Die Sache begann am ersten Tag - zum Glück bei geeignetem, sommerlichen Wetter - mit einem Auftritt der
Alpentines. Die jungen, ernsten Herren machen das, was junge, ernste Herren in einem solchen Anlass wohl machen müssen. Introvertierten, leicht technokratischen Indie-New-Wave Pop. Ein Problem des Festivals - dass nämlich nicht alle angesagten Bandprojekte vollständig zur Verfügung standen - wurde zur Tugend erklärt, so dass z.B. Roman Biewer aus dem angekündigten Auftritt von
The Lo-Fi Fair einen Solo-Auftritt in der dunklen Garage machte. Auch Roman betätigte sich als ernster junger Mann - nur eben an der psychedelischen Lautstärken-Gitarre. Der Kölner Songwriter
Eric Pfeil hingegen sang dann - zusammen mit seinem Kumpel Wolfgang Proppe am Quetschebüggel - Lieder von Zuckergewehren und Songs, die so nackt sind, dass man ihnen nicht in die Tasche greifen kann. Das war dann eher gut gelaunt und mittleren Alters.
Xul Solar wandten dann aber wieder das zuvor schon erläuterte Prinzip der ernsthaften jungen Männer an, während das Brachialgewalt-Duo
Girl (das selbstverständlich kein Mädchen enthält, denn das Indie-Fest ist ja eher eine Bastion der musikalischen Manneskraft) für ordentlich Krach, Punk und Wumms in der Garage sorgte. Heller wurde es dadurch aber auch nicht. Das Problem, die im Vergleich altersmäßig eine Generation früher anzusiedelnde Band
Die Düsen des Kölner Urgesteins Wolli Düse als Nachwuchsband zu verkaufen, löste Sedlmeir dann so, dass er erklärte, Wolli habe sich hier Musiker ausgesucht, die jünger seien als er selbst. Übrigens hatte sich mit der Sängerin Nette Sol tatsächlich eine Dame auf die Bühne verirrt. Die
Blackberries sind dann allerdings wieder eine Band aus ernsten, jungen Herren, die indes dann zumindest durch ein stylisches Bühnenoutfit, ein deutliches Interesse an Pop und Prog und eine allgemein lebensbejahendere Einstellung auffielen. Das Programm klang dann mit einem Auftritt von Markus Sandermann - dem Veranstalter und Organisator der Veranstaltung - mit dessen Solo-Projekt
Sænder, der (aus ernsten, jungen Herren bestehenden) Artpop / Postpunk-Band
Holygram und einem akustischen Solo-Auftritt des Lokalmatadoren Stefan
Honig am Ende recht friedlich aus.
Am zweiten Tag gab es erst mal erratische Sommersturmgewitter zur Einstimmung, die sich indes rechtzeitig zum Konzertbeginn verflüchtigten, so dass es beim Auftritt der Kölner Dreampop-Band crimsonandblue zumindest die Regenschirme eingepackt werden konnten und als dann Robert Drakogiannakis in Vertretung seiner krankheits- und urlaubsmäßig verhinderten Band Angelika Express ein energisch, gutgelaunt und betont jugendlich ausgerichtetes Power-Pop-Set auf der Singer-Songwriter-Bühne spielte, konnte er das bereits zu prächtigem Spektralsonnenschein tun, wie Sedlmeir meinte. Übrigens stand mit der betont vielseitigen Gitarristin und Sängerin Helena von crimsonandblue wieder eine Frau auf der Festivalbühne. Es geht also doch irgendwie. Und Robert Drakogiannakis hatte sich gar die eigens aus Paris angereiste Französin Annique als Duettpartnerin für den zweiten Teil seiner Show eingeladen. Kitty Solaris ist die Lieblingssängerin ihres Berliner Kollegen Sedlmeir. Zusammen mit ihrem Drummer, der für ein paar Tracks auch an die zweite E-Gitarre wechselte, während dazu ein Drum Computer stoisch seine Arbeit verrichtete, präsentierte Kitty ihren spezifischen New Wave-Pop mit "Silent Disco"-Einschlag - gerne und immer wieder auch mit klarem Berlin-Bezug; wie sich das auch gehört - und verstand sich damit auch als Botschafterin ihrer Stadt. Ganz was anderes bot dann Albrecht Schrader, Kölns neuste Hoffnung für die von ihm propagierten "3B - Bach, Beatles und Bossa Nova" mit denen er musikalisch aufgewachsen ist. Auch Albrecht bat darum, sich die fehlende Band bitte hinzuzudenken und dann spielte er tatsächlich Bossa Nova-Tunes mit einem gewiss poppigen Einschlag, die aber auf klassischen musikalischen Tugenden beruhen und die von ihm zwar lässig in Cocktaillounge-Manier, aber durchaus virtuos auf dem Trag-Klavier dargeboten wurden. Die Krönung seines Auftrittes war freilich die erfolgreiche Bemühungen, dem Publikum die Schönheit einer Preluden-Komposition Johann Sebastian Bachs mittels eines Audio-Kommentares beizubringen. Auf so etwas muss man auch erst mal kommen. Zur Erholung von so viel Kultur ging es in der Garage dann noch ein Mal richtig zur Sache, denn hier präsentierte Sænder ein Fusion-Konzert mit dem Elektronik-Projekt The Ravery. Wie schon gewohnt dunkel, aber nur mäßig ernsthaft - dabür aber laut und in dem Fall auch irgendwie mobilisierend. Die Locas In Love zählen ja mittlerweile auch fast schon zum Establishment der Musikszene der Domstadt. Es geht hier aber um etwas anderes, wie Björn Sonnenberg zwischen den subversiven Geschichten um in Brombeerhecken zerschlitzte Jeans und erfolgreich beschworene, vorbeifahrende Züge am Ende des Tunnels erklärte: Sich auch ein Mal untereinander kennenzulernen. Dazu rekrutierte er dann Albrecht Schrader kurzfristig als Gastmusiker für zwei Stücke. Ansonsten gab es auf vernünftige Weise unangepassten Indie-Power-Pop mit heutzutage nur noch leicht anarchistischer Tendenz, der einfach von drei besten Freunden gut gelaunt vorgetragen wurden. Und zum Abschluss des Konzertprogrammes durfte dann auch endlich Seldmeir mit seiner multimedialen Schlagershow auch als Performer auf die Bühne - und neben diversen kulturtheoretischen Wortbeiträgen gab es stellenweise tatsächlich noch mal Musik zu hören.
Fazit: Gut, dass es so viel Underground in Köln noch gibt - auch wenn der gleichnamige Club demnächst seine Pforten schließen muss. Die Idee mit dem Austausch der Musiker untereinander und die Mobilisierung des weiblichen Indie-Potentials hingegen könnte ruhig noch etwas deutlicher in den Vordergrund gestellt werden können. Vielleicht dann ja im nächsten Jahr?