Bei der Eröffnungsveranstaltung begrüßte 21 Downbeat - inklusive der Hausband des Ramba-Zamba-Theaters - mit einer elektronisch aufgebohrten Version des Berliner Bolle-Liedes die geladenen Gäste und setzte damit auch gleich einen Haken hinter die Punkte Diversity, Awareness, Equality und Inklusion - stets und immer Ankerpunkte der Festival-Philosophie. Die aus Katja Lucker, Pamela Owusu-Brenyah, Yesim Duman und Christian Morin bestehende Festival-Leitung und Gastrednerin Claudia Roth in ihrer Eigenschaft als Staatsministerium für Kultur und Medien stimmten im Anschluss noch ein Mal auf das Programm ein, erläuterten dessen Zusammenstellung, wiesen auf die Stellung der Kultur hin und rührten an ein unangenehmes Thema - nämlich einen erneuten Boykott-Aufruf der antiisraelischen BDS-Bewegung (Boycott, Divestment and Sanctions) der aufgrund der Teilnahme des israelischen Acts BĘÃTFÓØT feat. Kunty Klub und des damit verbundenen Zuschusses der israelischen Botschaft in Berlin eingeleitet worden war und der teilweise auch von Erfolg gekennzeichnet war. Wie aber Mit-Kurator Christian Morin erklärte, geschah die Mehrzahl der Absagen aufgrund von Corona-Problemen.
Musikalisch los ging es dann mit dem Konzert der Kölner Crossover-Band Salomea um die energiegeladene Frontfrau Rebekka Salomea Ziegler, die das (noch nicht so zahlreich vorhandene) Publikum im Maschinenhaus mit einem Mix aus R'n'B- und HipHop-Art-Pop, der aber auch jazzige Fusion- und soulige Elemente beinhaltete, zu begeistern versuchte, was aufgrund der lebhaften Live-Präsentation dann auch schließlich gelang. Crossover eben.
Das erste Commissioned Work des Abends bestand dann aus einem Ein-Mann-Theaterstück des kanadischen Songwriters Sean Nicholas Savage, der ansonsten mit feinsinnigen, operettenhaften Artpop-Songs in verschiedensten musikalischen Settings zu unterhalten weiß. Das Thema des Stückes "The Fear" war dabei die aus Albträumen geborene Furcht vor den Wölfen des Lebens. Das Interessante dabei war die Inszenierung, bei der Savage selbst nur als Schattenriss hinter weißen Vorhängen, die von hinten farbig angestrahlt wurden (oder kurz als maskierter Wolf) zu sehen war.
Im Frannz Club gab es dann das Berlin-Debüt des belorussischen Trios Dlina Volny, das im letzten Jahr bereits ein digitales Werk für das Pop-Kultur Festival eingereicht hatte. Die Band aus Minsk residiert - wie so viele ihrer Art - aus politischen Gründen gerade im lettischen Exil in Vilnius und hat sich einer Art tanzbarer Darkwave- und New Wave-Pop-Variante verschrieben - ohne Gitarre (und Drummer), aber mit live gespielten Synthesizern, wuchtig groovendem Bass und einer gehörigen Portion Mystik - die sich auch dadurch verdeutlichte, dass Sängerin Masha Zinevitch und ihre Jungs auf der Bühne im Zwielicht und Kunstnebel praktisch nicht zu sehen waren.
Die Britin Anna B. Savage hatte ja mit der Veröffentlichung ihrer Debüt-LP "A Common Tern" pandemietechnisch voll ins Fettnäpfchen gegriffen und hatte alle Promo-, Showcase- und Tourpläne mehrfach verschieben bzw. in unseren Breiten sogar ganz absagen müssen. Ihr Solo-Auftritt im PANDA Platforma Club war also sozusagen die erste und letzte Gelegenheit zugleich, sie mit dem Material des Albums noch ein Mal live erleben zu können. Schade, dass es sich dabei "nur" um einen Solo-Auftritt mit elektrischer Gitarre handelt, denn dadurch kamen die doch recht spannungsgeladenen Tracks eigentlich zu spröde rüber.
