Früher gab es auf dem OBS fast ausschließlich Acts wie
Gunner & Smith zu bestaunen - denn prinzipiell startete die Sache weiland als klassische Americana-Veranstaltung. Allerdings kommen heutzutage die typischen Vertreter der Roots-Rock und Singer/Songwriter-Zunft eher aus Kanada als aus den USA. So auch Gunner & Smith, die aus Saskatoon in der Provinz Saskatchewan stammen (so wie zufällig auch die später auftretenden Sheepdogs). Geoffrey Smith, der Kopf des Ensembles, in dem auch sein Bruder als gitarrenbauender Gitarrist tätig ist, ist dabei ein klassischer Vertreter seiner Zunft. Inklusive Flanellhemd, Rauschebart und Baseball-Käppi erfüllt er alle Voraussetzungen, die einen waldschratigen, bodenständigen Liedermacher nun mal auszeichnen. Seine Art des Alt-Country-Rock besitzt eine angenehm düstere Note und glänzt mit ausgezeichnet konstruierten Songs, die hinreichend komplex und attraktiv zusammengesetzt sind, um nicht in typischen Genre-Klischees zu versacken. Übrigens ist "Gunner" nicht eine Bezeichnung seines Hobbys, sondern ein Spitzname für seine Gitarre. Den Projektnamen wählte Smith um der Banalität seines Nachnamens entrinnen zu können.
"Franz Zappa fand ich immer schon Scheiße", kündigte Rembert schließlich den nachfolgenden Act Coogans Bluff an. Zwar agiert die Band aus Rostock nicht ganz so eklektisch, hektisch und verstiegen wie der Meister der psychedelischen Provokation - aber die Referenz war dennoch nicht ganz unangebracht, denn die Jungs sind mit ihrem mordsmäßig laut dargebotenen Mix aus Kraut-, Hard-, Prog-Rock und Psychedelia inklusive Bläsersätzen und fußnägelrollfähigen Science-Fiction-Lyrics - auch optisch - hoffnungslos aus der Zeit gefallen bzw. in den seligen 70er stecken geblieben. Und das, obwohl die Herren allesamt noch ziemlich jugendlich daher kommen. Mal ehrlich: Eigentlich ist das Publikum des OBS heutzutage nicht mehr alt genug für solche Art der musikalischen Nostalgie.
Nora Steiner & Madlaina Pollina absolvierten auf dem letztjährigen OBS ja ihren ersten Festivalauftritt überhaupt. Seither ist viel passiert für die Freundinnen aus der Schweiz und ihre Band. Unter anderem ist ihre Debüt-LP auf dem Glitterhouse Label erschienen und sie haben sich mit ihren mitreißenden Live-Shows auch eine solide Reputation erarbeitet. Zum Abschluss ihrer ersten Festival-Tour gastierten Steiner & Madlaina also nun wieder auf dem OBS. "Der nächste Songs ist neu und deswegen sind wir jetzt nervös, weil ja unsere ganzen Chefs hier sind und die uns vielleicht rausschmeißen, wenn der Song nicht gut ist", kündigte Nora den neuen Tracks "Ciao Bella" an, "deswegen wäre es vielleicht ganz gut, wenn ihr diesen Song gut finden könntet, auch wenn ihr ihn nicht gut findet." Nun ja: Über ihre Zukunft brauchen sich Steiner & Madlaina eigentlich keine Sorgen zu machen, denn - neben den Nerven - haben sie die jüngsten Fans, wie sich beim spontan angesetzten Meet & Greet zeigte, wo Nora und Madlaina unter anderem die Unterhemdchen von Kiddies vollmalen mussten.
Mit Tom Allan & The Strangest, die am dritten Festivaltag gleich zwei vielbejubelte Konzerte auf der kleinen Bühne absolvierten, dürfte eine der Bands, die im nächsten Jahr auf der Hauptbühne stehen werden, so gut wie feststehen. Dabei macht die Band um den deutsch/britischen Songwriter Tom Allan und den mexikanischen Gitarristen Evan Beltran eigentlich gar nichts besonderes - außer mitreißende, coole Rockmusik britischer Prägung zu spielen. Das machen sie allerdings mit einer solchen Begeisterung und ansteckend guten Laune, als haben sie diese Art der Musik selber erfunden. Das ist genau die richtige Einstellung, sowas anzugehen - und wie sich das angesichts des Zuspruches der mit Begeisterung mitmachenden Fans zeigte - kommt das auch gut an.
Wie bereits gesagt kommen auch die Sheepdogs aus der kanadischen Provinz Saskatchewan. Auch um deutlich zu machen, woher sie kommen, haben die Jungs die Fahne ihrer Provinz um ihr Keyboard gewickelt. Das ist insofern sinnvoll, als dass die Herren - inklusive der klassischen 70s Outfits und der entsprechenden Frisuren - mit ihrem locker hingegroovten, souligen Southern Rock leicht für eine US-Band gehalten werden könnten. In Kanada haben die Herren den renommierten Juno Award bereits drei Mal eingesackt und in den USA haben sie es - ohne Plattenvertrag - auf das Cover des Rolling Stone geschafft. Für diejenigen, die die vermeintlich guten alten Zeiten des OBS vermissen, war das dann Balsam auf die Seele des Traditionalisten.
