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Konzert-Bericht
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Heraus aus dem Schatten
Jen Cloher
Witten, Maschinchen Buntes 21.09.2017
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Eigentlich sieht man Jen Cloher derzeit eher in Metropolen wie Melbourne, Berlin, Amsterdam, Paris oder Los Angeles, auf der winzigen Bühne der kleinen, mit viel ehrenamtlichem Engagement selbstverwalteten Wittener Musikkneipe Maschinchen Buntes fühlt sich die 44-jährige Australierin dennoch ganz besonders wohl. Kein Wunder, schließlich stehen DIY-Ethos und Gemeinschaftssinn auch ganz oben auf der Liste der Aktivitäten des von ihr aus der Taufe gehobenen Labels Milk! Records. Doch nicht nur wegen der betont heimeligen Atmosphäre erleben die vielleicht 60 Zuschauer - noch dazu bei freiem Eintritt bzw. für eine Hutspende - einen wirklich großartigen Konzertabend.
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Dafür sorgen allein schon die ansteckende Fröhlichkeit von Cloher und ihren drei Mitstreitern und ihre freimütigen Songs voller Subtilität, die live im Vergleich zu den Platten-Versionen mit deutlich mehr punkiger Wucht daherkommen und mit unüberhörbarem Velvet-Underground-Touch zwischen Folkcore, Zeitlupen-Indie und 90er-Jahre-Slackertum landen. Während Lieder wie der großartige Opener "Forgot Myself" ihres just veröffentlichten selbstbetitelten Albums von der nach dem kometenhaften Aufstieg ihrer Partnerin Courtney Barnett nicht immer leichten (Fern-)Beziehung der beiden inspiriert sind, spielt das Thema in Witten abseits der Songtexte keine explizite Rolle. Das mag daran liegen, dass Barnett keine zwei Meter von Cloher als Leadgitarristin der durch Bones Sloane am Bass und Jen Sholakis am Schlagzeug komplettierten Band mit auf der gerade einmal knöchelhohen Bühne steht und sich - mal mehr, mal weniger erfolgreich - die allergrößte Mühe gibt, nicht groß aufzufallen. Nur ganz am Ende macht sie einen kurzen Ausflug ins Rampenlicht, als sie bei der herrlich wüsten Zugabe "Stone Age Brain" den bei der Studioversion von You-Am-I-Frontmann Tim Rogers beigesteuerten Gesangspart übernimmt. Auch Clohers ausgeprägtes politisches Bewusstsein, das sie in ihrer Heimat zu einer der bekanntesten Identifikationsfiguren des Queer-Folk gemacht hat, ist an diesem Abend nur in Songs wie "Strong Woman", nicht aber zwischen den Liedern relevant. Ein kleiner Regenbogenaufkleber mit dem Wort "Yes" auf Barnetts Gitarre als Kommentar zum derzeit laufenden "Ehe für alle"-Referendum in Australien bleibt der einzige politische Kommentar.
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Stattdessen nutzt Cloher ihre wenigen, wenngleich stets herzlichen Ansagen mit geradezu Patti Smith'scher Eindringlichkeit dazu, die Musik ihrer Heimat zu promoten. So zieht sie mit "Great Australian Bite" den Hut vor all den großen Künstlern, die es nie nach Übersee geschafft haben, und die stolze Freude darüber, dass es ihr selbst nun gelungen ist, steht ihr dabei ins Gesicht geschrieben. Mit "Loose Magic" zollt sie derweil Dirty Three Tribut, und dann ist sogar "Love Goes On" von den Go-Betweens im Programm: Musikgeschichte(n) zum Anfassen - nicht nur für die von Cloher mit einem ungläubigen Lachen vorgestellte Gruppe von Musikstudenten im Saal, die sich derzeit mit der Musik von Downunder befassen. Die Zeiten, in denen Cloher im Schatten von Barnett stand, dürften nach Auftritten wie diesem schon sehr bald der Vergangenheit angehören.
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Surfempfehlung:
www.jencloher.com
www.facebook.com/JenCloherOfficial
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Text: -Carsten Wohlfeld- Foto: -Carsten Wohlfeld-
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