NACHGEHAKT BEI: PRINCESS CHELSEA
GL.de: Du hast dein viertes Studioalbum "Everything Is Going To Be Alright" ja selber als "Nervous Breakdown"-Album bezeichnet. Welchen Hintergrund hat das denn?
Chelsea: Ich weiß auch nicht, was passiert ist, aber um die Zeit der Tour für das "Loneliest Girl"-Album hatte ich eine psychische Krise. Das war Ende 2018 und das dauerte fast zwei Jahre. Während dieser Zeit zog ich zurück zu meinen Eltern und hörte irgendwann auf, normal zu funktionieren.
GL.de: Das war also kein Witz mit dem "Breakdown"?
Chelsea: Nein, nein - ich war wirklich krank. Es war jetzt aber nicht so wild, weil jeder Mal Probleme dieser Art hat. Ich hatte aber eine Zeitlang aufgehört, Musik zu machen und musste nach zwei Jahren wieder neu dorthin finden.
GL.de: Wie spielte denn die Pandemie da hinein? Neuseeland war ja besonders stark von Abschottungen betroffen, richtig?
Chelsea: Ja, ich war eine ganze Weile im Lockdown - auch während der Aufnahmen. Ich lebe heutzutage auf einer Insel vor Auckland City. Wir hatten sogar noch einen Extra-Lockdown, weil man nur mit der Fähre auf die Insel kommen kann. Dieser Extra-Lockdown half mir aber sogar wieder in den Aufnahme-Modus zurückzufinden. Aber da ich sowieso normalerweise zu Hause in meinem Studio aufnehme, hat mich das weniger behindert als Musiker, die lieber mit anderen Leuten aufnehmen.
GL.de: Nun ist das aber doch so, dass "Everything" sogar wesentlich organischer geraten ist, als die letzten, doch stark E-Pop-lastigen Alben?
Chelsea: Ja - denn Ich wollte auf diesem Album mehr live aufnehmen. Zum Beispiel haben wir zwischen zwei Lockdowns den Track "The Forest" live eingespielt. Ich habe mir dann Leute eingeladen, mich zu besuchen und mir mir zu spielen, wenn das möglich war. Mein Ziel war es, auf eine organische Art mit einer interessanten Instrumentierung zum Wesentlichen vorzudringen.
GL.de: Wonach suchst du denn generell, wenn du einen Song schreibst? Was sind denn deine Inspirationsquellen?
Chelsea: Ich bin vor allen Dingen ein Musik-Fan. Ich habe mit 17 in einem Plattenladen gearbeitet und höre mir seitdem immer viel Musik an. Die unterschiedliche Musik, der ich im Laufe dieser Zeit ausgesetzt hat, inspiriert mich dann auch wieder, wenn ich Songs schreibe - entweder unbewusst oder sogar bewusst. Ich habe ja auch noch einen klassischen Background und habe Klavier gelernt - bin aber nicht an die Uni gegangen, weil ich keine Pianistin werden wollte. Eigentlich mache ich heute die Art von Musik, die ich auch gerne selber hören möchte. Ich liebe Melodien sehr und könnte mir gar nicht vorstellen, Songs ohne Melodien zu schreiben. Man muss sich an einen Song schließlich erinnern können. Und ich mag Pop-Songs sehr - finde aber, dass ich diese immer ein wenig verbiegen und verarbeiten muss, um damit zufrieden zu sein. Ich möchte aber auch nicht zu sehr darüber nachdenken.
GL.de: Der Titeltrack "Everything Is Going To Be Alright" ist ja gleich in zwei Versionen auf dem Album enthalten. Im ersten Teil geht es darum, dass jemand dir einreden möchte, dass alles schon wieder in Ordnung kommen wird - während du es im zweiten Teil dann selber zu glauben scheinst. Ist diese Interpretation richtig - und hat die LP somit dann eine kathartische Wirkung für dich gehabt?
