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Konzert-Bericht
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Glaubt den Frauen!
Tomberlin
Renata Zeiguer
New York, Bryant Park 24.08.2019
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Kurz gesagt ist Sara Beth Tomberlin eine dieser altersweisen, melancholisch veranlagten, autotherapeutisch ausgerichteten Indie-Künstlerinnen, wie sie dringend erfunden werden müssten, wenn es sie nicht schon gäbe. Der Unterschied zwischen der selbstzerstörerischen inhaltlichen Gestaltung ihrer Songs und der im Gegensatz dazu fast schon verstörend gut gelaunten und zum Teil amüsanten Darbietung ihres Material auf der Bühne könnte kaum größer sein. Das war bei ihrer Tour in unseren Breiten im Juni schon so - und das war natürlich auch bei ihrem Auftritt bei der diesjährigen Auflage des Emerging Music Festivals im New Yorker Bryant Park mitten im Herzen Manhattans nicht anders.
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Das Festival ist eine der kostenlosen Sommer-Veranstaltung im Big Apple, die die New Yorker dankend zum Anlass nehmen, sich ein wenig vom Alltagsstress zu entspannen. Das bedeutet nicht, dass sie sich dabei besonders für die dargebotene Musik interessieren, sondern dass sie Gelegenheiten wie diese dazu nutzen, zusammenzukommen und gemeinsam zu picknicken - hauptsächlich aber ihre Smartphones zu studieren oder aber sogar die eigentlich an diesem Tag geplante Eurythmie-Session mit Ausdruckstanz während des Vortrages der Musiker ungerührt mit dem Rücken zur Bühne zu absolvieren. Besonders grotesk erschien das beim ersten Act des Tages, der klassisch ausgebildeten New Yorker Indie-Songwriterin Renata Zeiguer und ihrer Band. Renata bietet nämlich keine angenehm temperierte Unterhaltungsmusik - wie insbesondere einige der an dieser Stelle auftretenden Big-Band-Ensembles - sondern komplex verstiegene Indie-Pop-Songs, die sie mit vibrierender Sopran Stimme vorträgt und die - aufgrund der betont nickeligen Struktur des Materials und des musikalischen Wagemutes - oft hart am Rande der Atonalität entlang lavieren. Auch wenn das auf eine durchaus sympathische und charmante Art und keineswegs unhörbare Art geschieht: Renata verlangt ihrem Publikum schon einiges ab - was nun gar nicht zu dem demonstrativ vorgetragenen Desinteresses großer Teile eben dieses Publikums passen wollte. Immerhin: Diejenigen, die sich für Musik interessieren, kamen durchaus auf ihre Kosten - auch wenn dafür Unannehmlichkeiten wie lautstarke persönliche Unterhaltungen, Kindergeschrei und wuselig fluktuierende Publikumsströme in Kauf genommen werden mussten.
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Das war beim Auftritt Sara Beths natürlich grundsätzlich nicht anders - allerdings hatte es Tomberlin (wie sich Sara Beth mit ihrem Nachnamen nennt) irgendwie einfacher, die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Nicht, indem sie lauter oder eingängiger zu Werke ging als Renata, sondern indem sie - alleine mit ihrer Gitarre - schlicht und ergreifend einen hypnotische Wirkung auf das Publikum ausübte. Bei ihrem Auftritt, den sie klugerweise mit einem ihrer eingängigeren (und zumindest in musikalischer Hinsicht poppigeren) Songs "Any Other Way" begann, wurden die schon erwähnten Handys dann auch öfter zum Filmen und Fotografieren als zum Texten verwendet. Jedenfalls hatte Tomberlin keine Mühe, die eigentlich überdimensionierte Bühne alleine durch ihre Personality und die Intensität ihres Auftrittes einzunehmen. Die Angewohnheit, ihre inhaltlich oft desolaten und ernüchternden Songs mit lockeren und zuweilen amüsanten Ansagen zu konterkarieren, setzte sie auch hier fort. "Der nächste Song ist so traurig, dass er keinen Titel hat", kündigte die "Untitled" an, "und davon gibt es auch gleich zwei auf meiner Scheibe, wofür ich mich entschuldigen möchte." Es folgten dann die Songs ihrer Debütscheibe "At Weddings", die sie im letzten Jahre in NYC bei einem ihrer ersten ordentlichen Live-Konzerte vorgestellt hatte - ergänzt um einen weiteren namenlosem, neuen Song, der vielleicht gar nicht veröffentlicht werden wird, den sie aber trotzdem mal spielen wolle. Musikalisch lassen sich bei Sara Beths Solo-Auftritten die Indie-Rock-Roots der LP-Produktion kaum mehr erkennen - außer vielleicht in dem Sinne, dass Tomberlins Songs auch im Akustik-Setting eigentlich keine klassischen Folksongs sind. Als Perfomerin verfolgt sie mittlerweile auch die Phoebe Bridges-Schule des hypnotisch-linearen Gesangsvortrages zu subtiler Instrumentalbegleitung. Gegen Ende ihrer Show hielt Sara Beth dann noch ein Plädoyer für den Kauf von Tonträgern - auf Vinyl oder anderen Plastiksorten, wie sie erklärte, wobei sie eingestehen musste, leider keine dabei zu haben, da sie gerade umgezogen sei und Mühe gehabt habe, überhaupt selbst rechtzeitig zu erscheinen. "Also, kauft bitte meine Scheibe - denn das kann man durchaus tun, wie ihr feststellen werdet. Oder bezahlt mir wenigstens meine Spotify-Anteile", schloss sie dieses Thema ab, "aber auch wenn ihr mich nicht bezahlt, spiele ich jetzt noch einen Song." Und das war dann der ergreifenden Anti-Stalker-Song "I'm Not Scared", der auf der LP als - logischerweise todtraurige - Piano-Ballade daherkommt und dessen Botschaft Sara Beth dann noch mal zum Mitschreiben ausformulierte: "Leute, glaubt den Frauen, was sie sagen - und zieht diejenigen zur Rechenschaft, die auch verantwortlich sind."
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Surfempfehlung:
www.facebook.com/tomberlinsb
www.tomberlinmusic.com renatazeiguer.bandcamp.com www.facebook.com/RenataZeiguerMusic www.youtube.com/watch?v=hCSmXfXc728 www.youtube.com/watch?v=vquVuj0DWZk
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Text: -Ullrich Maurer- Foto: -Ullrich Maurer-
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