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Konzert-Bericht
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Charlie Brown in Chinatown
Slow Leaves
Köln, Die Lichtung 04.03.2018
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Vor einigen Wochen ist der Kanadier Grant Davidson alias Slow Leaves zusammen mit seinem Bassisten Reg Ricard als Support-Act von Torpus & The Art Directors schon einmal auf unseren Bühnen unterwegs gewesen - und zwar sogar in Köln selbst. Es war nun aber keineswegs so, dass die Fans, die am Sonntagnachmittag den Weg in die Kölner Lichtung fanden (und das waren erfreulich viele), Grant allesamt erst bei diesem Konzert entdeckt hatten. "Ich frage mich, wie ihr alle hierher gefunden habt", wunderte er sich dann fast auch schon über den Zuspruch der Interessierten.
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Grant Davidson kommt aus Winnipeg in der Provinz Manitoba. Das ist eine dieser dünn besiedelten Landei-Provinzen Kanadas mit einer überschaubaren musikalischen Szene. Deswegen wundert es fast schon, dass sich Grant für seine melancholischen (oder wie er sagt "depressive") Folkpop-Songs kein dezidiertes Country-Setting ausgewählt hat - wie das viele seiner Landsleute tun. Stattdessen präsentiert Grant auf der Bühne seine Songs zum Beispiel mit einer elektrischen anstatt einer akustischen Gitarre und lässt sich dabei von dem Franko-Kanadier Rej Ricard am Bass begleiten. Sinn macht das durchaus, denn so kommen die Songs erstaunlich druckvoll, groovend und beschwingt rüber - jedenfalls für einen klassischen Songwriter, der Grant durchaus ist. Ein Neuling freilich ist er nicht. Bereits seit 2009 veröffentlicht der Mann Solo-Scheiben unter seinem "richtigen" Namen, bevor er dann beschloss, sein Projekt auf eine breitere Basis zu stellen und seit 2013 seine Songs im Band-Kontext als Slow Leaves herausbringt.
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Bei seinem Konzert in der Lichtung beschränkte er sich bei der Songwahl demzufolge auf die Stücke seiner beiden LPs "Beauty IOs So Common" und dem aktuellen Werk "Enough About Me". Kurz gesagt unterteilte sich das Programm in zwei Up-Tempo-Nummern ("Life Of A Better Man" und "Neighborhood Watch" vom ersten Album) mit einer musikalisch lebensbejahenden Ausrichtung und den restlichen Songs, die Grant - wie gesagt - als depressiv bezeichnet; die aber tatsächlich lediglich nach allen Regeln der Kunst großer Melancholiker in Szene gesetzt werden. Tatsächlich ist Grant dabei seinem Landsmann Leonard Cohen (zumindest mental) näher als vielen seiner Kollegen, die musikalisch gerne in Richtung des großen, südlichen Nachbarn - den USA - schielen. Grant ist dabei als Songwriter auch in gewisser Weise ein großer Poet - allerdings auf einer weniger sakralen Ebene als Cohen. Als klassischer, bodenständiger Familienmensch konzentriert er sich in seinen Songs darauf, das persönliche Umfeld auf humorige, selbstironische Art zu beobachten, zu sezieren und in seinen Lyrics zu verarbeiten. Dabei bemüht er die gesamte Breite des Möglichen und singt von Nachbarschaftsstreitigkeiten ("Slow Leaves"), Jugendlieben ("Chinatown"), Beziehungsproblemen ("Enough About Me"), eigenartigen Charakteren ("Neighborhood Watch") und - im Auftrag seiner Frau - auch von großen, universellen Fragen des Lebens ("Everybody Wants To Be In Love"). Dabei gehört Grant zu jener Spezies von Songwritern, die alleine durch eine geschickte Perspektivwahl zu erstaunlichen Ergebnissen kommen. Ein gutes Beispiel für seine Technik erläuterte er anhand seines Songs "Chinatown": Zu seinen Lieblingsfilmen zählen "Casablanca" und "Chinatown" - ersterer mit einer semi-hoffnungsvollen Auflösung und letzterer mit einem tragischen Ende. Dieses implementierte er auf eine Jugendliebe, indem er sich und seine damalige Freundin als Charlie Brown und Lucy auf die Reise mit dem Ziel Paris (Casablanca) als Traumprojektion schickt, die jedoch dann stattdessen ganz banal auf dem Boden der Tatsachen in Chinatown endet. Songs wie diese zeigen Grant Davidson als Meister seiner Zunft, denn mit dieser Weltsicht gelingt es ihm scheinbar mühelos, einen glaubwürdigen, eigenen Songwriterkosmos aufzubauen, den er auf der Bühne dann mit viel Witz und Eloquenz auf amüsante Weise zu verkaufen versteht. Mal abgesehen davon, dass die Protagonisten Grant und Reg aufgrund eines fehlenden Beleuchtungskonzeptes so gut wie gar nicht zu sehen waren, war diese Show in diesem Setting dann eine ziemlich perfekte Übung in Sachen unterhaltungstechnischer Effektivität.
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Surfempfehlung:
slowleaves.com
www.facebook.com/slowleaves twitter.com/SlowLeaves
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Text: -Ullrich Maurer- Foto: -Ullrich Maurer-
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