Vor zwei Jahren, bei ihrer umjubelten Rückkehr auf die Live-Bühne im Essener Grend, hatten wir die alte Regierung erlebt, die sich mit Klassenfahrtsfeeling in einen Rausch spielte: Tilman Rossmy an Gitarre und Gesang, Robert Lipinski am Bass, Thomas Geier am Schlagzeug - der Kern der klassischen Besetzung der Band, die 1989 zusammengekommen war. In Dortmund dagegen schlägt die Geburtsstunde der neuen Regierung, die um zwei Kabinettsmitglieder erweitert wurde: Ivica "Ivi" Vukelic spielt jetzt - sitzend! - die zweite Gitarre, Ralf Schlüter, lange Jahre Rossmys Begleiter beim Tilman Rossmy Quartett, ist für Keyboards, für Synths und manchmal für eine hübsche Vintage-Gitarre zuständig.
Doch auch wenn Rossmy sein Können an der Gitarre nicht für abendfüllend hält und auf der bereits viel gelobten neuen LP "Raus" allerhand Tasteninstrumente zu hören sind - ein wenig hat man an diesem Abend schon das Gefühl, die drei Originalmitglieder hätten die Ressorts durchaus unter sich allein aufteilen können. Denn Vukelics Americana-Licks (die eigentlich besser zum Quartett als zur Regierung passen) und Schlüters neue Parts bei Songs, die auf Platte gut ohne Keyboards ausgekommen waren, nehmen der Band ein wenig von der elektrisierenden Spannung, die das Konzert in Essen vor zwei Jahren zu solch einem unvergesslichen Highlight für alle Anwesenden gemacht hat.
Aber urteilen wir nicht vorschnell, denn im Subrosa erleben wir fraglos eine Band, die sich gerade erst findet. Das macht sich auch beim Tempo bemerkbar. Positiv ausgedrückt nimmt sich die Regierung bei ihrem ersten Auftritt in dieser Besetzung viel Zeit, sich langsam einzugrooven. Weil sich an "Es hat keinen Namen" und "Ein Idiot mehr" ein ganzer Block mit neuen Songs anschließt, geht es trotz einiger kurzer Velvet Underground-Outros betont fast schon behäbig los. An der Qualität der Lieder liegt das nicht, schließlich gehören "Immer mehr so wie du bist" und "Konjunktiv 2" (Tilman: "Ich habe überlegt, was wohl ein guter Blumfeld-Titel wäre") zu den Highlights der neuen LP. Was manchmal ein bisschen fehlt, ist der Anschluss an das, was die Band in den 80ern und 90ern erst zur Legende gemacht hatte. Das zeigt auch "Wie die Motte in das Licht", das später am Abend ein echtes Highlight ist - allerdings klanglich deutlich abseits dessen, was Rossmy einst zum Klassenältesten der Hamburger Schule gemacht hatte.
Erst als nach einer halben Stunde mit "Natalie sagt", "Corinna", "1975" und "Da draußen" die vom Publikum begeistert begrüßten Klassiker Schlag auf Schlag folgen, kommt echtes Regierungs-Feeling auf, zumal Rossmy dazu auch nette alte Anekdoten von seiner ersten Nacht nach dem Umzug nach Hamburg in den frühen 90ern oder von seinem nachgeholten Schulabschluss ("Abi mit 32, nicht wie ihr mit 17!") zum Besten gibt und seine Bandkollegen mit gespielt sorgenvoller Miene fragt, ob es denn wirklich ratsam ist, die größten Hits schon so früh zu spielen. Anschließend bedankt er sich bei den Zuschauern fürs Mitsingen, denn: "Die Stelle unseres Sängers ist immer noch vakant. Solange wir keinen besseren finden, mach ich das, aber die Stelle ist immer noch ausgeschrieben!"
Danach bleiben die Musiker bei den alten (und einigen ganz alten) Stücken, kehren musikalisch aber zum Ausgangspunkt zurück. "Ganz tief unten" spielen sie zwar nur zu dritt nah am Original, alte Gassenhauer wie "Das Geräusch das mein Herz macht" oder "Immer jemand im Busch" aber werden ohne die nervöse Energie der Originale vergleichsweise gemütlich gejammt, ehe sich das schon auf Platte betont entspannte "Seltsam" wirklich nahtlos anschließt.