Von einem ganz anderen Kaliber sind Cash Savage & The Last Drinks. Die australische Band um die monumentale Cash Savage überraschte vor allen Dingen mit ihrer inbrünstigen Kraft und Ernsthaftigkeit. Acts, die ihre Energieausbrüche in hektischem Hedonismus ausleben, gab es ja so einige auf diesem OBS. Bei Cash Savage kommt diese Energie indes dramatisch inszeniert und kontrolliert zum Ausdruck (etwa in der Art wie die Gesangs-Sätze oder Gitarren-Akkorde von Cash und Gitarristin Jess Zubkevych miteinander verzahnt werden oder wie Kat Mear mit ihrem Geigenspiel die Songs akzentuiert). Außerdem machte Cash Savage mehr als deutlich, dass mit ihr nicht zu spaßen ist bzw. dass sie keinen Widerspruch duldet und trug ihre Songs - die durchaus auch relevante Themen beinhalten - mit Nachdruck, epischer Wucht, einem gewissen nachdrücklichen Sendungsbewusstein und eben großer Ernsthaftigkeit vor. "I Am Human - Not Your Human" heißt es in dem Song "Human, I Am" - und das brachte die Sache dann irgendwie auch auf den Punkt.
Die diesjährige Versteigerung des handgemalten, von allen Musikern unterschriebenen OBS-Plakates zugunsten von Viva Con Agua brauchte 4.100,- Euro ein. Nur mal ein Hinweis: Aufgrund dessen, dass dieses Jahr hauptsächlich Bands auf dem OBS auftraten, fanden sich kaum noch Signaturen von Einzelpersonen auf dem Plakat. Das sollte man mal überdenken.
Auch am dritten Tag zog schließlich wieder der Liedermacher-Guerrilla Grillmaster Flash über das Festival-Gelände, um die Fans mit seiner rührigen Musik-Comedy zu beglücken. Der junge Mann aus Bremen machte hier allerdings deutlich, dass es ihm dabei eher um die Comedy als die Musik geht.
Über die Nerven noch etwas Wesentliches sagen zu wollen, ist hinfällig, denn die Jungs haben sich als eine der relevantesten Acts erwiesen, die jemals das Glitterhouse Label zierten. Natürlich schüttelten die Traditionalisten im Publikum eher verständnislos die Köpfe, als das mit dem energischen Rock-Overdrive wieder losging - aber an die richten sich die Nerven ja auch nicht. Denn plötzlich war die Fläche vor der Bühne mit jugendlichen Fans gefüllt, die sich bislang eher zurückgehalten hatten und die dann das ganze Gelände in einen tobenden Moshpit verwandelten. Wie jung die Fans der Nerven sind, zeigte sich etwa an folgendem Dialog beim anschließenden Meet & Greet. Da fragte etwa Drummer Kevin Kuhn zwei Jungs, die sich zum signieren angestellt hatten, wie alt diese denn seien. "Ich bin 13 und er ist 10" - was einen älterer Fan dann veranllasste zu fragen, wie diese überhaupt auf das Gelände gelangt seien - woraufhin Kevin dann meinte: "Moment mal - mit zehn durfte ich aber auch schon zu Konzerten gehen". Kleine Randnotiz: Während die Nerven bei ihrem ersten Besuch beim Meet & Greet vor einigen Jahren den Road Tracks-Stand noch weitestgehend verwüstet hatten, erwiesen sie sich in diesem Jahr als die freundlichsten Musiker, die sich geradezu rührend um die Belange der Fans bemühten.
Die Headliner des dritten Tages gehörte dann auch wieder zu den OBS-Veteranen. Garda aus Dresden hatten das OBS 2010 schon ein Mal beehrt. Seither ist eigentlich gar nicht so viel passiert: Ab und an veröffentlicht die Combo eine Scheibe (wie z.B. zuletzt "Odds") - und macht sich ansonsten eher rar. Auf dem OBS trat die Band nun mit dem Streicherensemble Tanderas auf. Es folgt ganz der Tradition des OBS, dass solche Acts als Headliner auf der Bühne stehen, denn es geht ja hier nicht um Showeffekte oder große Namen, sondern um die Musik. Der Auftritt von Garda und Tanderas ließ sich daher auch nur entsprechend des persönlichen Geschmacks einordnen. Die einen waren vielleicht beeindruckt von der emotionalen Kraft der melancholischen Balladen, die da - trotz des epischen Ansatzen - auf sympathische Art mit fast schüchterner Demut präsentiert wurden, während andere bemängelten, dass die Musik von Garda nicht eben originell ist, sondern sich stattdessen recht derivativ an anderen Acts mit ähnlicher Ausrichtung orientieren mag, die bereits an gleicher Stelle aufgetreten waren. So aber ist das mit dem OBS halt nun mal: Wir sind hier nicht bei den Musketieren, wo es alles für einen gibt, sondern stattdessen gilt das Motto "Etwas für Jeden".