NACHGEHAKT BEI: TOM ALLAN & THE STRANGEST
GL.de: Wie seid ihr an die zweite LP herangegangen?
Tom: Unser erstes Album "Dear Boy" haben wir noch zu zweit, nacheinander, mit Multitracking eingespielt - weil wir da ja noch nicht die Jungs bei waren. Robin und Nico sind erst später hinzugekommen. Das neue Album haben wir dann ohne Overdubs live im Studio als Band eingespielt. Wir haben das ganze Set an einem Tag drei Mal hintereinander gespielt und dann jeweils die besten Versionen ausgesucht.
GL.de: Was ist denn der Reiz dabei?
Tom: Die Live-Energie im Studio einzufangen. Wir haben das Feedback bekommen, dass wir eine relativ gute Live-Band seien - nicht, weil wir gut und virtuos spielen, sondern weil eine gewisse Energie entsteht, wenn wir gut zusammen spielen. Und diese Energie ist schwer einzufangen, wenn man das nacheinander aufnimmt. Deshalb haben wir uns entschieden, ein roughes Ding mit Ecken und Kanten aufzunehmen, was dann aber diese Energie hat.
GL.de: Perfektion ist ja auch nicht gut genug, richtig? Ihr legt ja einen gewissen Wert auf...
Evan: ...ein wenig Chaos? Auf jeden Fall.
Tom: Wenn wir auf die Bühne gehen, dann lassen wir uns Freiheiten und wir spielen ja jetzt auch echt lange genug. Wir kennen uns untereinander, wissen wie wir ticken - und deswegen können wir uns das auch leisten. Es geht um das Zusammenspiel und die Interaktion mit dem Publikum.
Evan: Wenn die Leute gut reagieren und eine gewisse Interaktion mit uns haben, dann können wir - glaube ich - sogar besser spielen. Wir geben das, was vom Publikum kommt, dann zurück.
GL.de: Worüber singt ihr eigentlich? Als Muttersprachler habt ihr ja eine ganz andere Möglichkeit, mit Texten umzugehen, als etwa jemand, der mit dem Wörterbuch hantieren muss.
Tom: Ich kann nicht für Evan reden, aber ich möchte nicht in der Position sein, sagen zu müssen, worum es in meinen Texten geht. Das würde Noel Gallagher auch nicht tun. "What's Wonderwall", würde er sagen. Mein Anspruch ist eigentlich, den perfekten Song zu schreiben und immer besser dabei zu werden.
GL.de: Was ist denn ein perfekter Song?
Evan: Das ist so einfach nicht zu beschreiben. Tom hat vielleicht eine bestimmte Idee und ich eine ganz andere - und trotzdem funktioniert das Ganze. Die Ideen balancieren sich dann aus.
Tom: Das Coole in unserer Zusammenarbeit ist vielleicht, dass der andere Dinge gut findet, die man selbst gar nicht so sieht. Wir beurteilen und inspirieren uns da gegenseitig. Ich kann aber gar nicht sagen, was einen perfekten Song auszeichnet - das ist jedes mal unterschiedlich. Was wir ganz gut können, ist Hooklines und Pop-Songs zu schreiben. Wir sind zwar eine Punk-Band - aber wir stehen auf Pop-Songs.
GL.de: In einem Interview sagtet ihr ja mal, dass dem Rock'n'Roll heutzutage die Attitüde fehlt. Was meint ihr damit?
Tom: Uns ist bewusst, dass wir das Rad gerade neu erfinden - wir machen das, was wir wollen und das muss uns dann erst mal gefallen. Irgendwelchen Erwartungshaltungen wollen wir nicht erfüllen.
Evan: Du musst vollkommen überzeugt von dem sein, was du machst - egal, ob andere das mögen oder nicht. Wenn man zu vorsichtig oder mit Angst spielst, bringt das gar nichts. Das ist Attitüde.
Tom: Es gibt super viele coole Gitarrenbands. Aber viele Bands heutzutage gehen zu sehr auf Nummer sicher. Da werden die Verstärker so leise gedreht, damit alles gut klingt, da spielt der Drummer mit Click auf dem Ohr, da ist alles so durchkalkuliert. Die Rockmusik in den 60er Jahren musste vor allen Dingen brachial laut sein. Die hatte Ecken und Kanten und das hat gefickt. Heutzutage ist die moderne Rockmusik so zahm und vorsichtig geworden - und damit auch ein wenig irrelevant für die Jugend. Rockmusik muss laut und ehrlich sein.
GL.de: Rockmusik braucht ja auch immer etwas Rebellisches. Orientiert ihr euch deswegen musikalisch lieber nach hinten, als euch mit euren Zeitgenossen zu messen?
Tom: Voll. Rockmusik ist ja mittlerweile durch die Generation der Eltern und Großeltern etabliert. Als Jugendlicher heute Gitarrenmusik zu hören, ist da ja erst mal null rebellisch.
GL.de: Und deswegen muss diese Musik dann wenigstens laut und rau sein?
Tom: Genau. (Und eben nicht perfekt.)