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Konzert-Bericht
 
Die Rache des Honkytonk

Emma Hill & Bryan Daste

Köln, Die Lichtung
15.02.2020

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Emma Hill & Bryan Daste
Boy, oh boy! Da ist aber eine Menge los in den Songs von Emma Hill aus Alaska. Da brennen die Herzen - und die ganze Welt, da gibt es Sternenstaub zu bewundern, da gibt es Träume aus Magnesium, Liebes-Lieder, die gerne auch in Rachestories umschlagen (oder umgekehrt), politische Plädoyers für Toleranz und Menschenrechte, Geschichten über Sucht-Gefahren und geistige Behinderungen, Alaska-Impressionen und jede Menge Piloten-Geschichten (die damit zusammenhängen, dass Emmas Papa ein Pilot war). Richtig Wunder nehmen tut das nicht, denn Emma Hill ist nicht etwa eine Newcomerin, sondern hat acht LPs veröffentlicht (und gerade eben die EP "How Could I Have been So Wrong"), verfügt über einen gewaltigen Fundus an Geschichten, die sie auf ihren vielen Reisen aufgesammelt hat und kann mit so ziemlich allen Musikstilen, die sich auf organische Weise darstellen lassen, etwas anfangen. Sogar ein eigenes Sub-Genre - den "Rache Honky Tonk" - haben sie und ihr musikalischer Partner Bryan Daste dabei erschaffen. Nur auf Tour war die Dame bei uns bislang nicht - anders übrigens als Bryan Daste, der 2017 zuletzt mit Courtney Marie Andrews in der Domstadt Station gemacht hatte. Ganz unbekannt freilich scheint Emma Hill trotz allem nicht zu sein, denn die Kölner Lichtung war am Ende recht gut gefüllt.
Was bei anderen vielleicht zu Konfusion und Richtungslosigkeit hätte führen können, stellte sich im Falle von Emma Hill als belebender Vorteil heraus, denn obwohl Emma und Bryan sich in Köln im wesentlichen auf die Songs der letzten drei Veröffentlichungen (neben der LP die letzte Scheibe "Magnesium Dreams" und deren Vorgänger-Album "Am I Talking To You") beschränkte, bot das Duo beim Konzert eine bemerkenswerte Bandbreite an Stilen, Stimmungen, Themen und musikalischer Settings. Tatsächlich hätte das Instrumentarium - nämlich akustische Gitarre, Banjo und Pedal-Steel-Gitarre - ja ein reines Country-Konzert vermuten lassen, doch weit gefehlt: Zwar gab es auch einige hübsche Country-Nummern im Programm - allerdings nicht als Prinzip, sondern wohl um zu zeigen, dass Emma das auch drauf hat. Dabei hat sie mit dieser Musik recht früh angefangen: Im Alter von acht Jahren, als sie zum ersten Mal Garth Brooks im Country-Radio gehört habe, nämlich. "Da hast du dir wohl gedacht, dass du sowas auch machen könntest, oder?", scherzte Bryan Daste noch. "Ja", antwortete Emma da und präsentierte a cappella einen Nonsense-Country-Song, den sie sich als Kind aus Klischees zusammengesetzt habe. Und Bryan hatte insofern auch gut lachen, als dass er einräumte, das Sub-Genre "Honky Tonk Revenge" eingeführt zu haben.

Worauf es aber eigentlich ankam, war dann der Umstand, dass Emma und Bryan sich im Prinzip um Genreklassifikationen und Stildefinitionen nun überhaupt nicht kümmerten. Wie auf den bemerkenswert ausgefeilt arrangierten Studioproduktionen arbeitete sich das Duo mit zuweilen recht wagemutigen Soundkonstellationen durch das Programm. Obwohl Emma Hill im Prinzip eine klassische Storytelling-Songwriterin ist, fand das Ganze musikalisch in einem ziemlich freistiligen und immer wieder überraschenden musikalischen Kosmos seinen Widerpart. Einen wesentlichen Anteil daran hatte mit Sicherheit Bryan Daste, der für die Arrangements und die musikalische Ausgestaltung des Materials zuständig ist und seit 13 Jahren ein eingespieltes Teamwork mit Emma Hill bildet. Ein typisches Folk- oder Americana-Konzert kam jedenfalls nicht dabei heraus - auch weil Bryan sein Banjo oder die Steel-Gitarre nicht wie ein Old-School-Landei spielte. Ohne Frage dürfte sich Emma Hill am Ende der zwei Sets unter denjenigen der Anwesenden, die sie zuvor noch nicht gekannt haben, so einige neue Fans erspielt haben.

