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Konzert-Bericht
 
Solingen, Blues Capital of Germany

Elliott Murphy & Olivier Durand
Michael Weston King

Solingen, Steinenhaus
02.02.2002
Michael Weston King
Zunächst einmal hier es Bangen im Solinger Steinenhaus: Um 19 Uhr strömten die ersten Gäste in den Veranstaltungsraum und während Support Act Michael Weston King bereits seine Stimmbänder ölte, war von Elliott Murphy und Olivier Durand noch nichts zu sehen. Das konnte nur eines bedeuten: Sie hatten sich in den vielen versteckten Dimensionen verfranzt, die Solingen für Außenstehende so unergründlich und scheinbar unendlich machen. Michael war hingegen mit der Bahn angereist und konnte so frohen Herzens aufspielen. D.h.: Insofern das Englands traurigstem Troubadour natürlich möglich ist. Michael spielte vorwiegend neue Stücke, die er in Kürze auf CD zu bannen gedenkt. Darunter befanden sich zahlreiche potentielle künftige MWK-Klassiker wie "Always The Bridesmaid" oder "Where The Sun Don't Shine". Während sich diese thematisch wieder mal eher mit den Schattenseiten des Daseins beschäftigten, gab es musikalisch doch einige "Lichtblicke" zu hören. Abrunden tat Michael das dann mit einigen Cover-Versionen, darunter "Lover's Lullaby", eines der schönsten Townes Van Zandt-Stücke überhaupt (welches sich auch auf Michael's im März erscheinender Live-CD "Live From Dinky Town" befindet).
Elliott Murphy & Olivier Durand
Als Elliott und Olivier dann doch endlich zum Tatort gefunden hatten, ging's auch gleich in die Vollen. Beide waren offensichtlich bestens gelaunt und hochmotiviert, was vom zahlreich erschienenen Publikum auch mit Begeisterungsstürmen goutiert wurde. "Wenn ich und Olivier auf Tour sind, dann fahren wir jeden Tag so etwa acht Stunden und spielen dann für zwei", meinte Elliott, "aber an Abenden wie diesen, ist es das wert." Elliott Murphy hat mit seinem französischen Partner Olivier Durand soeben die neue CD "Soul Surfing" veröffentlicht, und so gab es denn auch einige neue Tracks - wie z.B. der "Hit" "Come On Louann" - die sich nahtlos in sein bisheriges Oeuvre eingliederten. Und dieses besteht nach wie vor aus einem bunten Potpourri seiner Tracks aus der "akustischen Phase" seit "Beauregard" und natürlich den Cover-Versionen. Olivier hatte eine Fuzzbox dabei und so geriet etwa "Little Red Rooster" eher zu einem wilden Rocker, als einem Blues. Obwohl Elliott noch die ergreifende Story auf Tasche hatte, daß die Blues-Legende Willie Dixon ihn (also Elliott) noch auf dem Todesbett das Versprechen abgenommen habe, "Little Red Rooster" einmal in Deutschland's Blues-Hauptstadt Solingen zu spielen. Elliotts Unbefangenheit rührt aus dem einfachen Umstand her, daß er sich mit seiner Situation arrangiert hat. (Immerhin: Wäre die Geschichte ein wenig anders verlaufen, dann wäre er heute ein zweiter Bruce Springsteen).

