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Konzert-Bericht
 
Teil 1 - Home is where Static Roots is

Static Roots Festival

Oberhausen, Zentrum Altenberg
08.07.2022

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Gabi Garbutt & The Illuminations
Es war ja fast zu schön, um wahr zu sein - aber nach zwei Jahren pandemischer Zwangspause konnte in diesem Jahr tatsächlich die fünfte Auflage des Static Roots Festivals im Zentrum Altenberg in Oberhausen stattfinden. Und das war einzig und alleine das Verdienst des rührigen Organisators Dietmar Leibecke, der das Unterfangen, kanadische, irische, schottische, englische und US-Acts in der noch laufenden Pandemie zum Anfassen auf die Bühne zu bringen, mit bemerkenswerter Zähigkeit gegen alle Widerstände und vernünftige Einwände verteidigt hatte - und dabei fast alle Acts, die er bereits für 2020 gebucht hatte, bei der Stange halten konnte.
Woran das liegt, braucht eigentlich nicht schon wieder erklärt zu werden: Das aus einer spirituellen Verbundenheit mit dem legendären Kilkenny Festival dereinst gegründete Americana-Event hat sich nicht nur bei den Fans, sondern auch den Künstlern schnell als alternativlose Pflichtveranstaltung etabliert. Allerdings durfte den Künstlern in dem Fall deutlich mehr Pandemie-Resilienz zugeeignet werden, als den Fans, von denen so einige den Lockdown Blues wohl als Grund hergenommen hatten, dem Festival dieses Jahr fernzubleiben. Nicht zum Schaden der Anwesenden übrigens, die somit mehr Freiraum und ein intensiveres Konzerterlebnis genießen konnten.

Aber zurück zum Thema: Das Static Roots Festival wurde ja dereinst inspiriert vom Kilkenny Roots Festival, das seit 1998 als Spielwiese für Freunde klassischer, handgemachter Americana-Musik aus den Bereichen Singer/Songwriter, Folk, Country, Blues und Roots-Rock galt. Insofern sind die Verbindungen zur Irischen "Mutterbasis" auch nie abgerissen, was dazu führte, dass die Fans (und Musiker) beider Veranstaltungen sich in glückseliger Einigkeit seit jeher austauschen - und gerne auch von einem Festival zum anderen fahren; was in Pandemie-Zeiten natürlich gewisse Grenzen hat. Dennoch war der Anteil der irischen Fans, die den Weg nach Oberhausen gefunden hatten, bemerkenswert. Nicht zuletzt auch deswegen, weil die Headliner (= die Band, die als letztes spielt) am ersten Tag die irischen Barflies waren, die ihr Set der Erinnerung des verstorbenen Kilkenny-Roots-Gründervaters Willie Meghan widmeten - und dazu ihren kompletten Familien- und Freundeskreis mitgebracht hatten.

Eine andere Static-Roots-Connection ist die die Verbundenheit zu dem kanadischen Radio-DJ Jeff Robson, der wie gewohnt souverän für die Moderation des Programmes zuständig war, das Publikum mit Infos und Anekdötchen zu den Musikern unterhielt und die Regeln vor Ort erklärte: "Bitte haltet euch mit den Handys zurück, denn es gibt viele offizielle Fotografen, die Fotos für euch machen", erklärte er, "außerdem sehen eure Videos scheiße aus, weil ihr die Handys immer verkehrt haltet - ihr müsstet sie nämlich quer halten."

Nachdem diese technischen Aspekte aus dem Weg geräumt hatte, ging es mit dem ersten musikalischen Programmpunkt weiter - Jeff Robsons Landsfrau, die inzwischen in Schottland lebende kanadische Songwriterin Sarah Jane Scouten. Sarah war eigentlich "nur" aufgrund einer anderweitigen Absage für das Programm nachnominiert worden - war aber so bewegt von der Situation das Festival eröffnen zu können, dass sie eine für ihre Verhältnisse äußerst emotionale Performance ablieferte. Und das lag nicht nur an dem Umstand, dass sie einige sehr gefühlvolle Songs wie z.B. "The Great Unknown", eine einfühlsame und tröstliche Reflektion über den Tod und das Sterben im Angebot hatte (und dafür dann ihre amüsanten Mörderballaden eher außen vor ließ), sondern auch daran, dass sie nach der Pandemie-Auszeit nach langer Zeit endlich wieder vor einem größeren Publikum spielen konnte. Da galt es denn, das eine oder andere Tränchen zu verdrücken (oder loszulassen) und einfach die Stimmung aufzusaugen. "Ich bin ja auch gerne amüsant auf der Bühne", bemühte sich Sarah, das nach der Show zu erklären, "aber du hast schon recht: Heute war ich sehr emotional."