Emma Hill & Bryan Daste
NACHGEHAKT BEI: EMMA HILL & BRYAN DASTE

GL.de: Ihr seid ja schon etwas länger im Geschäft. Wieso wart ihr denn zuvor noch nicht bei uns auf Tour?

Emma Hill: Wir verdienen unser Geld in den USA meistens mit Hauskonzerten. Denn dort erwarten uns das aufmerksamste Publikum, die besten Konditionen und wir können unser ganzes Merchandise verkaufen.

Bryan Daste: Nachdem unsere Freundin Haley Johnston uns aber erzählt hatte, dass man das auch hierzulande machen könne, hat sie uns empfohlen, das auch ein Mal zu versuchen und einen Kontakt zu ihrer Agentur hergestellt, die uns dann diese Tour gebucht hat.

Emma: Ja, wir waren damals gerade dabei unsere LP "Magnesium Dreams" zu veröffentlichen, die im Mai erschien. Wir konnten aber damals nicht gleich rüberkommen und haben vorgeschlagen die Tour stattdessen im Winter zu machen. Deswegen haben wir dann drei neue Tracks auf einer EP für diese Tour zusammengestellt.

GL.de: Obwohl ihr eigentlich ein klassisches Country-Instrumentarium mit euch herumführt, ist eure Musik stilistisch doch eigentlich recht abwechslungsreich. Wie kommt denn das? Habt ihr nicht als Country- oder Folk-Künstler angefangen?

Emma: Ganz und gar nicht. Ich liebe alle möglichen Arten von Musik und würde es gar nicht mögen, wenn ich in eine stilistische Schublade gesteckt werde. Deswegen bin ich auch froh, dass du darauf hinweist, wie abwechslungsreich meine Musik ist. Zugegeben sind Folk und Americana die Basis meines Songwritings - weil es dabei um Texte und Harmonien geht und unser Hauptinstrument ist zugegebenermaßen eine Pedal-Steel-Gitarre - aber melodisch textlich gibt es sehr viel mehr zu sagen und auszudrücken, als die typischen Americana-Klischees erwarten ließen. Mit geht es nicht um Blues oder Country, sondern um Aufrichtigkeit und Verletzlichkeit. Im Kern geht es bei mir sogar hauptsächlich um Verletzlichkeit. Ich bin immer sehr offen in dieser Richtung - für manche sogar zu offen - aber es ist meine Art, mich mit der Menschlichkeit zu identifizieren. Das ist es auch, was mich bewegt Musik zu machen - meine Zuhörer daran zu erinnern, dass wir alle Menschen - und im Wesentlichen auch alle gleich sind.

GL.de: Es gibt aber auch politische Themen in eurer Musik, oder?

Emma: Ja - gerade die neuen Songs haben diesen Touch. In "Early To Bed" geht es um geistige Behinderungen - weil das ein schwieriges Tabuthema ist und in "World Is On Fire" geht es darum, wie verrückt unsere Zeiten sind und wie sich alles plötzlich wieder um grundlegende Menschenrechte dreht, anstatt in die Zukunft zu schauen. Das ist zwar recht düster, aber ich möchte auch ein wenig Hoffnung vermitteln.

Bryan: Wir erleben gerade, wie sich alles zusammenzieht, anstatt sich auszuweiten.

Emma: Ja, wir leben in furchterregenden Zeiten. Deswegen ist es mir auch wichtig, Kunst zu machen - speziell Musik, weil das so eine universelle Sprache ist. Das ist so notwendig, weil man so auch Botschaften in seinen Songs unterbringen kann und so jemanden zumindest zum Nachdenken anregen kann. Auch wenn er vielleicht seine Meinung nicht ändern wird.

GL.de.: Wie arbeitet ihr denn zusammen? Ihr lebt ja in Alaska, oder?