"Die CD 'Selling The Gold' war eine Enttäuschung für mich", meint er resümierend hierzu, "es war eine große Produktion (auf der auch sein Freund Bruce Springsteen mitsang), die aber kommerziell eine Enttäuschung war. Danach schlug ich mit 'Beauregard' eine Richtung ein, die ich bis heute konsequent durchgehalten habe." Dazu gehört auch, daß er wie ein junger Kasper über die Bühne hüpft und sich über sein Alter lustig macht. (Eine weitere Story handelt davon, daß er deswegen aus New York weggezogen war, weil ihm dort in einem Coffee-Shop seine drei ersten Ehefrauen über den Weg gelaufen waren). Aber wie etwa Bob Dylan über sein Alter reflektieren möchte er nicht. "'Time Out Of Mind' ist eine klasse Platte", räumt er ein, "alles, was Dylan macht, ist wichtig, und wer etwas anderes behauptet, ist ein Narr. Aber ich denke nicht so. Ich fühle mich immer noch so, wie ich mich fühlte, als ich 16 war. Gestern habe ich mir eine neue Gitarre gekauft. Und ich fühlte den gleichen Kitzel wie damals. Manchmal fühle ich mich, als sei die Welt älter geworden, während ich jung geblieben bin." Dazu gehört sicherlich auch, daß er sein neues Album (von dem er dann beim Konzert doch weniger Stücke spielte, als man das vielleicht erwartet hätte - immerhin aber noch das schöne "Dragon"), "Soul Surfing" nannte. "Ich liebe es, zu surfen", schwärmt er, "ich machte das schon, als ich als Teenager auf Long Island lebte. Die Surfer-Girls waren das Größte - sie lächelten ständig. Ich habe dann mein Surfboard verkauft, um eine neue Gitarre zu erstehen, aber ich behielt die Vorliebe für diesen Sport bei. Heutzutage surfe ich wieder - an der Südwestküste von Frankreich - wenn ich die Zeit dazu finde." Und zum Titel: "Da gibt es diesen Ausdruck in den USA: 'Soul searching" - was bedeutet, daß Du nach deiner eigenen Wahrheit suchst. Und das ist es, was ich getan habe, denke ich." Diese heitere Gelassenheit hat sich auch auf Elliotts Songwriting übertragen. Als sie in Solingen "Come On Louann" anstimmten, meint er z.B.: "Übrigens: Ich habe niemals ein Mädchen namens Louann gekannt." Wie aber findet jemand wie Elliott, der in seinen 30 Jahren Bühnenkarriere doch eigentlich schon jeden Song schon geschrieben haben müßte, heutzutage seine Themen? "Ich weiß nicht... ich lese, ich beobachte Leute, ich habe eine große Phantasie - was nicht immer von Vorteil ist", überlegt er, "wenn ich schreibe, fantasiere ich vor mich hin, bin paranoid und lebe in einer Welt von Wahnvorstellungen. Ich denke alle meine Charaktere - auch die Frauen - sind einfach ein Teil von mir selbst. Ich mag es, Dialog in Songs zu schreiben und ich mag es, Bilder mit meinen Songs zu malen. Manchmal ist es einfacher, eine bestimmte Vision in einem Drei-Minuten-Song unterzubringen, als in einem 500 Seiten starken Buch - und manchmal wieder nicht. Mein Songwriting kommt ganz natürlich. In den letzten fünf Jahren fließt der Saft jedenfalls stetig. Mit 17 spielte ich Gitarre und ließ mir des öfteren das Herz brechen und meine Illusionen erschüttern. Heutzutage ist mein Herz stärker und ich habe weniger Illusionen."

