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Musik mit Bart

Aereogramme

Köln, Gebäude 9/ Essen, KKC
15.01.2003/ 24.01.2002
Aereogramme
Daß Glasgow eine der interessantesten Popmusikmetropolen Europas ist, dürfte nicht erst seit dem Siegeszug von Belle & Sebastian bekannt sein. Neu ist höchstens, daß es fünf Jahre nach Gründung des wegweisenden Chemikal-Underground-Labels inzwischen offensichtlich einige Bands gibt, die sich an der Musik der "1. Generation" orientieren. Die rohen Emotionen und die ungebremsten Aggressionen, die bei "A Story In White", dem Debüt von Aereogramme, auf fast ambiente Soundflächen und komplementär eingesetzte Electronica prallen, kennen wir nämlich in ähnlicher Form bereits von Mogwai, und die streckenweise epische Breite des Aereogramme-Sounds wäre auch auf einem Album der großartigen Delgados nicht fehl am Platze. Musik also, die aus dem Bauch kommt, aber nicht ohne eingeschaltetes Gehirn funktioniert. Ein paar Monate nach der Plattenveröffentlichung galt es nun also, das Ganze auch live auf deutsche Bühnen zu bringen.
Und dabei konnte die Band ihr Publikum zum Auftakt ihrer vier Shows in Deutschland im Kölner Gebäude 9 ziemlich überraschen, verließen sich die drei Schotten doch völlig auf die Wucht ihrer Songs und verzichteten komplett auf die Effekte und Samples, die auf der Platte noch integraler Bestandteil gewesen waren. Weil sie zudem noch dem Rasieren entsagen und somit wohl die erste Band seit ZZ Top sind, die nur aus Vollbartgesichtern besteht, war klar: Hier kommt es ausschließlich auf die Musik an - Sorgen um Rockstar-Ambitionen oder ihr Image sind Aereogramme fremd. Gerade weil das Konzert in Köln eher spärlich besucht war, bestanden die Ansagen eher aus Dialogen zwischen Band und Publikum und nicht aus dem üblichen "Der nächste Song heißt..."-Geblubber. Paradebeispiel: "Well, I'm afraid, this is our last song!" - "Play a Mogwai-Song instead!" - "Fuck off!!!". Während dieser "Überraschungseffekt" und die Art der Band, die Intensität der Musik rüberzubringen, in Köln das große Plus des Konzertes war, das die Zuschauer fesselte, verpufften die Ambitionen des Trios gut eine Woche später leider etwas. Klar, auch bei der Show in der Essener Universität war die Fähigkeit der drei, die dynamischen Gegensätze ihrer Musik herauszuarbeiten - in einem Moment am Mikro zu hängen und Textzeilen in selbiges zu hauchen und in der nächsten Sekunde Gitarre/Baß/Schlagzeug zu malträtieren und zu schreien, als gäbe es kein Morgen - unverkennbar, doch leider sprang der Funke nicht so recht auf das Publikum über, und das, obwohl sich doppelt so viele Zuschauer eingefunden hatten wie in Köln. Deshalb schwang in Essen bei Ansagen wie "If you don't like quiet songs, you better go to the bar now!" trotz der offensichtlichen Ironie auch ein wenig Resignation mit. Schließlich war es kein schlechtes Konzert, nur eines, das ein bißchen schwer zu fassen war. Aber eine Band, die sich musikalisch als Symbiose aus Built To Spill und Nirvana präsentiert, bewegt sich nun einmal auf dünnem Eis, und da sollte es eigentlich niemanden wundern, daß sie trotz ihrer offensichtlichen Großartigkeit nicht immer das andere Ufer erreichen kann.
Text: -Carsten Wohlfeld & Laura Scheiter-
Foto: -Pressefreigabe-

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