Im Maschinenhaus träumte derweil der Stuttgarter Artpop-Spezialist Levin Stadler als Levin Goes Lightly zusammen mit seinen Band-Kollegen Thomas Zehnle und Paul Schwarz mit ambitioniertem, flamboyanten New Wave-Flair von einer Welt, in der er vielleicht den Platz eines würdigen David-Bowie-Nachfolgers einnehmen könnte?
Mal kurz ins die größte Spielstätte, das Kesselhaus, wechselnd offenbarte sich dort folgendes Bild: Zwischen zwei angesetzten HipHop-Shows bemühte sich dort DJ Prince M.I.K. mit einem Set die Umbaupause zu überbrücken. Im Rap- und HipHop-Rahmen funktionierte das Konzept noch halbwegs - zwischen Konzerten anderer Natur eben nicht. Dennoch eine schöne Idee.
Der Stuttgarter Musikus Edward Hunt versuchte sich im PANDA Platforma Club anschließend als Ein-Mann-New-Wave-Pop-Band. Mit überschaubarem Erfolg, denn die Idee, gleichzeitig Gitarre, Keyboards und Pads bedienen zu wollen, überforderten den jungen Mann dann doch etwas. Wenn er sich auf eine Disziplin konzentrierte, klappte es hingegen ganz gut.
Parallel zum "offiziellen" Festivalprogramm lief im Soda Club (wo am Wochenende der Disco-Wahnsinn grassiert) das Pop-Kultur Nachwuchs-Programm, wo sich junge Bands und Künstler, die sich vorher entsprechend bewerben hatten können, mit einem Live-Set dem Publikum präsentieren konnten. Dazu gehörte am Mittwoch auch das Projekt der Berliner Musikerin Juno Lee, die seit 2019 u.a. als Straßenmusikerin tätig ist. In diesem Jahr trat sie mit Band auf und präsentierte handwerklich ordentlich in Szene gesetzten Indie-Pop mit New Wave-Einschlag, den sie mit charmantem Optimismus vortrug und sich dabei von gut gelaunten, jugendlichen Kollegen unterstützen ließ.
Die aus Bielefeld stammende, deutsch/britische Musikerin Christin Nichols ist Lesern des Kleingedruckten bereits als Hälfte des Duos Prada Meinhoff bekannt, mit dem sie sich mit ihrer Kollegin René Riewer in einer Art basslastigem New Wave-Panoptikum austobt. Solo (bzw. mit ihrer Band) präsentierte Christin im Frannz Club indes Schweinerock vom Feinsten. Mal auf englisch, oft genug auf deutsch, manchmal witzig, manchmal selbstironisch, manchmal albern - aber immer unterhaltsam und so over the top, dass man ihr das als Rockstar-Persiflage auf musikalisch allerdings hohem Niveau - gerne durchgehen ließ.
Das kanadische Trio Metz, das gleich nach Christin Nichols den Schlusspunkt für den ersten Festivaltag im Frannz-Club setzte, betreibt sein grobschlächtiges musikalisches Handwerk bereits seit 2008 und hat auf dem legendären Sub Pop Label bislang vier Longplayer veröffentlicht - sich dabei bislang aber noch nicht entschieden, ob sie dem ursprünglichen Punk-Label mittlerweile ein "Post" voranstellen sollten. Eine besondere Mühe, ihre aggressive, stachelige und zuweilen brutalen musikalischen Angriffe auf das zentrale Nervensystem der Zuhörer irgendwie zu diversifizieren oder mit feinsinnigen Nuancen zu variieren, geben sich Gitarrero/Sänger Alex Edkins, Bassist Chris Slorach und Drummer Hayden Menzies (der auch das Artwork der Band konzipiert) jedenfalls nicht. Da gab es unerbittlich und konsequent auf die Zwölf. Allerdings muss es der Neid lassen, dass die Jungs ihr Handwerk verstehen und mit der Strukturierung ihres Materials und dem Spiel mit der Dynamik einiges an Wirkung erreichen, was ihnen songwriterisch abgehen mag. Rätselhaft indes, wieso sich die Band verbat, das Ganze fotografisch einzufangen.
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