Gaesteliste.de Internet-Musikmagazin



SUCHE:

 
 
Gaesteliste.de Facebook Gaesteliste.de Instagram RSS-Feeds
Konzert-Archiv

Stichwort:



 
Konzert-Bericht
 
Die Würze der Straße

Leelo

Köln, Der Gute Grund
16.02.2020

zur Foto-Galerie
Leelo
Schon seit einiger Zeit geistert die zur Zeit in Berlin residierende gebürtige Estonin Leelo durch die Straßenmusik-, Wohnzimmerkonzert-, Session und Surprise-Gig-Szene der Republik. Nachdem sie Ende letzten Jahres dann ihr selbst betiteltes Debütalbum auf Vinyl veröffentlichte und zuletzt als Support von Acts wie Soley auch ein Mal "echte" Bühnenluft schnuppern durfte, begab sie sich anlässlich der CD-Veröffentlichung des Albums (und eines brandneuen Titels namens "Your Song") nun noch mal auf eine kleine Showcase-Tour, die sie auch nach Köln führte.
Als weitgereiste Troubadourin hat Leelo dabei viel zu erzählen. Nachdem sie in Estland zunächst mal mit einer klassischen Ausbildung als Flötistin absolvierte, folgte ein Musikstudium an der University Of Sussex, Brighton. Um sich darüber klar zu werden, was sie im Leben denn ein Mal werden wolle, zog Leelo im Anschluss für ein Jahr in das australische Darwin ("Shitty Town" par Exzellence, wie sie selbst sagt), wo sie begann, erste eigene Songideen zu realisieren und sich an den Gedanken zu gewöhnen, vor Publikum aufzuspielen. Danach reiste sie durch Südostasien und entschloss sich, ihre Zelte in Berlin aufzuschlagen. Dass man auf diese Weise viele interessante Leute trifft und viele Inspirationen für Songtexte erlangen kann, liegt auf der Hand. Und da Leelo zu jener Art von Songwriterinnen gehört, die sich keinen bestimmten Regeln verpflichtet fühlen und praktisch über alles und jedes auch Songs schreiben kann, ist es dann auch nicht erstaunlich, dass ihre Songs nicht bloß autobiographischen Charakter haben - wie z.B. "Leaving Town" - ein Stück, in dem es (wie Leelo sagt) darum geht, die Stadt zu verlassen, sondern zuweilen recht erstaunliche Charakterstudien aus eigenartiger Perspektive dabei entstehen.

Case in Point etwa der Song "I'm Fine, Thank You". "Den Song habe ich über meine Zahnärztin geschrieben", erklärte Leelo etwa, "als Jugendliche war ich davon besessen, schöne Zähne zu haben und habe lange Zeit Klammern getragen. Leider hat die Zahnärztin ihren Job nicht ordentlich gemacht und deswegen hasste ich sie so sehr." Auch in dem Nicht-LP-Titel "Start A Fight" geht es um interpersonelle Spannungen. "Man muss ja irgendwelche Inspirationen haben", erläuterte Leelo, "den Song habe ich geschrieben, als ich jünger war. Jetzt bin ich 29 - da bin ich zu alt, um mich noch so aufzuregen." Versöhnlicher wird es in Songs wie "Dreamer", den Leelo einer Nachbarin widmete oder in dem gerade veröffentlichten, neuen Song "Your Name". Abgerundet wurde das Set dann durch einen weiteren neuen Song, der auf der Setlist schlicht "New Song" hieß und eine Coverversion von Elton Johns "Tiny Dancer". "Ich spiele oft als Straßenmusikerin", erklärte Leelo diese Wahl, "da suche ich mir dann oft Coverversionen aus, um ein wenig Würze in die Sache auf der der Straße zu bringen. Hm - ich glaube ich habe gerade 'Würze' und 'Straße' in einem Satz verwendet."

Zwar absolvierte Leelo ihre Show in Köln alleine (weil sie ihre Band in die Wüste geschickt habe, wie sie scherzte) - aber Folkmusik macht die Gute trotzdem nicht. So trug sie ihre Songs mit einer gewissen jazzigen Attitüde auf der elektrischen Gitarre vor - denn die Sache mit der Lagerfeuer-Romantik entspricht nicht ihrem Anspruch als Musikern, da ihre detailreichen und zuweilen sogar komplexen Songs für gewöhnlich doch mehr zu bieten habe, als drei Akkorde und eine Punchline. "Ich bin auch schon mal von der Polizei auf der Straße gefragt worden, ob ich meine Musik nicht auf der akustischen Gitarre spielen wolle", erzählte sie, "da habe ich gefragt, wie ich das denn bitteschön machen solle." In dem Zusammenhang noch wichtig zu erwähnen, ist der Umstand, dass die LP zwar nur acht Tracks enthält - diese aber voll produziert und mit kraftvoller, rockiger Attitüde dargeboten werden. Im Sommer wird Leelo auf einigen Festivals spielen und im Herbst ist eine Tour zumindest mal angedacht.

Leelo
NACHGEHAKT BEI: LEELO

GL.de: Du scheinst ja ein immens abwechslungsreiches Leben zu führen. Was hat dich denn überhaupt bewogen, diese Reise nach Australien anzutreten?

