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#Unteilbar

At The B-Sites

Köln, Jugendpark
31.08.2019

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Fil Bo Riva
Preisfrage: Was macht das At The B-Sites-Festival eigentlich so einzigartig? Ist es der Umstand, dass es hierbei um ein Silent-Festival mit Kopfhörern handelt? ...dass die neuen, in den Farben des jeweils gewählten Übertragungskanals glühenden Kopfhörer dazu führen, dass man sich als Zuschauer wie ein einem Science Fiction-Film fühlt? ...dass die Verpflegung auf rein vegetarischer Basis passiert? ...dass es neben dem internationalen Line-Up noch ein Rahmenprogramm bestehend aus Silent-Choir mit Publikumsbeteiligung, Bier Yoga und Festivalradio via Markus "Saender" Sandermann gibt? ...dass man den Eintrittspreis - je nach Möglichkeit - vergleichsweise frei gestalten kann? ...dass es systembedingt keine Störungen durch laute Unterhaltungen von an der Musik nicht interessierten Besuchern geben kann? ...dass mit dem Festivalmotto #Unteilbar erneut ein politisches Signal in die Welt hinausgetragen wurde? Antwort: Ja! Das wahrscheinlich einzige Kopfhörerfestival bot auch in der dritten Auflage wieder allerlei Features, die selbst ausgebufften Szene-Cracks noch ein anerkennendes Raunen entlockten.
Freilich - auch dieses Mal klappte nicht alles: Suzan Köcher, die mit ihrer Band Supraphon eigentlich das Festival hätte eröffnen sollen, hatte kurzfristig krankheitsbedingt absagen müssen, so dass das Musikprogramm dann eine Stunde später als erwartet begann - was dazu führte, dass die Sache ungeplant mit dem eigentlich für später geplanten Silient-Choir starten musste. Hierzu hatte sich in einem Sponsorenzelt eine professionelle Unterhaltungsband versammelt, die auf "stillen" Instrumenten spielten (also solchen, die komplett ohne elektrische Verstärker auskamen) und inklusive Vorsängerin dann das Publikum dazu animierte, die gespielten Hits mitzusingen. Nun: Die Sache lief dann zunächst mal sehr schleppend an - entwickelte sich aber im Laufe des Tages zu einem echten Hit, was dann dazu führte, dass spätestens mit Einbruch der Dunkelheit auf dem ganzen Gelände munter und zunehmend ungehemmt vor sich hin singende Konzertgänger beobachtet werden konnten.

Das offizielle Musikprogramm auf der Hauptbühne begann dann mit einem Auftritt der britischen Indie-Songwriterin Eliza Shaddad, die im letzten Jahr mit ihrer Debüt-CD "Future" sozusagen die erste Indie-Softrock-Scheibe der neueren Zeitrechnung abgeliefert hatte. Das war dann also eine gute Gelegenheit, Elizas bemerkenswerten Ansatz aus durchaus rockigen Songgerüsten, die aber dennoch einen klassischen Singer-Sonwriter-Touch ihr eigen nennen, auch mal im Live-Ambiente anzutesten. "Das ist so heiß hier oben, dass nicht nur ich, sondern auch die Gitarre schwitzt", witzelte Eliza, "ich bin froh, wenn ich das hier überlebe." In der Tat hatte der Wettergott dieses Mal ein Einsehen gehabt und das Festival mit einem dann fast schon zu makellosen Spätsommertag beglückt. Musikalisch schlug sich das natürlich nicht wieder - allerdings waren die anwesenden Fans nur schwer aus den schattigen Regionen des Festivalgeländes vor die Bühne zu locken. Dennoch lieferte Eliza ein bemerkenswert druckvolles, energisches Set ab, dem sie auch einige neue Titel beipflegte und das aufgrund des sonnigen Settings (und des sonnigen Gemütes Elizas selbst) weniger düster rüberkam, als das, was sie auf Konserve ansonsten präsentiert. "Das war auch ganz anders als das, was ich ansonsten mache", fasste sie das Konzert dann aufgrund des in mehrerlei Hinsicht ungewohnten Settings nach der Show zusammen.

