NACHGEHAKT BEI: Torres
GL.de: Wie wichtig ist Torres heutzutage die Unterhaltung als solche? Es fällt ja schon auf, dass die Show sehr viel lebhafter und expressiver ist, als sie das früher war.
Torres: Unterhaltung ist mir tatsächlich sogar sehr wichtig. Sie wird auch immer wichtiger. Als ich jünger war, dachte ich, dass die Performance nicht so wichtig sei, dass ich und meine Gitarre eigentlich ausreichten, so lange es nur rau und ursprünglich ist. Und manchmal ist das ja auch so. Aber heutzutage mag ich es, mit einer Band und einer richtigen Rhythmusgruppe auf Tour zu sein, ich mag es zur Musik zu tanzen und ein wenig zu schauspielern. Weißt du, die Leute kaufen schließlich Tickets, um etwas zu erleben und sich in der Performance verlieren zu können.
GL.de: Wie ergab sich eigentlich das Sounddesign der neuen Scheibe?
Torres: Auf der ersten Scheibe wurde alles durch mein Fingerpicking zusammengehalten und auf der zweiten alles durch meine Akkordarbeit auf der Gitarre. Auf der neuen Scheibe hingegen wollte ich Beats und elektronische Elemente einsetzen. Auf der neuen Scheibe gibt es zum Beispiel gar keine Gitarrenakkorde mehr - das sind alles Lead-Parts, die allerdings durch allerlei Pedal-Effekte gejagt werden, so dass sie sich am Ende gar nicht mehr wie Gitarren anhören. Ich wollte damit etwas Neues ausprobieren, was ich noch nie gemacht habe, denn ich möchte unbedingt vermeiden, mich zu wiederholen. Ich will auf keinen Fall dieselbe Scheibe zwei Mal machen.
GL.de: Da die neue Scheibe ja radikal anders ist als die letzten beiden Scheiben, stellt sich die Frage, was für Torres dabei das verbindende Element gewesen sein mag. Sind es vielleicht - wie Carsten Wohlfeld bei den Interviews zur letzten Torres-Scheibe "Sprinter" herausfand - wieder die inhaltlichen Zusammenhänge?
Torres: Ich denke ja. Meine Texte und meine Stimme sind das, was ausmacht, dass es um mich geht. Klanglich werde ich vermutlich immer alles von Scheibe zu Scheibe verändern - weil für mich jede Scheibe eine eigene Welt darstellt. Aber meine Stimme verbindet dann alles miteinander.
GL.de: Gilt das auch für die Texte selbst - die sich ja durchaus nach wie vor auf einem poetischen Level mit persönlichen Beobachtungen und Erfahrungen beschäftigen?
Torres: Ja, denn ich finde, es gehört nicht viel handwerkliches Geschick dazu, einfach seine Erlebnisse runterzuschreiben. Die Erlebnisse sollten auf poetische Weise manipuliert werden. Worüber man auch immer schreibt, sollte so bearbeitet werden, dass aus dem bloßen Fakt auf dem Papier etwas anderes wird. Es gibt ja schließlich Metaphern, Symbole, Personifikationen. Es ist einfach langweilig, sein Handwerk nicht einzusetzen. Das Handwerk wird heutzutage gerne mal übersehen.
GL.de: Handwerk? Geht es nicht eher um Kunst?
Torres: Das meine ich damit. Das ist für mich das selbe. Ich mache das so, dass ich alles Mögliche, was ich beobachte dokumentiere und dann versuche, etwas daraus zusammenzuweben. Ich schreibe immer ein wenig, so dass ich dann, wenn es ernst wird mit dem Song-Schreiben, Material habe, auf dem ich aufbauen kann. Es ist dabei wichtig, mit kleinen Ideen anzufangen und dann etwas darauf aufzubauen. Das ist besser als gleich mit vielen großen Ideen anzufangen und dann zu versuchen, zum Kern des Songs zu finden. Manchmal muss ich aber auch einen Song mehrfach umschreiben, um das Zentrum des Songs finden zu können. Und ich stelle sicher, dass es in jedem Song nur ein Thema gibt. Eine Falle, in die Songwriter nämlich fallen können, ist zu viel zu sagen, so dass am Ende der Fokus fehlt.
GL.de: Was macht dann insgesamt einen guten Song aus?
Torres: Eine Menge Dinge. Ein guter Song sollte gut aussehen - auch auf dem Papier aufgeschrieben. Er sollte sich gut anhören - in der Art, wie er von der Zunge rollt. Er sollte nicht zu viel sagen. Lieber wiederhole ich etwas - denn ich mag die Verstärkung von Ideen durch Wiederholung. Sowohl inhaltlich bei Texten wie auch musikalisch. Was einen guten Popsong auszeichnet, ist die Verstärkung einer Idee durch Wiederholung. Und was am Wichtigsten ist: Ein Song ist nur dann gut, wenn die Texte sich wie Gedichte lesen. Viele denken, dass eine gute Melodie schon ausreicht. Ich bin da anderer Meinung. Wenn etwas nicht wie ein Gedicht klingt, dann nützt es auch nichts, gute Musik hinzuzufügen. Ich brauche mehr als nur eine gute Geschichte.
GL.de: Heißt das, dass Musik größer als das Leben sein sollte?
Torres: Ja - jede Art von Kunst sollte sich größer als das Leben anfühlen. Denn die Kunst sollte ja das, was wir Realität nennen, schon irgendwie durchdringen. Ich mag Kunst, die sehr surreal ist. Ich mag eigentlich alles Surreale, weil dadurch ein fantastisches Element zur Realität hinzu kommt.