Leelo: In der Tat führe ich ein abwechslungsreiches Leben. Ich habe mich schon seit früher Jugend mit der Musik beschäftigt - zunächst aber mal klassisch, als Flötistin. Dann habe ich Musik in Brighton studiert - war mir aber damals noch gar nicht sicher, ob ich Musikerin werden wollte. Ich habe damals auch noch keine eigenen Songs geschrieben. Da habe ich mir irgendwann gedacht, dass ich da raus müsste, habe dann meine Sachen gepackt und bin für ein Jahr nach Australien gezogen. Darwin liegt an der Nordspitze Australiens und ist ein kleines Kaff, wo nichts los ist. Da habe ich dann zum ersten Mal begonnen, selbst Musik zu machen. Jetzt bin ich in Berlin gelandet: Berlin ist eine coole Stadt - aber ich muss sagen, dass ich mich im Vergleich zu den vorherigen Stationen dort weniger inspiriert fühle.

GL.de: Du hast eine sehr interessante Art, deine Songs zu strukturieren. Das klingt ja manchmal wie Prog Rock.

Leelo: Oh - ich liebe sowas. Ich habe kein Interesse daran, Songs mit drei Akkorden zu schreiben. Mein Anspruch ist da schon ein anderer. Ich suche nach bestimmten Sounds auf der Gitarre und versuche dann, diese in meinen Songs zu realisieren. Und ich brauche eine interessante Geschichte als Grundlage für meine Songs. Leute, von denen ich mich beeinflusst fühle, sind Ben Howard, der englische Songwriter, Jack White und Modest Mouse - weil ich denke, dass Isaac Brock die besten Texte schreibt.

Leelo: Deine Texte sind ja recht witzig - etwa wenn du deiner Zahnärztin einen Herzinfarkt wünschst.

Leelo: Na, ich war halt sehr wütend auf die. Ich schreibe gerne Songs über andere Leute - oder zumindest aber ein paar Zeilen in meinen Songs - weil ich ja so viele interessante Menschen treffe. Es ist dann aber immer meine Perspektive, aus der ich über diese singe. Ich übersetze dann quasi deren Leben in meinen Texten. Die Texte sind aber offen zur Interpretation. Jeder kann denken, was er will. Ich habe zum Beispiel gestern in Nürnberg eine Sofa-Show gespielt und da sind Leute auf mich zu gekommen und haben gesagt: Wir wissen, worüber du singst und können das nachempfinden. Oder als ich den Song "Leaving Town" schrieb, als ich wieder aus Darwin weg zog, hat mich diese Frau angesprochen und meinte, dass sie selbst demnächst nach Köln ziehen wolle und meinte, dass dieser Song genau ihrer Situation entspreche.

GL.de: Du hast ja mal als klassische Flötistin angefangen. Kannst du diese Erfahrungen für deine eigene Musik nutzen?

Leelo: Das möchte ich schon. Auf der Bühne geht das natürlich nicht - weil ich ja nur zwei Hände habe. Und wie ich sagte, arbeite ich mit der Gitarre ja sowieso anders. Ich habe Klänge in meinem Kopf und versuche, diese zu realisieren ohne über die technischen Aspekte meines Tuns nachdenken zu müssen.

GL.de: Dein Gesang ist - zumindest auf der Scheibe - sehr leidenschaftlich und emotional, bis zu dem Punkt, dass die Texte nicht immer leicht zu verstehen sind.

Leelo: Stimmt - es geht ja auch um die Emotionen. Meine Songs handeln ja von Themen aus dem richtigen Leben. Da geht es um reale Personen und Geschichten.

GL.de: Dabei wählst du ja manchmal recht düstere Themen.

Leelo: Ja, das ist aber manchmal auch ein Witz - wenn ich zum Beispiel singe, dass ich wünsche, dass meine Zahnärztin sterben solle, ist das natürlich nicht wörtlich zu nehmen. Nachdem ich den Song geschrieben hatte, war das Thema für mich ja auch erledigt. Musik ist immer auch eine Art Therapie für mich.

GL.de: Wie geht es denn für dich weiter?

Leelo: Ich spiele jetzt erst mal ein paar weitere Support-Slots. Über die kam ich über meine Agentur Melt Booking. Die haben mich auf der Straße gesehen, als ich in einer U-Bahn-Station gespielt habe und angesprochen. Und als ich in Hamburg spielte, hat mich jemand angesprochen, der ein Festival in Freiburg organisiert und mich dazu eingeladen. Ich liebe es als Straßenmusikerin zu spielen. Es hilft, Selbstvertrauen als Performerin aufzubauen und es ergeben sich so viele Möglichkeiten. Meine besten Möglichkeiten haben sich durch meine Straßenmusik ergeben.

zur Foto-Galerie

Surfempfehlung:
www.leelomusic.com
www.facebook.com/leelomusic
www.instagram.com/leelo_music
www.youtube.com/watch?v=6pMgtNJjKRk
www.youtube.com/watch?v=Wiw0jRuzixA
www.youtube.com/watch?v=y4JA-qxYNNo
Text: -Ullrich Maurer-
Fotos: -Ullrich Maurer-


 
 

Copyright © 1999 - 2024 Gaesteliste.de

 powered by
Expeedo Ecommerce Dienstleister

Expeedo Ecommerce Dienstleister