Jay McAllister a.k.a. Beans On Toast kann so schnell nichts umhauen. Wenn der Berg nicht zum Propheten kommt - bzw. das Publikum nicht zur Bühne -, dann muss eben der Prophet zum Publikum kommen. Nachdem der Meister nämlich zunächst etwas verloren ganz alleine auf der großen Mainstage gestanden hatte, kletterte er spätestens dann, als sein Keyboarder für die notwendige musikalische Untermalung sorgen konnte, von der Bühne und schaffte es so tatsächlich, die Fans ins Sonnenlicht zu locken - indem er diesen sozusagen von Angesicht zu Angesicht seinen Gospel of Everything predigte. Wie Festival-Conferencier Sören "Kinski" Ruppenthal zuvor ganz richtig gesagt hatte, gehört Beans On Toast zu einem der gewieftesten Storyteller (und somit Songwriter) unserer Tage. Das bestätigte Jay insofern, als dass er zwischen seinen Stücken einfließen ließ, dass man schließlich über alles Songs schreiben könne. Eindrucksvoll demonstrierte er das, indem er ohne Punkt und Komma Thematisch vom Hölzchen aufs Stöckchen wechselte und so ziemlich alle aktuellen Themen unserer Tage auf sympathisch persönliche Manier (gerne singt Jay nämlich über seine Erfahrungen als reisender Musiker - etwa in Deutschland) in seine umfangreiche Songsammlung integrierte. Tatsächlich war die Grenze zwischen munterem Erzählen und strukturiertem Songformat da auch eher fließend. Schade eigentlich nur, dass sich Jay mit sich selbst geeinigt hat, seine Ergüsse musikalisch auf das absolut Notwendigste zu beschränken. Das meint: Beans On Toast Songs enthalten wesentlich mehr Worte als musikalische Bestandteile und kommen allesamt hemdsärmelig und schnürsenkelig daher.

Auf ihre Art spielen auch Alexander Köck und Stephanie Wiedmer alias Cari Cari mit Erwartungshaltungen. Das österreichische Duo sieht rein äußerlich nach wie vor aus wie ein unverfängliches Liedermacher-Pärchen - liefert dann jedoch (für diesen Auftritt um einen Live-Drummer ergänzt) die ultimative Vollbedienung in Sachen Indie-Trash-Tribal-Pop-Blues-Exploitation-Rock. Da muss man als Zuhörer dann erst mal sein Hirn drumwinden. Dann jedoch kann man sich wunderbar in eine cineastisch angereicherte musikalische Parallelwelt entführen lassen, die Alexander und insbesondere Stephanie auf obercoole Weise - und teilweise mystischer Choreographie - illustrieren. Dabei kokettieren Cari Cari gerne mit dem selbstgewählten Image als Soundtrack-Aspiranten für Quentin Tarantino-Filme, denn auch ihre Musik ist reich an Zitaten, Andeutungen und Querverweisen. Und wann hat man das letzte Mal selbstgebaute Didgeridoos und Maultrommeln (die beide von Stephanie zusätzlich zu ihren Beiträgen als Drummerin und E-Bassistin beigesteuert werden) in einem solchen Zusammenhang beobachten dürfen? Alexander brachte die Sache dann noch auf den Punkt, als er "Summer Sun", den heimlichen Signature-Hit des Duos ankündigte. "Das ist ja vermutlich der letzte Sommertag", erklärte er nämlich richtigerweise, "deswegen passt das ja jetzt noch ganz gut."

Es folgte dann der politische Teil des Tages: Im Angesicht der anstehenden Landtagswahlen in Brandenburg und Sachsen sendete das Festival mit dem Hashtag Unteilbar (der vom Publikum in Form eines Banners ins Instagram gehalten wurde) noch mal ein versöhnliches Signal zur Völkerverständigung aus Köln in die Republik. Wie wir nun wissen, mit überschaubarem Erfolg. (Das wird man ja wohl noch mal sagen dürfen!)

