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Manchmal für immer

Soccer Mommy
Francis Of Delirium

Köln, Bumann & Sohn
05.09.2022

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Soccer Mommy
Unter all den aufstrebenden, jungen Indie-Queens ist Sophie "Soccer Mommy" Allison vielleicht so etwas wie das "Odd Girl Out". Denn anders als viele ihrer Kolleginnen (allen voran Phoebe Bridgers) hat sie nicht mit allen Mitteln den direkten Weg ins breite Licht der Öffentlichkeit gesucht, sondern sich immer besonders "Indie" gegeben. Ihr aktuelles Album "Sometimes, Forever" etwa spielte sie "totally rogue" abseits der üblichen Promo-Mechanismen ein und machte dieses lediglich über ihre Social-Media-Kanäle publik. Nicht, dass ihr das zum Nachteil gereicht hätte, denn inzwischen hat sich die Dame eine treue Fangemeinde erspielt, was zum Beispiel dazu führte, dass die Show im Kölner Bumann im Rahmen ihrer aktuellen Tour so gut besucht war, dass vorsorglich alle Barhocker aus dem Auditorium entfernt worden waren, um genügend Stauraum für die großteils jüngeren weiblichen Fans und ihren Anhang schaffen zu können.
Den Support machte mit Francis Of Delirium der derzeit heißeste Tip in Sachen Post-Punk-Grunge-Rock überhaupt. Dabei handelt es sich weder um eine Person noch um einen heiligen, sondern um das zur Zeit in Luxemburg residierende Band-Projekt der in Vancouver geborenen Songwriterin Jana Bahrich und des Drummers Chris Hewett aus Seattle, das bislang die Szene seit Juni 2020 mit einer Handvoll EPs aufgemischt hatte, aber Pandemie-bedingt noch nicht so richtig live hatte reüssieren können. Das soll sich in diesem Herbst mit einer großen Europa-Tour nun ändern. Auf den bislang veröffentlichten EPs demonstrieren Francis Of Delirium eine bemerkenswert breit angelegte Spannbreite an musikalischen Stilen - vom straighten Grunge-Rock über Post-Punk und Kaputnik-Rock bis hin zu versöhnlichen Dream-Pop-Ansätzen. Im Live-Kontext verdichtete sich das alles auf eine rabenschwarze Auslegung düster polternder, knochentrockener Post-Punk-Attacken, die jegliche Versöhnlichkeit vermissen ließen. Das liegt vor allen Dingen an der kompromisslosen Auslegung ihrer Kunst, die Jana Bahrich dazu nötigt, ihre politischen und sozialen Anliegen ohne Umschweife möglichst direkt auf den Punkt bringen zu müssen. "Quit Fucking Around" heißt einer der wutschnaubenden Signature-Tracks des Quartetts - und diesen nutzte Jana dann auch, das Publikum dazu zu nötigen, ihre Botschaft gleich eines Manifestes - wie eine Drohung - mitzugrölen. Wer nach der Show von Francis Of Delirium noch nicht wach war, dem war wahrlich nicht mehr zu helfen. Eine Anmerkung sei noch erlaubt: Normalerweise ist das Bumann & Sohn dafür bekannt, dass dort Bands auftreten, die nicht viel davon halten, im Licht der Öffentlichkeit zu stehen - und somit auf eine erkennbare Beleuchtung verzichten. In dem Fall waren aber - sowohl bei der Show von Francis Of Delirium, wie auch bei jener von Soccer Mommy - vier weiße Spotlights am Bühnenrand aufgebaut. Besonders malerisch sah das zwar auch nicht aus - es passte aber zu dem No-Nonsense-Ansatz, den Francis Of Delirium vorgelegt hatten.
Genauso konsequent, wie Sophie Allison ihren Weg als eigenwillige Indie-Künstlerin geht, so geht sie ihn auch als Musikerin. Jedes ihrer bisherigen offiziellen drei Alben setzt auf den Entwicklungen des jeweiligen Vorgängerwerkes auf und setzt dann noch mal gewaltig eins drauf. Im Vergleich zu dem letzten Album "Color Theory" - mit dem sich Sophie bereits vorsichtig vom ursprünglichen Schrammelpop-Roots absetzte - ist "Sometimes, Forever" eine Art schillernde Technicolor-Version geworden, mit der Sophie - sowohl kompositorisch wie auch musikalisch - ihrem Credo, gerne Pop-Musik machen zu möchten (natürlich zu ihren Bedingungen) entschieden Vortrieb leistete. Produktionstechnisch betreut von Daniel Lopatin wurde das Schrammelpop-Prinzip auf dem Album insofern auf ein ganz neues Level gehoben, als das die nach wie vor attraktiv gewählten Harmonien und Akkorde Sophies mit reichhaltigen, psychedelischen Effekten und Arrangements angereichert wurden, die den Songs eine bislang ungeahnte Grandezza verliehen. Kein Wunder also, dass auf der aktuellen Tour neben drei Gitarren auch noch ein umfangreiches Effekt- und Keyboard-Pandämonium zum Einsatz kam, um eben dieser Grandezza dann auch auf der Bühne gerecht werden zu können.