Chelsea: Ja, da gibt es schon eine Art Geschichte, die ich mit der LP erzähle. Am Anfang fühlt man eine Art Spannung, dann geht es darum, sich mit dem Versagen des Nervenkostüms auseinanderzusetzen und am Ende gibt es denn auch eine Auflösung. Das hat mir schon geholfen: Ich fühle mich heute besser als früher - ohne deswegen dieselbe zu sein. Aber wer ist das schon? Ach ja: Dann gibt es auch noch Songs über ungesunde Beziehungsgeschichten. "Love Is More" scheint zum Beispiel ein fröhlicher Pop-Song zu sein - ist es aber eigentlich ja wirklich nun nicht - was viele gar nicht mitbekommen. Meine Freundin Freundin Jasmine aus der Band sagt immer: Jeder singt über die Liebe - aber niemand weiß, was es ist. Und selbst, wenn man das wüsste, hilft es ja am Ende nicht.
GL.de: Das Schöne an deinen Texten ist ja, dass du im Grunde genommen zugleich kleine persönliche Geschichten erzählst - aber oft universelle Themen und Konzepte behandelst - wie zum Beispiel eben die Liebe, die Zeit oder die Ewigkeit in "Forever Is A Charm".
Chelsea: Das ist aber eher ein Teil des Prozesses. Ich habe festgestellt, dass, wenn ich Texte für poppige Songs schreibe, diese sehr einfach sind - aber oft eine doppelte oder größere Bedeutung haben. Das wird oft aber einfach missverstanden, weil die Texte eben so einfach sind. Das hat mit dem zu tun, was ich lese oder sehe. Ich bewundere zwar Leute wie Bob Dylan, die alles wortreich ausformulieren können, aber ich mag es simpel. Ich muss nicht unbedingt alles ausbuchstabieren.
GL.de: Dazu passt ganz gut die Coverversion von David Lynchs "In Heaven" auf dem Album - denn das ist ja ein Song der auch auf das wirklich absolut Notwendigste verdichtet ist.
Chelsea: Deswegen gefällt er mir ja auch so gut. Als ich vor langer Zeit meine Coversammlung "Aftertouch" eingespielt habe, hatte ich schon mit dem Gedanken gespielt, den Song aufzunehmen - kam aber nicht dazu. Damals hatte ich auch zuerst nur die Version der Pixies gehört - und den Film "Eraserhead" noch gar nicht gesehen. Als ich den aber gesehen habe, fand ich die Szene in der der Song vorkommt sehr unheimlich. Der Song hat eine schöne Melodie - hat aber auch diese Spannung, über die man fühlt, dass trotz der tröstlichen Worte gar nichts in Ordnung ist. Das passte sehr gut zum Thema meiner Scheibe.
GL.de: Gibt es denn für die Zukunft bereits irgendwelche Pläne?
Chelsea: Nun, ich habe in der letzten Zeit Gefallen an Kollaborationen gefunden und möchte das verstärkt tun. Meine Alben bisher waren ja immer sehr insular - auf dem neuen Album habe ich aber festgestellt, dass mir die Zusammenarbeit mit anderen viel Spaß machte. Ich würde also gerne mehr Sachen machen, an denen auch andere beteiligt sind - es geht dann nur darum, die richtigen Leute zu finden. Und dann würde ich gerne mal Musik für ein Orchester schreiben. Ich glaube nämlich, dass ich das durchaus könnte. Ich müsste mich nur mal darauf konzentrieren und ein Orchester finden, das das dann auch spielt. Ich habe früher immer gedacht, dass man für sowas studieren müsste, aber heute glaube ich das nicht mehr. Ich müsste vielleicht einen Tutoren finden, der mir ein paar Tips geben könnte. Ich glaube nämlich, dass man gar nicht wirklich lernen kann, wie man Musik schreibt - das muss schon von dir selbst kommen.