So richtig politisch sind Skinny Lister auf ihrem musikalisch ambitionierten neuen Album "The Story Is..." (auf dem vorwiegend Vignetten aus dem persönlichen Umfeld vom Leben on the Road verarbeitet werden) erstaunlicherweise immer noch nicht geworden, auch wenn sie natürlich auch den Brexit nicht mögen. Andererseits nimmt das aber auch kein Wunder, denn Dan Heptinstall, Lorna Thomas und ihre Jungs haben nach wie vor die kollektive Tanzparty auf ihre Fahnen geschrieben - schon gar auf einer Festivalbühne wie dieser. Auch Skinny Lister mussten sich erstmal damit anfreunden, bei ihrem Konzert genau das selbe zu hören, wie die Fans vor der Bühne - was für eine Band, die nicht unwesentlich von der Reaktion des Publikums lebt, sicherlich schwieriger ist als - sagen wir mal - für Shoegazer Acts. Jedoch machte die Band gute Miene zum rätselhaften Spiel und steigerte sich schnell in den gewohnten "Folkpunk-Modus", der - spätestens nun seit der neuen Scheibe und insbesondere durch die Beiträge von Gitarrist Sam Brace vom Folk sehr viel stärker in Richtung Rock driftet. Leider gingen die Disco und Glam-Anklänge, die sich auf "The Story Is..." auch finden im allgemeinen Animationsgehabe der Geschehens ein wenig unter. Bei diesem Auftritt war es dann ganz besonders seltsam, die Kopfhörer abzunehmen und das wuselige Geschehen vor und auf der Bühne zu beobachten. "Wir wussten ja nicht, was uns erwarten würde", meinte Lorna Thomas nach der Show, "aber vielleicht sollten wir sowas in Zukunft sogar mal öfter machen."

Die Geschichte von At The B-Sites und Fil Bo Riva reicht schon einige Zeit zurück. Denn zum einen spielte Filippo Bonamici bereits vor seinem Durchbruch als angesagter Recording-Artist Gigs in der Kölner Wohngemeinschaft (quasi der At The B-Sites-Homebase) und zum anderen hätte er bereits beim ersten At The B-Sites-Festival auftreten sollen - das dann aber leider den Wetter-Unbilden zum Opfer fiel. Nun konnte er dieses mit einem dramatischen Auftritt (mit viel Kunstnebel und stadientauglicher Lightshow), der dem Namen seines Debüt-Albums "The Beautiful Sadness" noch mal besonderen Nachdruck verlieh, vor dem begeisterten Publikum im Jugendpark nachholen. Und dieses ließ es sich dann auch nicht nehmen, die alten und neuen Hits des Meisters lautstark mitzusingen - was ja aufgrund der Kopfhörer-Situation eher unerheblich war, aber offensichtlich zu gesanglichen Höchstleistungen anspornte. Vielleicht war es gar nicht so schlecht, dass Fil Bo Rivas Auftritt nun erst zu diesem Zeitpunkt stattfand, denn inzwischen hat sich der anfänglich schüchterne Performer zusammen mit seiner Band zumindest eine intensive Bühnen-Routine angeeignet - auch wenn er nach wie vor nicht zu den kommunikativsten Bühnenkünstlern gehört.

So - kommen wir zu einem kleinen Nachteil des Festivals: Dieses findet - weitab vom urbanen Zentrum der Domstadt - im sogenannten Jugendpark hinter dem Kölner Messegelände in Deutz statt und ist deshalb für diejenigen, die von außerhalb anreisen, verkehrstechnisch nicht besonders gut angebunden; zumal es fast unmöglich (bzw. sehr teuer) ist, mit dem Auto dorthin zu gelangen. Insofern muss man den Zeitplan der Kölner Verkehrsbehinderungsbetriebe schon genau im Blick halten, wenn man die letzten Busse/Bahnen nicht verpassen will. Insofern muss die Berichterstattung an dieser Stelle auch enden - leider noch bevor die Late-Night-Show von Noga Erez und die Aftershow-DJ-Party starten konnte.

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Text: -Ullrich Maurer-
Foto: -Ullrich Maurer-

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