Emma: Ich lebe in Alaska - in der Nähe von Anchorage. Bryan lebt in Portland, Oregon, wo wir gemeinsam zur Uni gegangen sind. Er ist aber ein "Ehren-Alaskaner" und kommt mehrmals im Jahr zu uns. Wie wir zusammen arbeiten? Ich schreibe die Songs und dann haben wir das Problem, dass wir 2.000 Meilen auseinander leben. Es gibt also eine Menge Hin und Her und den Austausch von Ideen. Bryan ist aber für die Arrangements zuständig. Ich bringe also die Melodien und Texte und er setzt das Ganze dann klanglich so in Bewegung, wie ich es gar nicht könnte. Er hört nämlich Sachen, die ich gar nicht hören kann. Für mich sind starke Melodien und therapeutische Texte, die auf meiner persönlichen Ebene meine Realität widerspiegeln, ausschlaggebend. Bryan nimmt dann diese Emotionen und hievt diese auf eine vollkommen neue Ebene - wie mir das mit meiner Gitarre gar nicht möglich wäre.

Bryan: Mein Job ist es, den Kern des Songs zu finden und diesen dann zu beleuchten. Es geht auch darum, die Geschichte des Songs zum Vorschein zu bringen. Manchmal reicht dazu ja eine Stimme und eine Gitarre - aber wenn man die Möglichkeit hat, andere Instrumente hinzuzufügen und die Elemente hin und her zu schieben, macht das die ganze Sache dramatischer. Als wir begannen, zusammenzuarbeiten, war ich ein Tontechniker und habe mich dann zum Produzenten weiterentwickelt. Ich schreibe auch Arrangements für Streicher und Bläser. Wenn wir anfangen, dann gibt es ja erst mal nur die Stimme und die Gitarre. Wir reisen aber sehr viel gemeinsam und spielen dabei dann mit Ideen für die Songs herum und lassen unserer Phantasie dabei freien Lauf.

GL.de: Sind dabei die Stimmen bzw. die Gesangsarrangements der Anker, der alles zusammenhält?

Bryan: Das würde ich schon sagen. Und die Texte. Unsere Produktionen sind dann so eine Art Schmelztiegel aus den musikalischen Elementen, mit denen wir aufgewachsen sind. Wir hören uns ja alles Mögliche an - aber wir beide mögen stets Gesangsharmonien.

Emma: Ja - ich mag HipHop, ich mag elektronische Musik und wenn ich arbeite, höre ich auch viel klassische Musik. Die Musik, mit der ich aufgewachsen bin, bezog sich auf die Kassetten-Sammlung meiner Eltern, weil wir keinen guten Radioempfang hatten - und das waren alles auf Gesangsharmonien beruhende Sachen aus den 60s und 70s.

GL.de: Wie geht es denn bei euch weiter?

Emma: Nun, wir haben schon Ziele. Wir haben diese Tour auf die Beine gestellt, wir haben Geld für gemeinnützige Organisationen gesammelt, wir haben High End-Videos produziert. Im Moment konzentrieren wir uns darauf, das, was wir können und wissen zu nutzen, um unseren Horizont zu erweitern. Wir sind recht erfolgreich mit unseren Hauskonzerten - besonders in den USA -, suchen aber nach einer Möglichkeit, auch in größeren Clubs aufzutreten, ohne die Hauskonzerte aufgeben zu müssen.

Bryan: Ich denke, unsere Ziele momentan sind eher geschäftlich orientiert - weil unsere künstlerischen Ziele dadurch definiert sind, uns möglichst treu zu bleiben.

Emma: Ich möchte immer genug Geld auf der Bank haben, die Scheiben, die ich machen möchte, auch machen zu können und dabei Dinge auszuprobieren, nach denen die Musik verlangt. Das ist für uns kein Gimmick: Wir experimentieren nicht herum, weil wir das tun wollen, sondern weil die Musik danach verlangt.

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Surfempfehlung:
www.emmahillmusic.com
www.facebook.com/bryandaste
www.facebook.com/emmahillmusic
www.youtube.com/watch?v=vcVt7pTL_tg
www.youtube.com/watch?v=_6amoS-c2kg
Text: -Ullrich Maurer-
Fotos: -Ullrich Maurer-


 
 

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