Als Plaudertasche, Comedienne oder Alleinunterhalterin hat sich die Performerin Sophie Allison ja eh noch nie gesehen - deswegen kam ihr das opulente Setting der aktuellen CD-Produktion sicherlich entgegen - das dann logischerweise außer auf die neuen Tracks auch auf ältere Titel wie "Circles In The Drain" oder "Crawling In My Skin" angewandt wurde. Insgesamt geriet die ganze Show dann auch druckvoller und rockiger, als das bei früheren Shows möglich war - auch weil sich Sophie, Julian Powell und Rodrigo Avendano (der in Personalunion auch noch als Keyboarder tätig war) die eng verzahnte Gitarrenarbeit effektiv untereinander aufteilten. Hinzu kommt, dass Sophie mit Songs wie dem Bass-orientierten Dream-Pop-Song "Shotgun" oder der psychedelischen Powerballade "With U" auch einige hypnotische Hits gelungen sind, die musikalisch weit über das übliche konfessionelle Bedroom-Geschrammel hinausreichen, für das Sophie ursprünglich mal bekannt wurde. Es muss Sophie aber auch hoch angerechnet werden, dass sie auch die eher seltsameren soundtechnischen Experimente der neuen Scheibe wie "Unholy Affection", "Darkness Forever" oder den Showgaze-Track "Newdemo" mit ins Live-Programm aufnahm und den todsicheren Grunge-Rocker "Don't Ask Me" für die Zugabe aufhob - auch wenn das zuweilen Fragezeichen im allgemeinen Flow hinterlassen haben mochte. Vor allen Dingen ging es aber ja wohl auch darum zu demonstrieren, wie sich Sophie Allison als Songwriterin weiter entwickelt hat - und das funktionierte dann auch entsprechend. Eine begnadete Sängerin ist Sophie auch noch nicht, machte aber den Umständen entsprechend das beste aus ihrer Aufgabe.

Viel reden tat Sophie - wie erwartet - auch nicht auf der Bühne, jedoch nahm sie sich die Zeit, darauf hinzuweisen, dass sie ihre Musik in physischer Form mitgebracht habe und erklärte ihren Stream-geprägten Anhängern, dass es vielleicht doch mal ganz reizvoll sein könne, einen greifbaren Tonträger in den Händen halten zu können. Tatsächlich waren dann nicht nur ihre drei LPs als Vinyl-Editions am Merch-Tisch zu erhalten, sondern "Sometimes, Forever" obendrein sogar als CD - was für einen amerikanischen Act heutzutage schon eine rechte Seltenheit ist, aber zeigt, dass Sophie die Mechanismen des Business durchaus zu ihren Gunsten auszulegen vermag - auch wenn sie sich selbst diesen gar nicht unterordnen möchte.

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Surfempfehlung:
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www.francisofdelirium.com
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Text: -Ullrich Maurer-
Foto: -Ullrich Maurer-

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