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Freiheit mit Grenzen

Fenne Lily
Naima Bock

Köln, Jaki
02.05.2023

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Fenne Lily
Als Fenne Lily 2018 zum letzten Mal in Köln aufgespielt hatte, hieß der Club, in dem sie nun wieder auftrat, noch nicht Jaki, sondern Studio 672. Inzwischen wurde dieser umgebaut und fasst seither auch ein paar Leute mehr. Das war auch angebracht, denn eigentlich hatte Fenne im wesentlich größeren Stadtgarten aufspielen sollen - nicht zuletzt, weil die britische Indie-Queen mittlerweile auf einem guten Weg zu einem Indie-Ikonen-Status ist. Das musste kurzfristig umgeplant werden, weil der ursprünglich für das Jaki geplante Jazz-Act den hauseigenen Flügel benötigte, der vor Ort nicht in den Kellerclub transportiert werden kann. Das bedeutete: Es wurde dann muckelig warm im leicht überfüllten Jaki-Club. Erfreulich natürlich für Fenne Lily, die an diesem Abend ihren Tourabschluss in Deutschland feierte - weniger erfreulich für alle jene Fans, die es nicht geschafft hatten, sich unmittelbar vor der recht niedrigen Bühne des Jaki zu versammeln, denn Fennes Support - die charmante Naima Bock - spielt systembedingt im Sitzen und war deswegen für einen Großteil des Publikums nicht zu sehen.
Naima Bock begann ihre Laufbahn als Bassistin des Londoner Schrammelpop-Quartetts Goat Girl, wo sie als Naima Jelly ein Schattendasein fristete und wegen künstlerischer Unterforderung nach dem ersten Album dann auch ausstieg. Sicherlich erscheint das angesichts dessen, was sie seither präsentiert, durchaus angebracht. Auf ihrem ersten Solo-Longplayer "Giant Palm" empfahl sie sich jedenfalls als sanftmütige Songwriterin mit Hippie-Flair (was kein Vorwurf sein will), die sich eher von englischem Folk-Flair anregen ließ, als von Indie-Bilderstürmerei und dabei für jeden ihrer zehn Songs auch noch Wege fand, diese mit Harmonie-Gesängen, Elektronika, dezenten Bläserakzenten, Samba-Vignetten und im Falle eines "Instrumental" genannten Instrumentals mit einer Cocktail-Lounge-Jazz-Band dem Folk-Ruch gleich wieder zu entziehen. Für Jazz-Bands gab es natürlich an dieser Stelle keinen Raum. Naima präsentierte ihre - teils neuen - Songs nun solo, rein akustisch und ihre Gitarre wie eine Flamenco- oder Klassik-Künstlerin auf dem Schoß balancierend - was die Sitzhaltung bedingte. Ein klassisches Folk-Set kam dann trotzdem nicht dabei heraus. Zum einen ist Naima Bock keine klassische Storytellerin und zum anderen spielen der Klang und die Atmosphäre in ihrer Welt mindestens gleichberechtigte Rollen neben den Inhalten der Songs. Naima präsentierte ihre unkonventionell strukturierten - und teilweise dann auch offenen - Songs mit einer hypnotisch/psychedelischer Attitüde, oft mit geschlossenen Augen und stets mit entspannter Gelassenheit. Laute Töne braucht es dafür nicht - man musste sich als Zuhörer nur mit Naimas Flow synchronisieren, dann führt das zu einem kurzweiligen, entspannten Hörerlebnis. Dass da der eine oder andere Ton nicht an der richtigen Stelle saß, mag dann auch eher mit der etwas unglücklichen Platzierung des Bühnenmonitors zusammenhängen - aber die Bühne war auch mit dem Equipment von Fenne Lily gut zugestellt und da Naima am Bühnenrand platziert war, war da auch nicht mehr viel zu machen. Das passte dann auch alles ganz gut - denn so wie Naima sich heute präsentiert, hatte Fenne ja auch mal angefangen (wenngleich von Anfang an mit E-Gitarre).
Von diesen Anfängen ist heutzutage nicht mehr viel zu spüren. Das hängt auch damit zusammen, dass sich Fenne von Album zu Album musikalisch neu aufstellt. Überraschte bereits das Debüt "On Hold" mit einer im Vergleich zu den verträumten Anfängen konkreten Songsammlung, so probierte sich Fenne mit dem zweiten Album "Breach" auch an rockigen Sounds und entwickelte auf dem aktuellen Album "Big Picture" zusammen mit dem Produzentenmusiker Brad Cook ein neues Sounddesign, das musikalisch eine gewisse transzendente Note aufweist und spielte das Album erstmals mit den Bandmusikern ein, die sie auch auf der Bühne unterstützen. All das kam natürlich auf der aktuellen Tour zusammen. Da es Fenne inzwischen gelungen ist, die äußerst attraktive Zielgruppe der jungen Elevinnen, die ihr von Show zu Show nachreisen, zu aktivieren, ließ sie es sich nicht nehmen, ohne Punkt und Komma im lockeren, vertraulichen Plauderton auf das Publikum einzuwirken.

