheinbare "Rescue Pill" bäumt sich als Schlussnummer zu einem echten Orkan auf, der erst dort beginnt, wo die Studioversion bereits endet, und auch das einmal mehr umwerfende "Don't Stop The Dance"-Cover hat inzwischen einen so ausufernden Instrumentalteil, dass Masha dafür sogar noch einmal die Maske aufsetzt.
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Zwischen den Songs gibt es immer wieder witzige Dialoge mit dem Publikum, ganz egal, ob es um die vielen Ausfälle auf der augenzwinkernd "Destroyer Tour" getauften Gastspielreise geht ("Der größte Verlust war unser Auto. Das steht in Florenz", verrät Masha. "Jetzt fahren wir mit italienischem Kennzeichen. Das ist schön auf der Autobahn - man kann machen, was man will") oder den verrückten Auftritt in Fulda tags zuvor: "Die Leute dort wollten uns immer anfassen und küssen", erzählt Masha. "Das war super touchy!" Als sie sich nach dem sanften "Why" verabschiedet, kann man die Menschen in Fulda allerdings durchaus verstehen, denn auch das Konzert in Bielefeld war zum Küssen schön.
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Surfempfehlung:
www.mashaqrella.de
facebook.com/mashaqrella de.wikipedia.org/wiki/Masha_Qrella www.morrmusic.com/artist/Masha%20Qrella
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Text: -Carsten Wohlfeld- Foto: -Carsten Wohlfeld-
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