NACHGEHAKT BEI: SENORA MAY
GL.de: Du lebst ja im ruralen Teil von Kentucky. Die Herkunft ist dir auch in deinen Songs sehr wichtig, oder?
Senora: Ja, ich lebe zwar im östlichen Teil Kentuckys - aber nicht in Ost-Kentucky, wo es viel mehr Probleme mit der Armut, dem Fracking und der Umweltzerstörung durch Kohleabbau gibt. Wo ich lebe, gibt es noch eine schöne, ländliche Natur. Wir haben noch unberührte Quellen, aus denen wir unser Trinkwasser gewinnen können. Was bei uns auch notwendig ist, weil wir noch keinen Anschluss ans Wassernetz haben und auch noch auf Strom aus Solarpaneelen warten müssen.
GL.de: Die politischen Aspekte sprichst du in deinen Songs aber nicht direkt an?
Senora: Indirekt. Ich finde meine Inspiration eher in meiner Stadt und den Leuten um mich herum. Ich habe eine große Familie. Ich bin eines von sechs Kindern. Ich fühle mich meinen Geschwistern eng verbunden und wir haben all unsere freie Zeit draußen verbracht - mit Jagen, Fischen, Gartenarbeit in unseren großen Gärten. Man kann also sagen, dass die Gemeinschaft, meine Familie und alles, in das ich in Kentucky verwickelt bin, das sind, worüber ich schreibe. Ich schreibe viel über die Natur und die Leute, die ich mag und die mir nah sind und wie meine Familie denkt. Man muss sich ja für andere Leute interessieren.
GL.de: Wie gehst du die Sache denn musikalisch an? Es ist ja erfreulich, dass sich da nicht alles in Conutry-Klischees ergeht und dass sich deine Scheibe anhört, als sei alles spontan entstanden.
Senora: Also ich wollte die Erwartung an meine Live-Performances einfach nicht zu hoch ansetzen. Ich mache ja Fehler, bin noch ganz neu im Geschäft und wollte nicht, dass sich das dann zu poliert anhört. Und die Soundeffekte und Field Recordings, die du auf der Scheibe zu hören bekommst, sind Dinge, an die ich dachte, als ich die Songs schrieb. Ich wollte die Zuhörer auf diese Weise klanglich mit zu den Orten nehmen, an denen ich mich befand - es sollte das Gesamterlebnis werden; also nicht nur Text und Musik. Wir haben das Ganze dann live im Studio aufgenommen. Ich habe dann noch einen Flöten-Track für den "Country"-Song hinzugefügt - weil ich Flöten Spielen gelernt habe - aber eine Menge entstand tatsächlich ziemlich spontan.
GL.de: Was würdest du denn als deine musikalischen Wurzeln bezeichnen? Country-Musik scheint es ja nicht zu sein.
Senora: Ich denke, meine musikalische Basis bestand immer aus dem, was meine Mutter hatte. Das waren aber Indie-Sachen und weibliche Künstlerinnen wie Edie Brickell, Joan Osborne, Tracy Chapman oder Natalie Merchant. Das war die Basis. Bluegrass und Country habe ich dann im Radio gehört und fand das in Bezug auf das Geschichten erzählen interessant. Aber die Welt in der wir leben ist ja mit Genres überfrachtet. Ich höre HipHop, Country, Rock und Folk - und versuche von allem etwas mitzunehmen.
GL.de: Geht es denn auch darum, eine eigene Identität als Musikerin zu finden?
Senora: Das weniger. Denn indem ich keine musikalische Ausbildung genossen habe, sind die Richtlinien für mich ja sowieso freier. Ich habe also keine Erwartungen daran, wie ein Song klingen müsste, sondern ich mache das, was sich richtig anfühlt - auch wenn das nicht das ist, was ich hörte, als ich aufwuchs.
GL.de: Damit sind wir dann ja auch wieder beim Thema "Musik hat ein Eigenleben".
Senora: Ein bisschen ist das ja auch so. Es geht ja auch darum, seine Gefühle herauszulassen und nicht darum, im Voraus auszuarbeiten, was am Besten funktionieren könnte.
GL.de: Was ist denn für dich die größte Herausforderung als Songwriterin?
Senora: Mit anderen Musikern zusammenzuarbeiten. Denn weil ich eben keine musikalische Ausbildung habe, sondern mir vieles selbst beigebracht habe, fehlt mir oft die Terminologie, mittels derer ich mich mit anderen austauschen könnte. Daran muss ich noch arbeiten.