Auch Zachary Lucky kommt aus Kanada - gibt sich aber inhaltlich, musikalisch, performerisch und stylish alle Mühe, als besserer US-Musikus durchzugehen. Und zwar mehr als überzeugend - und obwohl er sich bemühte, kanadische Spezifika seiner Heimatprovinz Saskatchewan in seine Lyrics einfließen zu lassen. Lucky bietet nämlich klassische, Old-School-Country-Songs im Hank Williams-Stil - und bedient dabei wirklich absolut jedes einzelne Klischee, das das Genre hergibt. Und zwar auf eine bemerkenswert authentische, glaubwürdige und souveräne Art und Weise. Außerdem ist der Mann so sympathisch und amüsant, dass man ihm seine eigentlich unironisch interpretierten Männerschmerz-, Loser- und Fernweh-Balladen nun wirklich nicht übel nehmen konnte.

Auch der schottische Barde Dean Owens war für das Programm nachnominiert worden - und das erwies sich als außerordentlicher Glücksfall. Denn Owens ist ein klassischer Musicians Musician. Sarah Jane Scouten - die Owens erst anlässlich des Festivals kennengelernt hatte - scherzte etwa, dass es Owens gewesen sei, der ihr beigebracht habe, wie man gute Songs schreibt. Solcherlei Fremdlob braucht Owens aber gar nicht, denn seine letzte Scheibe "Shinners Shrine" spielte Owens mit Calexico als Backing Band (und Grant Lee Phillips und Gaby Moreno als Duettpartner) in Tucson ein - und Calexico (so stellte Jeff Robson fest) nehmen keine Scheiben mit Schluffen auf. Außerdem hatte sich Owens für die Show mit dem Gitarristen Jim Maving zusammengetan, den er in London kennengelernt hatte und der ihn für das Static Roots begeistert hatte, nachdem Jim zuvor bereits als Gitarrist von Don Gallardo auf dem Static Roots 2019 aufgetreten war. Da konnte ja nun wirklich nichts mehr schief gehen - und tat es auch nicht. Owens legt keinen Wert auf knallige Effekte oder (ganz) große Gesten, sondern auf poetische Subtilität und legt seine Lyrics mit metaphorischer Eleganz an. Interessant in diesem Zusammenhang war musikalisch das Aufeinandertreffen gälischer Melancholie und folkiger Country-Leichtigkeit. Und dass Jim Maving bei dem Song "Land Of The Hummingbird" den Gesangpart von Gaby Moreno übernehmen musste, nahm dieser mit einem Augenzwinkern hin.

