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Konzert-Bericht
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No Country For Old Men
Lera Lynn
Köln, MTC 06.12.2022
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All jene, die nur deswegen nicht zu der ersten Show von Lera Lynns Deutschland-Tour gegangen waren, weil ihnen die aktuelle LP "Something More Than Love" nicht traditionalistisch genug gewesen sein mochte, sollten sich jetzt mal gehörig in den Popo beißen. Denn selbstverständlich hatten die Songwriterin aus Nashville und ihr Partner Todd Lombardo nicht ihr komplettes Konzept als sich intuitiv vertrauendes Live-Duo im klassischen Gitarren-Setting über Bord geworfen, nur weil Lera Lynn als Songwriterin, Instrumentalistin, Produzentin und nicht zuletzt Sängerin heutzutage Ambitionen erkennen lässt, die deutlich über das Verwalten des Gewohnten hinausreichen. Es ist ja auch nicht so, dass Lera ihre Songs so konzipiert, dass diese an ein bestimmtes Arrangement gebunden wären (wie das bei den Beatles der Fall war), sondern inzwischen eben in der Lage ist, brillantes Material zu verfassen, das jenseits irgendwelcher stilistischen Erwägungen und musikalischer Genres als solches existieren kann.
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Aber mal zur Kölner Show in der für Singer/Songwriter immer noch atypischen Spielstätte MTC. Lera und Todd trafen hier nämlich am Nikolaustag auf ein aufnahmebereites Publikum aus alten und neuen Fans, von denen etliche bereits bei ihrer letzten Show in Köln im Jahre 2018 zugegen gewesen waren. Seit ihrem letzten Besuch in der Domstadt, war aber viel passiert. So hatte Lera nämlich zwei neue Alben - weitestgehend im Alleingang - produziert. Eines davon "On My Own" zwar noch knapp vor der Pandemie, das aktuelle Werk "Something More Than Love" - aber erst unter dem Eindruck derselben, vor allen Dingen aber aber nach der Geburt ihres Sohnes Leo. Beide Alben konnten logischerweise bisher noch nicht live präsentiert werden. Das spielte zunächst aber mal gar keine Rolle, denn noch bevor Lera und Todd so richtig in die Show einsteigen konnten, gab es ein spontanes Geburtstagsständchen seitens des Publikums. "Mein Geburtstag war zwar gestern - aber ich feiere heute immer noch", schmunzelte Lera und fragte dann, "was singt ihr denn in Deutschland zum Geburtstag?" Woraufhin das Publikum dann auch noch mal die deutsche Version "Zum Geburtstag viel Glück" nachlegte - wovon sich Lera dann entsprechend entzückt zeigte. Kurzum: Die Show im MTC wurde dann zu einer Art Heimspiel für Lera, die demzufolge gleich versprach, im Sommer nächsten Jahres "mit 99%iger Sicherheit" mit ihrer Band nach Köln zurückzukommen.
Bis das soweit sein wird, bewegten sich Lera und Todd - wie bereits angedeutet - performerisch auf gewohntem Terrain: Lera an der Akustik-Gitarre und Todd an der elektrischen ergänzten sich im Folgenden mit ihrem unaufdringlich virtuosem Spiel, verzichteten auf dramatische Posen und Gesten und gingen so - mit wenig Aufwand, einigen Effektpedalen, einem Kickboard und einem zweiten Gesangsmikro mit Hall-Effekten - ganz in der Struktur der Songs auf. Diese allerdings stammten dann hauptsächlich von den letzten beiden Alben - ergänzt um die Tracks "Shape Shifter" und "Cut & Burn" von Leras "Resistor"-Album - mit dem Lera dereinst begonnen hatte, sich von ihrer Country- und Americana-Vergangenheit abzunabeln. Mit anderen Worten: Country für ältere Herren gab es dann auch tatsächlich nicht an diesem Abend.
Mal abgesehen von kleineren Startproblemen mit einer kleinen Rhythmus-Maschine (etwa bei dem Song "Are You Listening?") überzeugten sowohl Todd wie auch Lera selbst durch die virtuose Handhabung ihrer Instrumente und Effekte. Gerade auf der letzten Scheibe hatte Lera ja diverse Songs wie "Illusion", "Conflict Of Interest" oder den Jahrhundertsong "What Is This Body" geschrieben, die einerseits mit wunderschönen Melodien, aber auch mit ambitionierten Harmoniefolgen, Akkordwechseln und subtilen Zwischentönen geschrieben, die gewiss nicht so einfach und routiniert darzubieten sind, wie uns Todd und Lera das mit ihrer lässig-coolen Art weismachen wollten. Aber wie das bei guten Performern eben so ist: Man darf niemals die technische Fähigkeiten über den emotionalen Gehalt des Songs stellen.
Jedenfalls stellte sich an keiner Stelle des extrem kurzweilig strukturierten Sets der Eindruck ein, es fehle da im Vergleich zu den zuweilen ambitioniert ausgelebten Arrangements der Studioproduktionen (die die Traditionalisten ja offensichtlich verwirrt hatten) irgendetwas. Lediglich bei den wenigen Up-Tempo-Momenten - etwa bei dem Song "I'm Your Kamikaze" - mussten dann performerische Abstriche gemacht werden, denn es ging ja nicht darum, einen Bandsound zu emulieren, sondern das Material im gegeben Ambiente entsprechend authentisch auszuleben. Eine der für Lera neuen Entwicklungen auf dem letzten Album "Something More Than Love" war ja die gewesen, dass Lera - ungeachtet der zuweilen poppig angelegten Arrangements - eine gewisse jazzige Attitüde an den Tag gelegt hatte und in Songs wie "In A Moment", "Eye In The Sky" und auch dem (solo als Zugabe gegebenem) Titeltrack auch entsprechende Harmonien eingebaut hatte. Das kam natürlich einem Recken wie Todd Lombardo gut zu Pass, der mit seinem subtilen Spiel sehr gut die notwendigen Zwischentöne herauskitzeln konnte. Schade nur, dass Todd und Lera heutzutage nur noch selten in spontane Jam-Passagen verzweigen, wie sie das früher zuweilen getan hatten.
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Insgesamt war das aber eine wunderschöne Live-Performance, die sich gar nicht so sehr von dem unterschied, was Lera und Todd in der Vergangenheit auch schon gemacht hatten - was ausdrücklich kein Vorwurf sein soll, sondern eher ausweist, dass das Paar einen eigenständigen Stil entwickelt hat. Umso spannender wird dann zu beobachten sein, was Lera und Todd nächstes Jahr mit einer Band auf die Beine stellen werden. Eine Sache noch: Inzwischen hat Lera das "ö" von "Köln" bei den Begrüßungsfloskeln hinreichend akzeptabel drauf und sollte sich da von kichernden Fans nicht verunsichern lassen.
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Surfempfehlung:
www.leralynn.com
www.instagram.com/leralynn www.facebook.com/leralynn www.youtube.com/channel/UCfS3r8LG74YZ8-dMgldFs_A
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Text: -Ullrich Maurer- Foto: -Ullrich Maurer-
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