Das folgte dann alles keinem bestimmten Masterplan und verlief dementsprechend impulsiv und leicht chaotisch. Dazu muss aber noch gesagt werden, dass Fenne einräumte, sich auf der Tour erkältet zu haben und sich demzufolge auf andere Dinge konzentrieren musste, als etwa zwischen Stimmgerät und Mute-Pedal zu unterscheiden, da sie während des Konzertes festgestellt hatte, dass sie wieder durch beide Nasenlöcher atmen konnte. Das führte zu lustigen Situationen: Während Fenne etwa während des Intros zu dem Song "Alapathy" von der "Breach"-LP nach dem Sound ihrer Gitarre suchte, nachdem sie diese versehentlich ausgeschaltet hatte, verfiel die Band zwangsläufig in eine Art Krautrock-Rausch - bis Fenne das Soundproblem gelöst, ihre Gitarre gestimmt hatte und einsteigen konnte. Aber auch, wenn Fenne sich selbst nicht dergestalt parodierte, gab es einiges zu Schmunzeln. Etwa wenn sie erklärte, dass einer ihrer wohl traurigsten Tracks - "Henry" vom neuen Album - auf eine amüsante Tinder-Geschichte zurückzuführen sei und überhaupt nicht traurig sei. Oder dass sie einräumte, es für eine gute Idee gehalten habe, Beziehungsprobleme dadurch zu lösen, bei der betreffenden Person einzuziehen. Und wenn sie erklärte, dass sie die Aufrichtigkeit deutscher Fans zu schätzen wüsste, die sich auch mal trauten, ihr aufrichtig die Meinung zu geigen, anstatt aus Höflichkeit zu Lobhudeln. Dabei erzählte Fenne die Geschichte von einem Fan, der ihr erklärt habe, dass er ein Konzert nicht so schlecht gefunden habe, dass er gegangen wäre - aber auch nicht so gut, dass er wiederkommen würde. "Keine Ahnung, warum ich das gerade erzählt habe", murmelte sie im Anschluss dann. Dummerweise passte die Analogie dann aber auch ein bisschen zu der Show in Köln, denn diese gehörte zweifelsohne nicht zu den besten Shows, die Fenne je gespielt hatte. Das lag an einer relativ blassen Band, den angesprochenen technischen Problemen und einem schroffen, vermatschten Soundmix, in dem die melodischen Qualitäten der Kompositionen Fennes doch ziemlich untergingen.

Den Fans indes dürfte das nicht weiter aufgefallen sein, denn diese feierten ihre Heroin als gäbe es kein Morgen mehr. Sie bekamen ja auch einiges geboten: Intime Details der Musiker etwa (der Gitarrist hatte seinen Pass verloren, der Drummer spielte in kurzen Hosen und der Bassist spielte seine letzte Tour mit der Band) oder einen Gastslot von Naima Bock, die im letzten Drittel der Show Keyboards spielte (nachdem sie diese mit Fenne zunächst umprogrammieren musste) und am Ende der Show spielte Fenne als Zugabe als Publikumswunsch solo ihren ersten selbstgeschriebenen Song "Head To Toe" - den sie auf Tour bislang nicht gespielt hatte. Bevor sie das tat, erklärte sie jedoch zunächst mal ihr Publikumswunsch-Konzept: Sie werde alles spielen, sofern sie sich an die Worte und die Akkorde erinnern könne. Das sei dann Freiheit in gewissen Grenzen für sie - was sie sehr zu schätzen wisse, denn Freiheit ohne Grenzen führe schnell zum Chaos. Insgesamt war das dann ein versöhnliches Finale eines Konzertes, das aber unter optimaleren Bedingungen vielleicht noch eine Spur versöhnlicher hätte ausfallen können.

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Surfempfehlung:
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naimabock.bandcamp.com
Text: -Ullrich Maurer-
Foto: -Ullrich Maurer-

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Mehr über Fenne Lily:
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Mehr über Naima Bock:
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