Nachdem der traditionelle Akustik-Teil des ersten Tages - bemerkenswert kurzweilig - zu Ende gegangen war, war es Zeit für ein wenig frischen Wind. Dietmars "Wildcard" für das Static Roots 2022 war in diesem Fall die Londoner Songwriterin Gabi Garbutt mit ihrer Band The Illuminations. Als "Wildcard" bezeichnet Dietmar gemeinhin die Acts, die er mit sendungsbewusster Gründlichkeit ins Programm einstreut, um die allzu Americana-Verklärten auf den Boden der Tatsachen zurückzuholen und diesen ein wenig musikalischen Bildungsbürgertum jenseits eingefahrener Erwartungshaltungen nahezubringen. In dem Fall bedeutet das, dass Gabi sich nicht für staubige Landstraßen oder heimelige Landeier interessiert, sondern zum Beispiel für Jean Genet, Vincent Van Gogh, Engel, Glühwürmchen, humpelnde Tauben, Raben, Blutegel, (weibliche) Matadore oder Robert Quine. Kurzum: Gabi hat etwas zu sagen und sie tut das mit poetischer Eloquenz. Das eigentlich Interessante dabei ist allerdings, wie sie das musikalisch verkleidet. Denn auch dafür hat sie (für ihr Alter) ungewöhnliche Referenzen parat. So wurde sie von Edwyn Collins in einem Londoner Pub entdeckt, der sie an den Produzenten Sean Read verwies, der zuvor die Pretenders betreute und Gabis Vorlieben für typisch britische Rockmusik - speziell Pub- und Glam-Rock - und Acts wie Elvis Costello und ganz besonders The Clash zu einer faszinierend eigenständigen, komplex angerichteten, vielschichtigen und dennoch packenden Mixtur in ein geeignetes Retro-Setting einpasste, das Gabi und ihre Jungs in Oberhausen mit Hingabe, Leidenschaft und Energie auslebten. Zwar war ausgerechnet an dem Bassisten Dan Fatel ein passionierter Pete Townsend-Impersonator verloren gegangen, ansonsten begeisterten Gabi und die Illuminations mit einer tollen Rock-Show - übrigens ohne erkennbare US-Einflüsse, aber jeder Menge klassischer Brit-Tugenden - wie man sie in dieser Konsequenz an dieser Stelle einfach nicht erwartet hätte. Kein Wunder, dass die ersten Besucher dann mit Worten wie "Früher war das Static Roots ja noch ein richtiges Americana-Festival" die erste Pause einlegten. Dietmar hatte also seinen Bildungsauftrag nur teilweise verwirklichen können. Bei der nächsten Wildcard-Show sollten vielleicht die Türen zugemacht werden.

Und dann folgten auch schon die Barflies. Auf diese Band hatte Dietmar dereinst noch Willie Meghan selbst aufmerksam gemacht. Die Sache ist die: Es gibt ja Cover-Bands, die mit Songs von - sagen wir mal den Rolling Stones oder Neil Young - auf Kirmesveranstaltungen, Gartenparties oder Firmenfeiern ihrem Traum von der Karriere als richtige Musiker nachtrauern. Und dann gibt es die Barflies. Nicht, dass diese nicht auch Songs von den Stones oder Neil Young im Angebot hätten - aber zusätzlich dann auch solche von Bill Callahan, Lambchop, Nick Cave, Daniel Johnston, den Carpenters, Wilco, oder Mercury Rev. Und diese Songs spielten die Jungs - zu Ehren Willie Meghans - mit dermaßen viel Schmiss, Begeisterung und musikalischer Chuzpe, als hätten sie diese nicht nur selbst geschrieben, sondern obendrein den Rock'n'Roll auch gerade erst erfunden. Wohl gemerkt ging es dabei nicht darum, die Songs erkennbar nachzuspielen, sondern diesen durchaus eigene, ungewöhnliche und kreative Perspektiven abzugewinnen. Nicht übrigens, dass jedermann das zu schätzen wusste: Zum einen waren den Traditionalisten auch die Barflies nicht Americana-lastig genug - und zum anderen realisierten viele auch gar nicht, dass es hier um Cover-Versionen ging, denn dafür war die Songauswahl einfach zu eklektisch. Sei es drum: Für alle, die durchhielten (hauptsächlich die mitgebrachten irischen Fans), war diese Show ein echtes Highlight. Und diejenigen die einwandten, dass sie die Originalversionen der Stücke besser fänden, disqualifizierten sich mit dieser Aussage gleich wieder. Und damit war der Tag dann auch schon zu Ende - eigentlich zu früh, aber Curfew ist nun mal Curfew.
Surfempfehlung:
staticrootsfestival.com
www.facebook.com/StaticRootsFestival
www.facebook.com/groups/1151532058239968
www.instagram.com/staticrootsfestival
www.youtube.com/watch?v=Dd14U_In-sI
www.youtube.com/watch?v=CEeoG5IX7Ho
www.youtube.com/watch?v=kVA1E1MIeHg
Text: -Ullrich Maurer-
Foto: -Ullrich Maurer-


 
 

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