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Reeperbahn Festival 2018 - 2. Teil

Hamburg, Reeperbahn
20.09.2018

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Eut
Der zweite Festivaltag begann inoffiziell mit einigen Showcase-Sessions unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Aisha Badru aus New York die ihre Festival-Auftritte eigentlich erst am Tag danach hatte, spielte dabei einige Akustik-Sessions und verbreitete dabei auch die eigenartige Faszination, die sie mit ihrer markanten Stimme und den freistiligen Arrangements auch auf ihrer Debüt-LP "Pendulum" demonstriert hatte. Als grundsätzlich schüchterner Person fiel es ihr dabei nicht ganz leicht, sich gegen die Geräusche der am offenen Fenster vorbeifahrenden Straßenbahnen durchzusetzen. "Dagegen komme ich einfach nicht an", lächelte sie diese mit einer Pause im Vortrag weg.
Die Hollow Coves sind ein aus Ryan Henderson und Matt Carins bestehendes Akustik-Duo aus Australien. Die beiden jungen Herren verzichten in ihren Songs auf die naheliegenden Surf-Referenzen vieler ihrer Landsleute und konzentrieren sich stattdessen ganz auf die klassischen Harmoniegesänge der großen diesbezüglichen Vorgänger - wobei sich die Jungs allerdings paritätisch mit dem Leadgesang abwechseln.

So richtig los ging es dann mit der Dutch Impact Party im Molotow. Traditionellerweise hatten sich auch dieses Jahr wieder diverse niederländische Acts in den verschiedenen Venues des Clubs am Anfang der Reeperbahn versammelt. Gleich der erste Act - der schrullige Joep Beving - war dann ein gutes Beispiel für die enorme stilistische Bandbreite, die inzwischen auf dem Reeperbahn Festival geboten wird. Denn Joep stimmte das durchaus interessierte Publikum im Club eher antithetisch mit meditativen Klavier-Etüden (die er eigentlich therapeutisch für sich geschrieben hatte, um diverse Ereignisse in seinem Leben zu verarbeiten) auf das Folgende Programm ein.

Es folgte ein weiterer mitreißender Auftritt der Amsterdamer Combo Eut in der SkyBar. Hier spielten Megan de Klerk und ihre Musikanten sichtlich befreit und unbeschwert auf, nachdem sie sich am Tag zuvor auf dem N-Joy-Bus energietechnisch noch am Riemen hatten reißen hatten müssen. Mit Schmackes, Druck, genügend Dezibel und Ausdruckstanz funktionierte der unberechenbare Power-Pop-Mix den die Band gemeinsam im Studio erarbeitet hatte auch sehr viel besser als im halbakustischen Setting des Vortages.

Pip Blom ist eine jener jungen Damen, die noch genügend Begeisterung und Energie im System haben, dass sie diese in unbekümmerter Manier auf der Bühne verschwenden können. Zusammen mit ihrer hyperaktiven Pop-Punk Band haute sie dem Publikum die Power-Riffs und Agit-Slogans ihrer knapp auf den Punkt gebrachten Highspeed-Hits nur so um die Ohren. Besonders Drummerin Gini Cameron war dabei kaum zu halten. Das Tier aus der Sesamstraße ist gar nix dagegen. Das machte wirklich Spaß und riss sicherlich auch die letzten Spätstarter noch aus dem Halbschlaf.

Währenddessen spielte Jerry Williams noch ein zweites Set mit ihrer Band auf der Fritz Bühne im Festival Village. Die Sache ist dabei die: Jerry Williams gehört nicht gerade zu den größten Vertreterinnen ihrer Zunft und war hinter dem hüfthohen Geländer der über einem Ausschank-Kiosk angebrachten Fritz-Bühne kaum zu sehen (zumal die Zuschauer auch hier - wie bei der Astra Bühne auch - einen gehörigen Abstand halten müssen, wenn sie die Künstler überhaupt sehen möchten). So richtig Stimmung - wie am Tag zuvor in der SkyBar - wollte da nicht so recht aufkommen, wobei Jerry ihre Sache tapfer durchzog.

