NACHGEHAKT BEI: DYLYN
GL.de: Was ist denn der Unterschied zwischen Dylyn und Guinevere - dem alten Alias von Gwendolyn Lewis?
Dylyn: Wow - ich wusste gar nicht, dass du von Guinevere weißt. Also die Sache war die, dass ich damals, als ich das machte, sehr von der König Arthur-Saga fasziniert war und mich eben Guinevere nannte. Als ich aber beschloss in eine andere Richtung zu gehen und mehr die Sachen zu machen, mit denen ich aufgewachsen war, dachte ich mir, dass ich nicht nur meine Musik, sondern auch meinen Namen ändern sollte - weil das, was ich nun mache mehr ich selbst ist. Ich heiße ja eigentlich Gwendolyn - und Dylyn ist dann eben die Hälfte davon.
GL.de: Was heißt denn "ich selbst"? Womit ist Gwendolyn denn aufgewachsen? Immerhin ist es je eher ungewöhnlich, dass eine so junge Frau heutzutage mit Musik aus den frühen 80ern so vertraut ist, dass sie diese als Inspirationsquelle betrachtet.
Dylyn: Ich muss mich dafür bei meinem Vater bedanken. Er ist 1954 geboren und meine Kindheit bestand letztlich aus Sachen wie den Beach Boys und später Led Zeppelin, Black Sabbath oder Cream - all diese unglaublichen Bands, mit denen ich dann selbst anfing, Platten zu sammeln. Später interessierte ich mich dann für Musik aus den 80ern - Depeche Mode, The Cure, Tears For Fears. Darin habe ich mich dann verliebt. Und heutzutage machen ja nicht mehr viele diese Art von Musik - und ich denke, das ist die beste und sie sollte unbedingt zurückkommen.
GL.de: Was ist denn so faszinierend an dieser Art von Musik? Vielleicht, dass sie zuweilen durchaus ein wenig rau ist, aber andererseits auch glamourös und größer als das Leben?
Dylyn: Ich denke, dass es hier um eine Art Flucht vor der Realität geht. Wenn man diese Songs hört, dann transportieren sie einen in eine andere Dimension. Nimm zum Beispiel Songs wie "A Best Friend's Girl" von den Cars - diese transportieren dich dann zurück an einen bestimmten Moment in deinem Leben. Da gibt es dann gleich dieses Gefühl von Rebellion und Aufregung - man fühlt sich einfach cool, diese Songs zu hören.
GL.de: Das hat vielleicht auch mit den Videos zu tun, die damals gerade aufkamen und mit denen diese Songs verknüpft sind. Dylyn scheinen Videos ja auch sehr wichtig zu sein?
Dylyn: Ja, das stimmt wohl. Ich scripte meine Videos auch selbst. Dabei möchte ich es aber auch belassen. Ich habe mich zwar mal als Schauspielerin versucht, aber ich bin einfach nicht besonders gut darin. Ich möchte mich dann doch voll auf die Musik konzentrieren, denn die passt besser zu mir.
GL.de: Wie entstehen denn die Dylyn-Songs?
Dylyn: Ich schreibe meine Songs zusammen mit meinem Produzenten, Colin Munroe. Wir haben das Dylyn-Projekt zusammen ins Leben gerufen. Er hat mich gebeten, 20 oder 30 Songs, die ich mag, auszusuchen und wir haben diesen dann Bilder zugeordnet, während die Songs spielten. Ich habe auf diese Art und Weise gewissermaßen zu mir selbst gefunden und definiert, was ich genau mag.
GL.de: Was zeichnet einen guten Song musikalisch aus?
Dylyn: Ganz einfach: Wenn man den Song herunterbrechen kann und er alleine auf der Gitarre noch gut klingt - dann ist es einfach ein guter Song.
GL.de: In den Dylyn Songs geht es inhaltlich ganz schön autobiographisch zu, oder?
Dylyn: Ja, das ist 100%ig richtig. Jeder Song basiert auf meinen persönlichen Erfahrungen. Nimm z.B. Songs wie "Wolf". Es ist zwar nicht so, dass ich grundsätzlich immer "Cry Wolf" rufe, aber da gab es diesen Moment in meinem Leben, nach einer ziemlich üblen Trennung, wo ich an dem Punkt angelangt, wo ich eine gewisse destruktive Ader hatte und nicht auf die Gefühle anderer geachtet habe und wo mir das Thema Liebe egal war. In "American Nightmare" geht es darum, dass ich einen Albtraum dem typischen Amerikanischen Traum vorziehe. Es bin jetzt in einem Alter, in dem der Druck ziemlich groß ist, bestimmte Erwartungshaltungen zu erfüllen - eine Familie zu gründen, Kinder zu bekommen usw. Ich will das aber zur Zeit nicht machen. Irgendwann vielleicht mal - aber momentan ist es mir wichtig, mein eigenes Ding zu machen und ich selbst zu sein. Und ich weiß nicht, ob du zustimmst, aber ich denke, dass diese Generation von einer solchen Flut an Sachen zugeschüttet wird, die einfach nicht stimmen, dass ich selbst nicht mehr glauben mag, was in den Medien gesagt wird. Auch das ist Thema dieses Songs. Man muss sich seinen eigenen Weg suchen und sich selbst eine Meinung bilden.
GL.de: Andere Songs scheinen sich aber eher mit irgendwelchen Getränken zu beschäftigen - "Mimosa", z.B., "Sauvignon And A Kimono" und "Sober".
Dylyn: Oh, das berührt mich aber jetzt, dass du das sagst. Es ist so, dass ich ja mit meinen Eltern zusammen aufwuchs und mit ansehen musste, wie mein Vater trank. Er war zeitlebens ein Alkoholiker und ich denke, dass ich viel darüber schreibe, wie man mit Alkohol Gefühle maskieren kann. Es ist hart, so etwas beobachten zu müssen. Mein Vater ist eigentlich ein brillanter Mensch, er kann nur nicht mit Menschen umgehen. Und ich sehe das zuweilen in mir selbst auch - und das ist ein wenig unheimlich.
GL.de: Das heißt also, dass Musik eine Therapie ist?
Dylyn: Auf jeden Fall. Das ist auch der einzige Grund, warum ich die letzten drei Jahre meines Lebens überstanden habe, weißt du...
GL.de: Gibt es denn ein musikalisches Ziel?
Dylyn: Es kommt auf die Atmosphäre und die Produktion an. Man kann nicht allzuviel Druck auf diese Sache ausüben. Visuell und klanglich verstehe ich langsam, worum es geht. Ich habe etwas gefunden, das zu mir passt und darauf möchte ich aufbauen. Schau dir zum Beispiel David Bowie an: Der fing auch sehr sparsam an, baute darauf auf und verwandelte sich dann in diesen Glam/Punk/Pop-Ikone. Ich will mich nicht mit Bowie vergleichen, aber ich denke, man muss sich einfach immer weiter entwickeln, denn ansonsten bleibt man ewig auf der Stelle stehen.