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Ungeschminkte Emotionen

Lydia Cole

Köln, Tee de Cologne
07.04.2018

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Lydia Cole
Authentizität ist für Lydia Cole ein hohes Gut. Deshalb trägt die liebenswerte neuseeländische Singer/Songwriterin seit jeher ihr Herz auf der Zunge. Wo andere ähnlich inspirierte Künstlerinnen sich und ihre Fehler hinter Metaphern verstecken, hat Cole keine Angst davor, ihre Seele bloßzulegen, und glänzt auf Platte wie auf der Bühne mit Zurückhaltung und Aufrichtigkeit. Auch bei ihrem ersten Headline-Konzert in Köln erlebt das Publikum die seit knapp einem Jahr in Berlin heimische Musikerin im wahrsten Sinne ungeschminkt. Ihr Auftreten mag oft unspektakulär wirken, ihre Musik ist aber alles andere als das.
Der Ort für diesen entzückenden Auftritt hätte nicht besser gewählt sein können. In einem der typischen Rockclubs, wie es sie in Köln inzwischen an jeder Ecke zu geben scheint, hätte die betont introvertierte 30-Jährige vielleicht etwas verloren gewirkt, im Tee de Cologne, einem an diesem Abend mit zwei Dutzend Klappstühlen vom urigen Teefachgeschäft zur Indie-Folk-Bühne umfunktionierten Ladenlokal in Neu-Ehrenfeld aber sind Cole und ihr ebenfalls ursprünglich aus Neuseeland stammender Partner, Keyboarder und Stromgitarrist Timothy Armstrong unter Gleichgesinnten. Tatsächlich wirkt Cole fast unerwartet entspannt, als sie sich bereits vor dem Konzert angeregt mit ihren - nach eigener Zählung - dreieinhalb Freunden in der Domstadt unterhält. "Es war so schön, draußen zu stehen und zu plaudern. Das hätte ich den ganzen Abend machen können", gesteht sie ihrem Publikum noch vor dem ersten Lied, bevor sie spitz hinzufügt: "Muss ich wirklich noch spielen?"

Als Einstieg wählt sie ein Lied, das sie gestohlen hat, wie sie selbst sagt, aber eigentlich trifft es das nicht ganz. "Mother Earth And Father Sun" mag zwar ursprünglich aus dem Zeichentrick-Musical "Zuckermann's Farm - Wilbur im Glück" stammen, doch wo Debbie Reynolds 1973 ein ganzes Orchester im Rücken hatte, reichen Cole allein die Unschuld ihrer Stimme, eine Akustikgitarre und einige leise perlende Töne aus Armstrongs Mini-Keyboards, um sich den Song vollkommen zu eigen zu machen. Zweieinhalb Minuten nach dem Beginn steht deshalb schon fest: Das wird ein richtig schöner Abend!

"Wenn ich nervös bin, rede ich ziemlich viel Stuss, aber wenn ich mich wirklich glücklich und behaglich fühle, dann ist mein Kopf ganz leer, so wie jetzt gerade", erklärt sie anschließend. "Zum Glück habe ich meine Lieder!" In der Tat verraten ihre bisweilen im Flüsterton vorgetragenen Leisetreter-Songs über sie mindestens genauso viel wie sie selbst zwischen den Liedern. Zumeist klingen sie wie vertonte Tagebucheinträge, mit denen sie ihr Leben nachzeichnet. Treffenderweise hat sie ihre feine aktuelle LP auch "The Lay Of The Land", also "Der Stand der Dinge" genannt.

Mit "The Fool That I Am" ("Das Lied habe ich über mich geschrieben") stellt sie gewissermaßen ein Selbstportrait an den Anfang, bei dem sie klanglich ein wenig an die fragile Seite der großartigen Laura Stevenson erinnert, um danach mit wunderbar sanften "blauen Tönen" und live noch einmal deutlich reduzierter als auf ihren alles andere als verschwenderisch produzierten Platten Schlaglichter auf ihr Leben in Neuseeland zu werfen, die eine direkte Verbindung von ihrem Herzen zum Publikum herstellen. Dabei schlägt sie einen Bogen von einer Hommage für ihre früh verstorbene Freundin Isabel ("That Was You") über die gedankenübertragenden Fähigkeiten der Liebe ("Telepathise") bis hin zu den dummen Sachen, die man anstellt, wenn man betrunken ist ("Sober") und widmet einer in die Binsen gegangenen Fernbeziehung gleich eine ganze Song-Trilogie, mit der sie zwischen all der Verletzlichkeit auch Stärke und Selbstsicherheit demonstriert, wenn es in "Blind Boy" heißt: "I don't know if you'll ever see / Just what you lost when you lost me."

Zwischendurch bedankt sich Cole herzlich beim Publikum, das bei dem schönen Wetter draußen auch hätte Eis essen oder Bier trinken können, und verrät, dass sich ihr Sidekick Armstrong trotz einer fiesen Erkältung nach nur drei Stunden Schlaf aus dem Bett gequält hat, um in aller Frühe den Zug nach Köln zu erwischen. "Das ist doch verrückt!", findet sie, und fügt augenzwinkernd hinzu: "Ich weiß nicht, ob ich das auch für euch gemacht hätte!" Ganz am Ende, bei der Zugabe "Time Is A Healer", widmet sie sich noch einmal den ambivalenten Gefühlen, die viele ihrer Lieder bestimmen. "But if time is a healer / It may not be soon", singt sie, als wolle sie sagen: Gar nicht so einfach, an das Gute zu glauben, wenn dir ständig die Tücken des Alltags dazwischenfunken! Den kleinen Verstärker, der an diesem Abend gleichzeitig auch als PA fungiert, hat sie da bereits abgeschaltet. Solo und vollkommen unplugged kommt sie so ihrem selbsterklärten Ziel, reine Emotionen in Songs zu übersetzen, ganz besonders nah. Weniger ist manchmal eben doch mehr.

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Surfempfehlung:
www.lydiacole.com
facebook.com/lydiacolemusic
lydiacole.bandcamp.com
Text: -Carsten Wohlfeld-
Foto: -Carsten Wohlfeld-


 
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