Im Kukuun-Club hatten auch dieses Mal wieder die Kanadier an zwei Tagen ihre Zelte aufgeschlagen. Auf dem Programm standen nun zwei Künstlerinnen, die sich im weitesten Sinne dem Elektro-Pop verschrieben haben. Rayannah aus der Provinz Winnipeg hat dabei den Vorteil, dass Französisch ihre Muttersprache ist und sie somit ihre Songs auf bilingual vortragen kann. Das ist dabei durchaus von Belang, denn das, was den Vortrag der jungen Dame - neben der faszinierenden Bühnenpräsenz, der ausgefeilten Dramaturgie und dem kreativen Einsatz von Samplern und Loops - auszeichnet, sind vor allen Dingen die einfühlsamen, poetischen Texte; ein Umstand der im Zusammenhang mit elektronischer Musik ja gemeinhin eher ungewöhnlich ist.

Tess Roby lebt zwar in Montreal, kommt aber aus Toronto und verzichtet deswegen auf frankophile Anwandlungen. Sie verfolgt auch einen anderen Ansatz als Rayannah und arbeitet mit eher flächigen, atmosphärischen Sounds. Ihre Songs besitzen auch eine dezidiert düstere Note, aber ihre rätselhaften Texte, in denen sie offensichtlich persönliche Erlebnisse in eher verquasten Metaphern und Bildern seziert, rechtfertigten indes das eher Moll-lastige Treatment ihrer Songs auch. Tess absolvierte mit diesem Gig auch ihr Europa-Debüt und war einzig aus diesem Anlass gerade aus Kanada angereist.

Ihren bereits zweite Show an diesem Tag absolvierte das niederländische Folkpop-Quartett Rosemary & Garlic. Anne van den Hoogen und ihre Mitstreiter konnten sich dabei glücklich schätzen, einen der begehrten Slots in der St. Pauli Kirche zugewiesen bekommen zu haben - denn ein passender Rahmen für die zerbrechlichen, einfühlsamen Songs des Ensembles hätte sich sicherlich kaum finden lassen. In der Tat schien das mit leichtem Raumhall erfüllte Kirchenschiff wie gemacht für Annes federleichte Stimme und die akustischen Arrangements der Band.

Einen hinreißenden Auftritt lieferte dann Anna Burch und ihre Band im Uebel & Gefährlich ab - man kann eigentlich gar nichts dafür, aber man ist irgendwie sofort verliebt in Anna und ihre Musik. Da ist zunächst der großartige Indie-Pop, dazu dann die teils sehr amüsanten Songtexte und natürlich Annas Gesang und ihre dauerhaft gute Laune. Das steckt einfach an und macht großen Spaß.

In Angie's Nightclub machte sich inzwischen die Französin Halo Maud bereit, das Publikum mit der leicht hysterischen Energie ihrer zuweilen psychedelisch aufgebohrten New Wave-Songs zu irritieren. Hatte man sich als Zuhörer indes an die schrille Energie des Vortrages gewöhnt, dann funktionierte die Sache erstaunlich gut. Nicht nur, aber auch, weil Halo Maud gerne auch auf Französisch singt - vor allen Dingen aber, weil das ungewöhnliche Konzept, das öfter darin bestand, ganze Songs inklusive Soli auf einer einzigen Note auszureiten, überraschenderweise auf unterhaltsame Weise aufging.

Es folgten dann zwei Beispiele, wie man - nicht aus kommerzieller, sondern aus künstlerischer Sicht - moderne Popmusik besser nicht machen sollte. Die Norwegerin Sigrid hat mit ihrem zwar für skandinavische Verhältnisse durchaus gut gelaunten, aber musikalisch aber eher unverbindlichen, generischen Spielzeug-Pop über ihren Hit "Don't Kill My Vibe" einen Riesen Erfolg eingefahren und wurde deswegen im Docks vorwiegend von jungen Damen frenetisch gefeiert. Das ist ja noch nicht verwerflich. Wer sich allerdings daran stört, dass auf modernen Pop-Produktionen die Stimmen für gewöhnlich aus mehreren Takes zusammengeschnitten sind, mit Kompressoren und Effekten belegt sind bis jede Identität verloren gegangen ist und anschließend perfekt autogetunt werden, der horchte hier irritiert auf. Denn obwohl Sigrid erkennbar live sang und auch nichts von der Konserve eingespielt wurde, sang sie exakt so, wie man es im Studio ansonsten mit viel technischem Aufwand hinbiegt: Künstlich und steril. Das ist natürlich einerseits auf einem technischen Level bemerkenswert - aber auch irgendwie erschreckend.

