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Konzert-Bericht
 
Ghost without saying

Cat Power
Arson

Hamburg, Kampnagel
13.06.2022
Cat Power
Natürlich heißt es richtig "goes without saying" und bedeutet in etwa "da brauchen wir nicht drüber zu sprechen" - aber Chan Marshall ist halt nun mal eine Scherzkeksin und drehte den Spruch bei einem Gespräch über die Vorbereitung auf ihre Show im Hamburger Kampnagel einfach um. Dabei ging es um die Frage, ob sie ggf. noch an Lampenfieber litte - was früher ja mutmaßlich die Ursache für manch erratische Konzerterlebnisse gewesen sein mag. Nein - an Lampenfieber im klassischen Sinne leide sie nicht, meinte Chan, aber eine gewisse Grundspannung sei schon da. Sie suche vor jeder Show stets nach einem Zugang oder einem Portal auf einer universell spirituellen Ebene, um sich auf diese Weise mit dem Publikum gemein zu machen und so Zugang zur kollektiven Atmosphäre finden zu können. Wenn das gelänge, dann sei es heutzutage kein Problem für sie, ohne weitere Vorbereitung - und auch ohne zuvor die Lage gecheckt zu haben, wie sie das früher gelegentlich getan habe - auf die Bühne zu gehen.
Kurzum: Die Geistwesen und Schutzengel sind also eigentlich immer irgendwie dabei - und das erklärt dann vielleicht auch, warum Cat Power-Konzerte in den letzten Jahren eine im Vergleich zu früher regelrecht entspannte und nicht zuletzt musikalisch verlässliche Angelegenheit geworden sind. "Ich bin schon besser geworden im Vergleich zu früher, oder?", fragt sie offenherzig und fügt dann fast entschuldigend hinzu "ich musste schließlich früher mit mentalen Problemen, Psychosen und ähnlichen Wahnvorstellungen kämpfen, mit denen ich aufgrund meiner religiösen Erziehung zu tun hatte."

Die Show im fast ausverkauften Hamburger Kampnagel eröffnete eine weitere Entdeckung aus dem persönlichen Umfeld Chan Marshalls (die ihre Support-Acts gerne ungeachtet musikalischer Erwägungen auf einer rein menschlichen Ebene selbst aussucht). Arsun Sorrenti ist ein junger Songwriter aus New York, der als Solo-Künstler und/oder mit seiner Band unter seinem Vornamen agiert und im Kampnagel ganz alleine auf der Bühne stand. Irgendwelche Probleme bereitete ihm das aufgrund seiner souveränen Bühnenpräsenz überhaupt nicht - obwohl er zuvor noch nie in Europa aufgetreten war. Obwohl es ja immer problematisch ist, Songwriter untereinander zu vergleichen, erinnerte Arsun in diesem Solo-Setting mit Songs wie "Baby I Hear Thunder", "Splinter The Evening" oder "On The Dark Waters Edge" in Bezug auf sein Timbre wie auch dem lyrischen Gehalt seines Materials ein wenig an das, was Conor Oberst in ähnlichen Situationen zu bieten hat, auch wenn seine Songs weniger vertrackt und endlos verschachtelt - somit gleichsam zugänglicher - sind als jene des Meisters. Bislang hat Arsun einige Singles veröffentlicht und arbeitet gerade an einer LP - mit der sich Freunde gediegener, klassischer Songwriterkunst definitiv beschäftigen sollten.
Cat Power
Die Cat Power-Band war für diesen Tourabschnitt aus persönlichen Gründen auf ein Trio-Format ohne die Gitarristin Adeline Jason eingedampft worden. Und das stand ganz unter der Obhut des hervorragenden Multiinstrumentalisten Erik Paparozzi, der - laut Chan - ungefähr 14 verschiedene Instrumente spiele. Tatsächlich tat er das aber überhaupt nicht, sondern konzentrierte sich (anders als noch bei den letzten Touren) weitestgehend auf diverse Piano-Sounds. Das hatte einen bestimmten Grund, denn erneut hatten sich die Arrangements der Songs gegenüber ihren letzten Inkarnationen stark verändert und wirkten deutlich konzentrierter als früher. Tatsächlich kehrte Chan Marshall als Performerin eine Eigenschaft in den Vordergrund, für die sie sich bereits früher zunehmend interessiert hatte - die der Blueserin nämlich. Es ist ja schon hinlänglich bekannt, dass Chans Methode, sich der Interpretation ihres Materials - sowohl ihrer eigenen Songs wie auch der Unzahl von Coverversionen, denen sie ja auch ihre letzte LP "Covers" gewidmet hat betreffend - bestenfalls eine rein intuitive, keinesfalls aber eine konzeptionelle ist. Insofern basierten die meisten der aktuellen Arrangements dann auf einem einzigen, grundlegenden Riff - in der Art, wie das die alten Blueser in ihrem Metier auch oft betrieben und wie es Chan Marshall selbst auch gerne manchmal praktiziert - das von der Band dann einfühlsam, variantenreich und teilweise sogar recht druckvoll und dynamisch umspielt wurde, wobei sich Chan gesanglich dann einen jeweils eigenen Weg durch die melodischen und harmonischen Aspekte des jeweiligen Songs suchte. Oder aber diese ignorierte und dabei in Bereiche vordrang, an die sie zuvor wohl selbst nicht gedacht hatte.

