NACHGEHAKT BEI: KATE BOLLINGER
GL.de: Kate, hast du denn auf deiner Europa-Tour jetzt auch in Frankreich gespielt und dort den Champagner probiert, der deinen Nachnamen trägt?
Kate: Ja, habe ich. Ich habe jetzt zum ersten Mal in Paris gespielt und dort auch den Champagner getrunken. Der schmeckt übrigens sehr gut.
GL.de: Was hast du denn alles so gemacht, seit wir uns 2019 das letzte Mal gesprochen haben?
Kate: Ich komme ja aus Richmond in Virginia. Dort gibt es nur eine relativ kleine Musikszene. Deswegen bin ich jetzt quer durch das Land umgezogen und lebe jetzt in L.A. Ich brauchte einfach mal einen Tapetenwechsel, denn ich war zuvor nicht besonders viel herumgekommen und habe Richmond kaum je verlassen. Ich werde aber irgendwann wieder dorthin zurückkehren, denn dort leben meine Familie und meine Freunde. Die Umgebung ist mir schon wichtig. Seit ich nach L.A. gezogen bin, habe ich mit einigen neuen Leuten Songs geschrieben - und diese werden nur dann gut, wenn die Umgebung sich natürlich anfühlt und sich eine gewisse Freundschaft entwickelt. Es ist schwer für mich, mit jemandem zu arbeiten, den ich nicht kenne und mit dem sich keine Chemie entwickelt.
GL.de: Du hast ja inzwischen neue Freunde gefunden, oder?
Kate: Ja - während der Pandemie habe ich mich noch in Richmond mit Matthew E. White angefreundet. Wir haben uns regelmäßig bei seinem kleinen Übungsraum getroffen und dann auf dem Dach zusammen musiziert und Songs geschrieben. Er hat mich dann auch in L.A. besucht und wir haben in einem kleinen Park zusammen Stücke geschrieben, die zu meinen Lieblings-Songs geworden sind. Wir haben auch die Streicher zu dem Song "Lady In The Darkest Hour" zusammen mit seinem Haus-Arrangeur Trey Pollard in Matts Spacebomb-Studio in Richmond aufgenommen.
GL.de: Zumindest deine letzte EP "See It Through The Light" ist ja während der Pandemie entstanden. Wieso klingt deine Musik eigentlich letztlich so lebensbejahend, während viele deiner Kolleg(innen) ja nachdenkliche oder sogar deprimierende Musik während der Pandemie machten? Betrachtest du Musik vielleicht als "Gegenmittel" gegen dystopische Zeiterscheinungen?
Kate: Ja, ich denke, das sehe ich ähnlich. Ich sehe Musik wie eine Fernseh-Serie, die ich mir anschaue, um alles um mich herum zu vergessen. Eine Prise Eskapismus ist sicher dabei. Ich schreibe in düsteren Zeiten eher lebensbejahende Musik. Aber ich mache das eigentlich nicht absichtlich - das passiert einfach so.
GL.de: Du hast uns ja schon mal erzählt, dass du viel mit der Intuition arbeitest. In deiner Bio steht ja, dass du eigentlich keine Veränderungen magst. Deine Musik verändert sich aber offensichtlich ständig. Hat das vielleicht auch mit der Intuition zu tun?
Kate: Oh ja. Es hat ja in den letzten Jahren trotzdem eine Menge Veränderungen für mich gegeben. Zum Beispiel bin ich ja quer durch das Land an die Westküste gezogen. Ich denke, in meinem Leben haben sich einige Veränderungen ergeben, die ich eigentlich vermeiden wollte. Es gibt aber keinen Masterplan. Es kommen halt alle meine Seiten langsam zum Vorschein. Ich würde heute sagen, dass ich Veränderungen mag - und gleichzeitig nicht mag.
GL.de: Woher kommen dann die Veränderungen in deiner Musik? Angefangen hast du ja mal mit Folksongs, dann kamen die Jazz-Sachen hinzu und heutzutage ist ja vom Chanson bis zum Indie-Rock scheinbar alles möglich. Kommt das durch die Zusammenarbeit mit deinen Musikern?
