BACKSTAGE MIT: FLORIAN GLÄSSING
Wenige Tage vor dem Kölner Konzert traf Gaesteliste.de den Liwa Protegé vor der Show im Essener Grend.
Gaesteliste.de: Bisher bist du eher im Windschatten von Tom gefahren...
Glässing: "Das ist okay, denn das ist im Prinzip meine einzige Basis. Alle Kontakte, die ich habe, laufen über Tom, und die wenigen, die nicht über ihn gelaufen sind, verliefen im Sande, als sich Himmel [Florians alte Band] aufgelöst haben. Trotzdem bin ich froh, daß wir auf dieser Tour nun vom Bühnenbild und den Postern her zum ersten Mal gleichberechtigt nebeneinander stehen. Vielleicht wäre es ja jetzt Zeit für den Absprung? Allerdings muß ich zugeben, daß ich auf Tom immer noch extrem angewiesen bin."
Gaesteliste.de: Apropos Absprung: Wie groß war der Einschnitt durch die Auflösung von Himmel?
Glässing: "Ziemlich groß! Vielleicht gar nicht so vom Musikalischen, aber auf jeden Fall vom Persönlichen her. Ich hatte zwar schon immer das Gefühl, daß ich den größten Teil zu der Musik beigetragen habe, weil ich die Songs ja alleine für mich geschrieben habe. Aber es war halt eine richtige Band, in der wir auch die Arrangements gemeinsam gemacht haben, und deshalb war auch der Teil, der von Lars - dem zweiten Gitarristen, der dann ausgestiegen ist - kam, essentiell. Das hat den Songs noch mal etwas gegeben, das jetzt nicht mehr in meiner Musik ist. Ich habe danach auch ewig lange keine Songs mehr geschrieben. Ich habe - gerade auch in Berlin - probiert, mit anderen Leuten zusammenzuarbeiten, aber das kam nie an Himmel dran."
Gaesteliste.de: Wie wichtig sind deine - fast möchte man sagen - ständigen Ortswechsel für deine Musik?
Glässing: "Was in meinen Songs noch viel mehr drin ist als in denen von Tom ist diese - in Ermangelung eines besseres Wortes - Heimatlosigkeit. Ein Ort wie ein Zuhause gibt es im Moment für mich noch nicht, da gibt es ja auch den Song dazu. Das ist aber etwas, nach dem ich mich sehr sehne und was ich jetzt auch in die Hand nehmen muß. Ich denke nämlich schon, daß es für die Songs wichtig ist, daß man eine Basis hat, einen Ort, an dem deine Quellen sind. Darauf hat ja auch Tom immer sehr geachtet. Diese Verlorenheit und Entwurzelung steckt aber in der Musik ziemlich drin. Das ist wahrscheinlich ein ziemlich starker Motor für mich."
Gaesteliste.de: Wie müssen wir uns die Zusammenarbeit bei "Lopnor" vorstellen?
Glässing: "Einer hat den Song und den Text geschrieben, und damit war die Struktur klar. Ansonsten ist es bei uns selten so, daß wir irgendwelche Differenzen haben. Meistens begeistern uns die gleichen Ideen. Genau das macht auch unsere Zusammenarbeit aus - wir diskutieren sehr wenig darüber, wie etwas zu sein hat, wir spielen einfach zusammen, und dann wird sehr schnell klar, wann etwas so ist, wie es sein muß. Allerdings hat derjenige, der den Song geschrieben hat, dennoch das letzte Wort."
Gaesteliste.de: Während Tom ausschließlich speziell für diese Platte geschriebene Songs beisteuert, finden sich unter deinen Songs auch zwei alte Himmel-Stücke...
Glässing: "Es gab Stücke, die mir total wichtig waren, 'Ich mach Musik' zum Beispiel. Nicht zuletzt, weil sich in all den Jahren das, wovon der Song handelt, nicht verändert hat. Meine Einstellung zum Musikmachen ist immer noch die gleiche. Bei 'Fingerabdrücke' war es ähnlich - ich hatte davon eine Celloversion, die ich unbedingt mit auf der Platte haben wollte. Im Gegensatz zu Tom bin ich auch kein exorbitanter Songschreiber, ich brauche schon zwei Jahre, um Songs für eine Platte zu sammeln. Allerdings habe ich mich auch nie voll darauf konzentriert. Ich war wohl zu stolz oder vielleicht auch nicht mutig genug, mich in die Abhängigkeit zu begeben, mich nur auf die Musik zu beschränken. Das wollte ich einfach nicht, deshalb habe ich ja zum Beispiel auch weiter studiert. Ich habe auch lange Zeit damit verbracht, daß ich Abend für Abend da gesessen habe und einfach keinen Song schreiben konnte - es ging einfach nicht. Einige Songs auf 'Lopnor' handeln auch von der Schwierigkeit zu schreiben. Deshalb hat die Platte auch einen ganz eigenen Charakter. Wenn ich alleine Songs aufnehmen würde, klängen die auf jeden Fall ganz anders."
Gaesteliste.de: Würden die heute noch so klingen wie Himmel? Oder was wäre anders?
Glässing: "Es wäre auf jeden Fall lauter und in sich komplizierter. Das Niedliche wäre weg - und auch die Unschuld!"