Dieses Vorgehen kennt man ja - wie gesagt - bereits von Chan Marshall. Man denke nur an ihre Version von "Satisfaction", bei der ja nach wie vor der Refrain wegrationalisiert bleibt, um dieser Methode vortrieb leisten zu können. Freilich in dieser Konsequenz war das bislang noch nicht zu beobachten gewesen. Besonders effektiv zeigte sich das bei einer Partie im Mittelteil der Show, wo Chan einige ihrer älteren Songs ("Metal Heart", "Cross Bone Style", "Nude As The News" und "Moon" sowie ein paar Zeilen aus "New York New York") zu einer Art Medley zusammengefasst hatte. Immer funktionierte diese Rezept jedoch nicht. Das selbst auf der Scheibe "Sun" schon episch ausgewalzte "Manhattan" geriet zu einer nicht enden wollenden Übung in Sachen Monotonie - nicht zuletzt, weil bei diesem Track wieder Soundprobleme auftraten und Chan nach einer langen Diskussion mit dem Bühnen-Mixer eine Art Soundcheck und Mikro-Test in die Performance einbaute. Heutzutage singt Chan dabei mit zwei Mikrofonen - eines davon clean geschaltet, das andere nun mit einem Autotune-Effekt belegt, was in der Kombination dann zu interessanten klanglichen Ergebnissen führt.

Zu einem reinen Showcase für das letzte "Covers"-Album verkam die Show übrigens keineswegs - stattdessen bot Chan einen recht umfassenden Querschnitt ihres Schaffens. Die Highlights der Kampnagel-Show kamen dann allerdings aus einer ganz anderen Richtung - nämlich in Form des Pogues-Covers "A Pair Of Brown Eyes" und besonders mit dem Finale, einer sich vom Flüstern zum Orkan steigernden, orgiastischen und für Chans Verhältnisse erstaunlich werksgetreu aufgefassten Version von Bowies "Wild Is The Wind". Bereits zu Beginn hatte Chan vergeblich versucht, die Zuschauer in der bestuhlten Halle zum Aufstehen zu motivieren - zum Finale gab es dann kein Halten mehr: Chan bat darum, das Saal-Licht einzuschalten und forderte die Fans auf, zum Bühnenrand vorzustürmen - was diese dann zaghaft auch taten. Optisch nutzte das übrigens nichts, denn seit sich Chan bei Konzerten nicht mehr offiziell fotografieren lässt, achtet sie betont darauf, dass sie von vorne auch nicht mehr beleuchtet wird, wodurch sie bestenfalls als Schattenriss auf der Bühne auszumachen ist. Eine Zugabe gab es nicht - und war eigentlich auch nicht notwendig, denn sehr viel würdiger und beeindruckender als mit "Wild Is The Wind" hätte Chan die Show auch nicht beschließen können.
Surfempfehlung:
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Text: -Ullrich Maurer-
Fotos: -Ullrich Maurer-


 
 

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