Elliott Murphy & Olivier Durand
Nun könnte man ja annehmen, daß statt dessen heutzutage bei Elliott das Thema Familie mehr in den Vordergrund rückt - wie bei "ähnlich alten" Musikanten. "Oh, ich habe Songs über meine Familie geschrieben. 'Whole New World' auf '12' war über die Geburt meines Sohnes. Auf meinem ersten Album, 'Aquashow' hießt der erste Track 'How's The Family'. Was willst Du mehr? Und: Ich entstamme der 'nächsten Welle' von Rock'n'Rollern. Ich habe den Blues von den Stones gelernt und ich habe Rimbaud über Bob Dylan kennengelernt. Ich habe die Offenbarung durch einen Song von John Lennon gelernt. Fas waren meine Lehrer. Ich weiß nicht, ob ich dazu geboren wurde, wild oder zahm zu sein." In Olivier Durand hat Elliott jedenfalls einen Partner gefunden, der ideal zu ihm paßt. Auf der Bühne ist es Olivier, der die wildesten Riffs und Soli aus dem Ärmel schüttelt. Er ergänzt Elliots durchaus solide Rhythmusarbeit in idealer Weise. "Olivier ist heute ein großer Teil der 'Elliott Murphy Musical Experience'. Er hat Unbeschwertheit und Licht in meine Shows gebracht. Er ist ein guter Mann und ein guter Freund. Und er hat sich zu einem prächtigen Gitarristen entwickelt. Ich habe versucht, ihn vom Gitarrenhelden-Image wegzubringen und ihn dazu gebracht, sich umzuschauen - vornehmlich in Richtung Django (Reinhardt) und Jazz. Ich habe ihm auch dazu geraten, bei der akustischen Gitarre zu bleiben, die er jetzt auch beherrscht. Wir schreiben auch zusammen. Ich sage immer, daß er besser spielt als ich, aber ich habe ihm beigebracht, besser zu sein als ich." Dennoch kann man sich bei Live-Shows des Eindrucks nicht erwehren, daß Olivier es liebt, den Gitarrenhelden zu mimen. Wenn er sein Pedal auf Anschlag durchdrückt, kommt die akustische Show einem Rock-Konzert schon ganz schön nahe. Elliott grinst dabei und genießt das auch irgendwie. Eine andere Kollaboration, die Früchte trug, war die Zusammenarbeit mit Iain Matthews auf der "Terre Commune"-Scheibe. (Im Herbst wird mit einer zweiten Folge gerechnet). "'La Terre Commune' war ein großes Wagnis, daß sich glücklicherweise ausgezahlt hat", verrät Elliott, "es war meine erste Zusammenarbeit mit einem Singer-/Songwriter. Wenn wir mehr Geld und Zeit gehabt hätten, hätten wir es wahrscheinlich versaut. Unsere Egos wären irgendwann involviert gewesen. Wir haben ja einige tolle Shows in Deutschland und Frankreich gespielt und Iain brachte mich auch dazu, daß ich besser singe - denke ich. Zusammen Songs zu schreiben ist aber nicht ganz einfach und ich weiß auch nicht, ob es notwendig ist. Es braucht auch sehr viel Zeit, weil Du einen Song eine Weile wachsen lassen mußt, wenn Du erst mal die Saat gepflanzt hast. Und ich weiß nicht, ob wir die Zeit dafür haben werden, wenn wir eine neue Scheibe aufnehmen. Ich liebe es aber, Cover-Versionen mit Iain zu spielen und ich denke, das ist auch legitim. Und ich konnte Baß auf dem Album spielen, was Spaß gemacht hat." Das mit den Cover-Versionen ist bei Elliott ja stets wichtig. Dabei gibt es zwei Sorten: Zum einen Stücke wie "Gloria" - die jeder kennt und auch mitsingen kann, und dann die persönlicheren Sachen wie zum Beispiel den Tom Waits-Song "Hold On", den er auf "Soul Surfing" covert: "Ich liebe 'Mule Variations' und der Song blieb mir im Kopf stecken... er hat diese Art von Story, die ich erzählen kann und ich liebte die klassische Zeile 'You Don't Meet Nice Girls In A Coffe Shop'". Hat eigentlich jemand, der musikalisch schon alles abgegrast hat, noch musikalische Träume? "Ich würde gerne mal ein Blues-Album machen und ich möchte mal eine Duett-Scheibe mit einer Sängerin machen", überlegt Elliott, "aber generell mag ich es, wo ich mich musikalisch jetzt befinde. Ich mag die Art, wie ich akustische Gitarre spiele und die Art von Songs die dabei herauskommen. Ich denke, daß meine letzten vier Alben genauso stark waren, wie meine ersten vier." Und was ist am wichtigsten für Elliott Murphy? "Am wichtigsten ist die wunderbare Beziehung, die ich mit meinem Publikum habe, mit meinen Fans. Ich liebe sie und sie geben mir so viel zurück. Sie halten mich jung und auf Trab."

Das dankt Elliott seinen Fans zum Beispiel dadurch, daß er gleich nach der Show - noch bevor er dazu kommt, etwas zu essen, für Autogramme und Gespräche zur Verfügung steht. Sowas wissen die Fans natürlich wertzuschätzen. Und welchen Ratschlag hätte der "alte Hase" für Nachgeborene? "Mein Ratschlag an jüngere Musiker wäre, ein einfaches Album aufzunehmen und dann aufzutreten, so oft es geht. Und wenn Du eine Idee für einen Song mitten in der Nacht hast, steh' auf und nimm es mit einem Cassettenrecorder auf. Denn wahrscheinlich wirst Du dich morgens nicht mehr daran erinnern. Und dann mußt Du 10 Jahre darauf warten, bis so eine Inspiration wieder kommt. Das wichtigste aber ist: Hör' niemals auf." Gerade letzteres scheint Elliott bei seinen Live-Konzerten besonders wörtlich zu nehmen. Und so gab es in Solingen Zugabe auf Zugabe. Da zahlt es sich schon irgendwie aus, wenn man aus einem 30-jährigen Back-Katalog schöpfen kann. Und wenn dann Elliott und Olivier am Ende (nachdem sie sich sogar gitarrespielend auf dem Boden gewälzt hatten) beide ihre Akustik-Gitarren der viel zu niedrigen Decke entgegenreckten, dann wußte man: Das war keine leere Pose, keine Wahnvorstellung, keine Phantasie, sondern fleischgewordene Selbstverwirklichung. Elliott Murphy ist eben ein Vollblutmusiker, wie er im Buche steht.

Text: -Ullrich Maurer-
Fotos: -Ullrich Maurer-


 
 

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