Kate: Auf jeden Fall. Meine Musik verändert sich mit meinen Musikern und mit den Leuten, mit denen ich Songs zusammen schreibe. Ich habe viel mit meinem Gitarristen John Trainum geschrieben, der auch viele meiner Songs produziert hat. Ich habe mir auch die "Get Back"-Serie von Peter Jackson angeschaut und war beeindruckt davon, wie viel die Beatles live aufgenommen haben - also als Band zusammen in einem Raum. Das will ich bei meiner nächsten Scheibe auf jeden Fall auch machen. Ich denke nämlich, dass zu viel von der heutigen Musik perfekt und poliert klingt und ich möchte, dass meine neue Scheibe vor allen Dingen natürlich klingt. Ich bevorzuge sogar meistens meine Demo-Versionen.
GL.de: Deine Musik scheint ja ständig in alle Richtungen zu wachsen. Ist das die Art von Musik, die du selber gerne hörst - oder spiegelt das nur dein Leben wider?
Kate: Ich denke, das begann als Reflexion des Lebens - aber ich liebe auch eine Art von Musik, die ein bisschen unwirklich und magisch erscheint und eine ganz eigene eigene Atmosphäre hat. Es kann ganz gut sein, einen Plan zu haben - man sollte aber auf jeden Fall für spontane Ideen und Stimmungen offen sein.
GL.de: Du meintest ja mal, dass deine Songs im Prinzip vertonte Tagebucheinträge seien. Es scheint aber, dass du inzwischen mehr Sinn für Poesie, Fantasy, Folklore, Metaphern und Traumszenarien entwickelt hast.
Kate: Na ja, ich schreibe schon noch auf diese Art. Einen meiner neuen Songs habe ich zum Beispiel beim Laufen in einem Park über die Umgebung geschrieben, in der ich mich befand - und es ist schon ein Stream-Of-Consciousness-Tagebuch-Eintrag. Aber ich verwende heutzutage mehr Metaphern und mehr Poesie, damit ich meine Karten nicht mehr für jedermann ersichtlich auf den Tisch legen muss.
GL.de: Welche Rolle spielen denn die allgegenwärtigen Krisenszenarien, die zur Zeit in Serie über uns hereinzubrechen scheinen?
GL.de: Die allgegenwärtigen Krisenszenarien sind im richtigen Leben ja schwer genug auszublenden. Was ich an der Musik mag, ist die Fähigkeit, dich aus diesen Stimmungen dann herauszureißen. Wenn diese Krisen-Dinge also sowieso jedem gewärtig sind, ist es doch ganz schön, wenn man mit der Musik ein wenig davon Abstand nehmen kann. Es gibt natürlich großartige Musiker, die sehr politisch sind und das ist auch gut so - meine Musik war aber noch nie politisch. Bei mir geht es immer um Eskapismus, Liebe und solche Sachen. Musik ist einfach die Weise, auf die ich mich am besten ausdrücken kann. Jedenfalls besser als mit Worten oder im Gespräch. Ich liebe es einfach, Dinge zu machen. Und wenn ich schon Dinge machen kann, dann sollen sie besser schön als düster sein.
GL.de: Kannst Du uns denn schon ein bisschen vom neuen Album erzählen?
Kate: Ja. Ich hatte schon länger diese Idee, dass ich zwar meine Fühler in alle möglichen Richtungen strecken wollte, dass ich aber etwas habe, was sich als roter Faden durch meine Musik zieht und es als mein Projekt erkennbar macht. Ich mag es, in verschiedenen Settings und Genres zu experimentieren - ob alleine, mit einem Freund oder der Band, ob draußen mit Vogelstimmen im Hintergrund oder im Studio. Das, was die Sache aus meiner Sicht dann zusammenhält ist das, was mir in der letzten Zeit widerfahren ist - der Umzug, die Aktualisierung meines Lebens und die neuen Leute, die ich getroffen habe - was sich dann in der Musik widerspiegelt. Den Namen des Albums kann ich dir noch nicht verraten, weil es auch noch ein Arbeitstitel ist - aber es wird auf jeden Fall ein Thema geben.
GL.de: Was machst du denn als Musikerin am Liebsten - und was findest du eher schwierig?
Kate: Ich liebe es zu reisen, andere Musiker und Songwriter zu treffen und live zu spielen. Das ist das Beste an meinem Job. Was nicht so schön ist, ist eine tolle Show hinlegen zu müssen, wenn man nicht so besonders gut drauf ist oder wenn etwas vorgefallen ist, was dem entgegen steht. Es ist nicht so schön, wenn der Druck da ist, sich auf der Bühne zu offenbaren und verletzlich zu zeigen, wenn man sich nicht gut fühlt. Aber nehme solche Herausforderungen auch an; denn wenn es zu solchen Situationen kommt, hilft mir das fast immer, dass mich nach einer solchen Show dann selber besser fühle.