"Cosmic Folk" ist das Etikett, das die große Lucinda Williams einst dem norwegischen Ehepaar Mari und Tor Egil Kreken alias Darling West anheftete, und tatsächlich scheint beim Gastspiel der zwei im Rahmen der "Songwriter Lounge"-Konzertreihe im Grevenbroicher Kultus bisweilen der Geist von Gram Parsons und Emmylou Harris durch den Raum zu schweben, wenn das Duo facettenreich und erfreulich klischeefrei countryeske Singer/Songwriter-Traditionen mit unverhohlenem Pop-Appeal der Marke Fleetwood Mac vereint und so dem Publikum im vollbesetzten Saal diesen nasskalten Januar-Donnerstag mit einer feinen Melange aus Ehrlichkeit und Authentizität versüßt.
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Vor Jahresfrist standen Darling West noch in ungleich größeren Locations als Support ihrer norwegischen Landsleute Madrugada auf der Bühne, doch es sind gerade die kleinen Club-Konzerte, bei denen die Nähe zum Publikum für eine persönliche, oft geradezu intime Note sorgt, bei denen Darling West so richtig aufblühen. Das unterstreicht auch ihr Auftritt in Grevenbroich - und nicht nur, weil sie sich für "True Friends" unplugged unters Publikum mischen. Fünf Jahre nach ihrem letzten Gastspiel an gleicher Stelle haben Mari und Tor keine Mühe, das Publikum sofort für sich zu begeistern, und zeigen von Beginn an, dass man künstlerisch nicht unbedingt das Rad neu erfinden muss, um trotzdem besonders zu sein. Mit klassischem Americana-Besteck - zwei Stimmen, zwei Gitarren, vereinzelt ein Banjo oder eine Mundharmonika sind alles, was die sie brauchen - kreiert das Duo stimmungsvolle Songs, die klanglich irgendwo zwischen Los Angeles und Oslo zu Hause sind und immer wieder Brücken bauen von der sonnendurchfluteten Sorglosigkeit des amerikanischen Westcoast-Pop hin zu angenehm düster gestimmter nordischer Melancholie. Im Studio inzwischen mit Thomas Gallatin und Christer Slaaen zu viert unterwegs und klanglich bisweilen spürbar moderner ausgerichtet, verlassen sich die zwei an diesem ersten Abend ihrer noch bis Ende Januar laufenden Tournee durch Deutschland ganz auf klassische Werte.
Die Band hat das Ehepaar vor rund zehn Jahren gegründet, um mehr Zeit gemeinsam verbringen zu können, anstatt als Backingmusiker für andere Künstler getrennt voneinander auf Tournee zu gehen, und das Darling West für Mari und Tor nicht nur ein Job, sondern einfach ein Stück echtes Leben sind, merkt man auch der heiteren Gelassenheit der Performance an. Immer wieder singen die zwei einander zugewandt und ihre strahlenden Gesichter scheinen zu sagen, dass sie sich nichts Schöneres vorstellen können, als gemeinsam auf der Bühne zu stehen. Dazu passt auch, dass die Ansagen zwar einstudiert sind, aber ob ihrer beiläufigen Nonchalance nicht so wirken. So stellt Mari gleich nach dem ersten Lied lachend klar, dass sich die nicht selten von Verlust und Herzschmerz stammenden Lieder ihres Gatten wie etwa "Loneliness" aus dem 2018er-Album "While I Was Asleep" auf die Zeit beziehen, bevor sich die beiden kennengelernt haben, und dass sie deshalb darauf bedacht ist, mit betont positiv gestimmten Liedern wie "Hey There" (aus der vor drei Jahren mitten in die Pandemie hinein veröffentlichten LP "We'll Never Know Unless We Try") absichtlich Kontrapunkte setzt. "Wir ergänzen uns einfach gut", erklärt Tor lächelnd mit einem Schulterzucken, und das ist nicht geflunkert.
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Als "direkt, zärtlich und glaubhaft" haben die Kollegen der amerikanischen Genre-Bibel No Depression die Herangehensweise des Duos bereits treffend beschrieben, und das gilt auch für die verheißungsvollen neuen Songs des Ende März erscheinenden fünften Darling-West-Albums, "Cosmos", von denen die zwei in Grevenbroich mehr als ein halbes Dutzend auf ihrer Setlist stehen haben. Die neuen Stücke reflektieren mal mehr, mal weniger direkt die schwierigen Pandemiejahre, die Mari und Tor mit ihren "Family Sessions" und vielen feinen, betont geschmackssicheren Coverversionen zwar maximal kreativ überbrückt haben, die nun aber trotzdem hoffentlich hinter uns allen liegen. Dass sich Darling West von Rückschlägen aber nicht unterkriegen lassen, unterstreicht die Zugabe, bei der sie sich mit einem hell leuchtenden Hoffnungsschimmer verabschieden: "Light Ahead" heißt die letzte Nummer des Abends programmatisch und ganz ehrlich: Einen schöneren Schlusspunkt als diesen geradezu hymnisch anmutenden Pop-Ohrwurm hätte es für diesen feinen Auftritt nicht geben können!
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