NACHGEHAKT BEI: MAXIM
GL.de: Auf der Scheibe - wie eigentlich auch jetzt auf der Bühne - kommen deine neuen Songs mit einer ungeahnten Leichtigkeit und fast schon verspielt daher - sind dabei aber zugleich recht feinsinnig und weniger poppig als gewohnt. Hat das damit zu tun, dass du die Scheibe erstmals selbst produziert hast - und warum hast du das eigentlich gemacht?
Maxim: Früher habe ich mich mehr auf das Schreiben konzentriert - das war mir am Wichtigsten - und hatte auch keine Zeit zum Produzieren. Ich habe mich auch nicht als Produzent gesehen. Dieses Mal war das anders. Mit dem Songwriting war ich happy und musste nichts mehr beweisen. Jetzt wollte ich weiter wachsen und etwas Neues entdecken. Dann war das ein logischer Schritt zu sagen, dass ich jetzt produziere. Ich habe das auch nicht alleine, sondern mit meinen Musikern gemacht. Das hat mir dann sogar sehr viel Spaß gemacht. Ich wollte mit den Arrangements auch einen Ausgleich zu meinen schwermütigen Themen finden. Ich bin Vater geworden und ich wollte auch einfach glücklich sein und das ausleben.
GL.de: Ist das Schreiben heutzutage denn einfacher für dich?
Maxim: Nein - das ist immer viel Arbeit. Manchmal geht das zwar sehr einfach - der Song "Automat" etwa ist in drei Tagen entstanden. Aber "Die Asche von Claude" war nicht so einfach. Das war für mich das schwerste Lied, das ich jemals gemacht habe - weil ich darin mein Leben erkläre.
GL.de: In "Die Asche von Claude" geht es ja um einen Missbrauchsfall in deiner Familie?
Maxim: Ja, es geht um meinen Großvater mütterlicherseits, der ein Priester war. Das ist ein großes, unüberwundenes Familientrauma, das ich jetzt nicht auch noch auf meine Tochter übertragen wollte. Es gibt halt Sachen, die einfach mal raus müssen und die sich aufdrängen - und derer kann man sich dann auch nicht verwehren. Ich gehe auf die Sachen zu, die wichtig und ernst sind und die ich behandeln muss. Als Ablenkung brauche ich dafür eine Art Eskapismus. Es gibt einfach auch Songs die nicht viel wollen, die einfach nur da sind und schön sein wollen.
GL.de: Wie zum Beispiel in "Folie/Föhn" - das ist doch eine Anspielung auf das Meer in der Augsburger Puppenkiste, oder?
Maxim: Na klar. Oder der Titeltrack "Grüne Papageien" als Sinnbild für die Liebe, "Marseille" oder "Automat". Das sind dann Stücke, die weg wollen von diesem Schwermut, der einfach in mir lebt.
GL.de: Das Stück "Wohin ich gehöre" gehört sicher auch zu dieser Kategorie. Das ist ein Liebeslied, oder?
Maxim: Ja, das ist ein einfaches Lied und ist als Ausgleich für die "Asche von Claude" gedacht. Es geht da um meine Mutter und meinen Vater. Sie hatten beide keine einfachen Leben. Mein Vater hat immer sehr viel gearbeitet und ihn verorte ich in dem Lied oben und sage: Ich möchte zu dir nach oben, denn hier unten gehöre ich nicht hin und werde mich richtig abrackern, um zu dir zu kommen. Und meine Mutter, die sehr viel leiden musste in ihrem Leben, verorte ich unten und sage, hier oben, bei den Stars gehöre ich nicht hin, ich muss doch zu dir nach unten. Was ich ausdrücken will, ist, dass es nahezu unmöglich ist, bei beiden zugleich zu sein. Das Einzige, was das ermöglicht, ist zu sagen: "Ich liebe euch trotzdem beide". Und das ist der versöhnliche Abschluss des Albums.
GL.de: Ist das Stück "Wie man loslässt" ein ernst gemeintes Rezept zum Loslassen - denn darin geht es ja auch um solche Widersprüche?
Maxim: Ja, das ist natürlich ernst gemeint. Mein Schluss ist aber der dass man es zar immer versuchen und wollen und sogar schaffen kann, loszulassen, aber auch gleichzeitig nicht. Zum Beispiel kommt am Ende des Songs meine Tochter zur Welt. Ich überlege mir dann, wie man alles mögliche loslassen kann - Misserfolge zum Beispiel -, aber das Gefühl der Liebe zu meiner Tochter ist so stark, dass ich es niemals loslassen kann, auch wenn ich daran zerbreche. Das ist ein ganz frei geschriebenes Lied mit einzelnen Sätzen, die einfach wie Gefühlsklekse stehen und verdeutlichen sollen, dass es in Bezug auf das Loslassen keine eindeutige Lösung gibt... vielleicht geht es auch mehr um das Versuchen des Loslassens?
GL.de: Wieso jammerst du denn nicht in deinen Songs - wie so viele deiner Kollegen?
Maxim: Ich will immer mehr. Wenn es in Richtung typischer Deutschpop geht, dann versuche ich, diesen Weg zu verlassen. Ich finde es immer schlimm, wenn man das Gefühl haben könnte, dass etwas ausgelutscht ist und dass man es schon mal gehört hat. Das ist für mich immer so, dass ich mir denke, dass jemand, den ich toll finde, so niemals einen Song schreiben würde. Auch wenn Deutsch eine Sprache ist, die schwerer hinzubiegen ist, versuche ich eine Melodie zu schreiben, die ich selber auch mag und die sich messen kann.
GL.de: Dabei orientierst du dich aber nicht an deutschen Kollegen, oder?
Maxim: Ich höre sehr sehr wenig deutsche Musik, sondern bin mehr durch französische und englische Musik geprägt. Wenn du dir zum Beispiel die Beatles anschaust (weil die jeder kennt, nehme ich die jetzt als Beispiel), dann haben die natürlich das Problem erzeugt, dass sie alles konnten. Die haben in der Masse die besten Songs geschrieben. Und keiner dieser Songs ist dumm und viele sind einfach nur genial. Und dann noch etwas: Was die Beatles und die ganzen Brit-Pop-Bands der deutschen Musik voraus haben, ist der Umstand, dass das totale "Whitey-Musik" ist, dass sie aber diese Inspiration aus schwarzer Musik in sich tragen und Melodien schreiben, die man auch als Soul-Song umsetzen kann, was auch Sinn macht. Und nach so etwas versuche ich auch immer - auch wenn die deutsche Sprache da nicht so geeignet erscheint. Theoretisch kann ich das gar nicht so gut beschreiben, es ist mehr so ein Gefühl.