Zu verschroben für Britpop und zu kitschig-opulent für Rock: Seit fast 30 Jahren fühlt sich der nordirische Pop-Exzentriker Neil Hannon mit seiner Band The Divine Comedy zwischen allen Stühlen am wohlsten. Beim Gastspiel seiner Band in Köln hat der so ungemein charismatische 51-jährige Dandy dennoch leichtes Spiel. "Heute gibt's nur die Hits und keine schwierigen Songs!", ruft er dem Publikum im fast bis auf den letzten Platz gefüllten Gloria in Köln zu - und setzt sein Versprechen dann für rund 100 Minuten mit einem bezaubernden Konzert in die Tat um, bei dem es nicht zuletzt dem Setting geschuldet ist, dass Hannons Brillanz als Songwriter besonders hell erstrahlt.
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Anders als in der Vergangenheit, als oft orchestrale Unterstützung, viel theatralisches Bühnengebaren und herrlich schräge Kostüme zum guten Ton gehörten, verzichten The Divine Comedy dieses Mal auf großes Brimborium. Ein herrlich altmodischer, geraffter Vorhang, der aus einem alten englischen Kino stammen könnte, in dem 1964 die Beatles aufgetreten sind, eine feine Lightshow und neben Hannon fünf weitere Herren im Anzug an Orgel bzw. Akkordeon, Klavier, Bass, Gitarre und Schlagzeug sind alles, was es braucht, um passend zum just veröffentlichten Best-of-Doppelalbum "Charmed Life" knapp zwei Dutzend Lieder auf die Bühne zu bringen, die das gesamte Oeuvre der Band abdecken. Ganz ohne Theatralik geht es dann aber doch nicht. Bei "Our Mutual Friend" sinkt Hannon passend zum Text "ohnmächtig" zu Boden, und bei "Perfect Lovesong" lässt er einen Mann mit Schirm, Charme und Melone auf die Bühne kommen, der ihm beim Tonartwechsel mitten im Lied das Kapodaster an der Gitarre verschiebt: "That was the keychange man", erklärt er trocken, als sei es das Normalste der Welt. That's entertainment!
Überhaupt begeistert das Konzert nicht zuletzt deshalb, weil es für diese Best-of-Tournee zwar ganz offensichtlich einen minutiös ausgeheckten Plan gibt, man aber stets das Gefühl hat, dass Hannon jederzeit gewillt ist, davon spontan abzuweichen, wenn ihm etwas Anderes, Besseres in den Sinn kommt. So bittet er am Ende von "To The Rescue" Daniel Kitzig als Gast auf die Bühne, der auf seinem Spezialinstrument, der Ondioline (einem 1946er Vorläufer des Synthesizers), bei der Nummer den orchestralen Schlusspunkt setzt und danach auch gleich noch den wohl berühmtesten Song zum Besten geben darf, bei dem die Ondioline zum Einsatz kommt - den 70er-Jahre-Novelty-Hit "Popcorn" von Hot Butter! Ganz am Ende des Auftritts lässt sich der inzwischen durch diverse alkoholische Getränke - "Himmel im Glas!" – gut geölte Hannon trotz leicht angeschlagener Stimme vom Publikum sogar noch dazu überreden, mit "Charmed Life" einen zusätzlichen Song zu spielen, der gar nicht auf der Setlist steht. Nur auf den ersten Blick überraschend ist hingegen, dass sich ausgerechnet die einzige neue Nummer des Best-of-Werkes als heimliches Highlight des Abends entpuppt, denn für "The Best Mistakes" lässt Hannon nicht nur im dazugehörigen Videoclip seine Karriere Revue passieren, auch der Song vereint in drei Minuten praktisch alles, was ihn seit 30 Jahren faszinierend macht.
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Dabei hätte es diesen retrospektiven "Zeitraffer" in Liedform natürlich eigentlich gar nicht gebraucht, in einem Konzert, in dem neben dem eigentlich unkaputtbaren, aber in Köln dennoch eher unauffälligen "At The Indie Disco" mit "Absent Friends", "Becoming More Like Alfie", "Everybody Knows", "Something For The Weekend", "Bad Ambassador" und "The Certainty Of Chance" allein in den ersten 30 Minuten gleich ein halbes Dutzend waschechte Top-40-Hits auf dem Programm stehen und die Hitdichte danach kaum abnimmt, bevor am Ende noch größere Klassiker wie "National Express" und natürlich auch "Tonight We Fly" dran sind. Am Ende ist auch all denen im Saal, die keine Intimkenner des Werkes von Divine Comedy sind, klar: Zeitlos schöne Songs britischer Färbung, die voller Eleganz und Eloquenz auf Herz und Kopf gleichermaßen zielen und dabei nie die heitere Note vergessen, schreibt niemand so schön wie Neil Hannon.
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