Einen anderen Weg ging die blutjunge Belgierin Moli. Die junge Frau hat britische Wurzeln (was man ihrer Aussprache anhört) lebt und arbeitet mittlerweile in Berlin. Unterstützt von einer eher blassen, aber technisch versierten Band präsentierte Moli im Bahnhof Pauli im Anschluss generischen Soulpop, der ganz auf den stilisierten, aber inhaltsleeren und identitätslosen Gesang der Protagonistin zugeschnitten war. Da man in diesem Genre offensichtlich keinen Sinn darin sieht, die diversen Genre-Manierismen in erkennbare Songs zu packen, geriet dieser Vortrag zu einem Showcase technischer Fertigkeiten ohne erkennbares Seelenleben.

Wie die schwedische Delegation auf die Idee gekommen war, ihre Showcases in der Pocca Bar durchzuführen, war dann doch etwas rätselhaft. Denn außer den Musikern und den Offiziellen fanden kaum noch Zuschauer in der winzigen Kneipe Platz. Sei es drum: Linn Koch-Emmery empfahl sich mit einem mitreißenden, druckvollen, rockigen Gig als absolut heißer Tip in Sachen Indie-Rock. Mit einigen soliden, mitreißenden potentiellen Hits im Gepäck präsentierte sich die Stockholmer Nachteule (wie es in der Info hieß) - auch als energische Gitarristin - mit einem begeisternden Power-Schrammel-Pop Set. Also soweit man das sehen konnte, was aufgrund der funzeligen Nicht-Beleuchtung etwas schwierig war.

Recht düster war es auch im Plattenladen Hanseplatte - dort konnte man dann Mint Mind genießen. Wie heißt es so schön auf der Band-Facebook-Seite: "It’s fuzzy, sometimes trippy and always with a foot in the annals of indie." Das passt. Hinter Mint Mind steckt vor allem Rick McPhail, den man natürlich sonst von Tocotronic kennt. Hier lebt er mit seinen Mitstreitern an Gitarre und Drums seine Liebe zum fuzzigen Sound aus und dank des üppigen Sound-Effekt-Boards beider Gitarristen konnte man hier von einem Fuzz-Flash reden. Dazu noch schöne Melodien und fertig war eins dieser unerwarteten Höhepunkte bzw. Überraschungen, die man immer mal wieder während des Reeperbahn Festivals für sich entdecken kann.

In der fünften Etage des Uebel & Gefährlich fanden sich gegen Mitternacht viele Leute ein, um dem wundervollen IndiePop von Princess Chelsea aus Neuseeland zu lauschen. Nach einem etwas verzögerten Einlass in das Terrace Hill ging es fast auch schon sofort los - Chelsea Nikkel nimmt das Publikum direkt ein, verzaubert mit diversen Glockenspiel-Einsätzen und lässt sich auch von technischen Problemen (der Gitarren-Verstärker hat sich leider recht früh und unerwartet verabschiedet) nicht verunsichern. Anwesend im Publikum in der ersten Reihe waren übrigens auch Goat Girl und feierten mit.

Einen mehr als würdigen Tagesabschluss präsentierte anschließend Mikaela Davis mit ihrer Band in Angie's Nightclub. Die klassisch ausgebildete Harfenistin, die sich aber mit gutem Grund dazu entschlossen hat, von der Klassik zum Rock-Songwriting zu wechseln, hat sich bisher hierzulande noch nicht hinreichend präsentieren können. Dafür bot der Auftritt bei Angie's nun eine gute Gelegenheit. Zuweilen am E-Piano stehend, meistens aber die Harfe beackernd, präsentierte Mikaela mit ihrer leicht übermotivierten Band ein begeisterndes Set mit einer Art Glam-Rock-Americana-Mix mit zuweilen poppiger und zuweilen psychedelischer Note und sogar einem homöopathischen Hauch von Anarchie. Dabei empfahl sich Mikaela als ziemlich coole, aber auch leicht verrückte Socke - was für diese Art von Musik sicherlich keine schlechte Basis ist.

Weiter zum 3. Teil...

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Surfempfehlung:
www.reeperbahnfestival.com/de/
www.facebook.com/reeperbahnfestival
Text: -Ullrich Maurer / David Bluhm-
Foto: -Ullrich Maurer / David Bluhm-


 
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