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Wenn alles stimmt

Etepetete - Indie Music Festival

Dortmund, FZW
12.05.2023

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Wer keine Lust hat, bei der Suche nach neuen Künstlerinnen und Künstlern allein auf den Spotify-Algorithmus zu vertrauen, ist an diesem Abend im Dortmunder FZW goldrichtig. Beim Etepetete Indie Music Festival zeigt das bekanntermaßen geschmacksichere Team der Feinen Gesellschaft einmal mehr, wie leicht es sein kann, ein beeindruckendes Indoor-Festival auf die Beine zu stellen, wenn man die Bands mit dem Herzen und nicht mit dem Rechenschieber aussucht. Fünf Newcomeracts (der sechste, nothhingspecial, musste leider kurzfristig absagen), die allesamt Headliner der Herzen sind und bei allem Facettenreichtum dennoch bequem unter das Indierock-Banner passen, teilen sich an diesem Abend im fliegenden Wechsel die Bühnen im kleinen Club und der Bar des FZW und erfreuen sich nach drei Jahren pandemiebedingter Zwangspause in betont relaxter Atmosphäre auf Augenhöhe mit dem Festivalpublikum an einem Abend, der viele Highlights bereithält, aber ohne großes Brimborium auskommt: Die Spendenbox für Music Saves UA, die Hilfskampagne für Kriegs-Leidtragende der Musikindustrie in der Ukraine, die man auch schon mit dem Kauf von Supportertickets unterstützen konnte, ist praktisch schon das Extravaganteste.
Den Anfang macht - auch da dürfen andere Festival-Booker gern mal die Öhrchen spitzen - fast schon selbstverständlich die einzige Band mit einem Mann am Mikro: Peter The Human Boy aus Österreich verbreiten schon um kurz nach 20.00 Uhr beste Laune, wenn sie betont entspannt federleichten Dream-Pop auf soulige Grooves prallen lassen und ihnen die Freude am eigenen Tun bei jedem Ton ins Gesicht geschrieben steht. Dass sie nach einem Abstecher nach Süddeutschland tags zuvor die meisten ihrer Ansagen mit schwäbischem Akzent würzen, findet niemand lustiger als die Band selbst, aber offenbar wollen Peter Mathis und die Seinen nicht nur als hoffnungslos romantisch und melancholisch-gefühlsbetont gelten, sondern auch noch als liebenswert schrullig.

Eine deutlich kürzere Anreise hatten die Lokalmatadore Sloe Noon mit Sängerin und Gitarristin Anna Olive, die sich nicht nur über eine rappelvolle FZW-Bar, sondern auch noch über ein Geburtstagsständchen des Publikums für Bassist Dennis Mielke freuen dürfen. Ein weiterer Grund zur Freude: Nachdem ihr letzter Gig eine Woche zuvor nach nur drei Songs bei strömendem Regen buchstäblich ins Wasser gefallen war, konnte das Dortmunder Quartett mit Wurzeln in Brighton sein Set dieses Mal ohne Zwischenfälle zu Ende spielen, einige verheißungsvolle Weltpremieren inklusive. Ihre Texte zwischen Desillusionierung und träumerischem Weitblick vertonen Sloe Noon mit klassisch-effektbeladenem Shoegaze-Pop, der zwischen The Sundays und Wolf Alice alles abdeckt, was das Genre in den letzten 30 Jahren spannend gemacht hat und deshalb an diesem Abend Spätgeborenen und Resthaarträgern gleichermaßen ein Lächeln ins Gesicht zaubert.

Danach wurde es auch unten im Club richtig eng, und der Grund dafür ist Philine Sonny, die 45 Minuten lang keinen Zweifel daran ließ, warum sie derzeit all den anderen hiesigen Phoebe-Bridgers-Wannabes gleich mehrere Schritte voraus ist. Denn obwohl ihre Selbstfindungssongs zwischen Solo-Folk-Modus ("Weak Spot" spielt sie zur Mitte ihres Set allein und akustisch) und ohrwurmigem Indie-Rock-Wumms mit Band gar nicht so wahnsinnig außergewöhnlich sind, agiert die junge Musikerin auf der Bühne mit einer solch sagenhaften Lässigkeit, die nie unpassend oder aufgesetzt wirkt, dass es wirklich schwerfällt, bei diesem Auftritt nicht hin und weg zu sein, zumal die vielen unveröffentlichten Instant Favorites auf der Setlist unterstreichen, dass die letztjährige "Lose Yourself"-EP kaum mehr als der Auftakt für etwas ganz Großes war.

Passend zum Bandnamen treten Chillera danach in der Bar deutlich reservierter auf und drücken dem Khruangbin'schen Erfolgsmodell selbstbewusst ihren Stempel auf. Die drei jungen Frauen aus Odessa brauchen - außer einem verständlicherweise emotionalen Statement zur desolaten Lage in ihrer ukrainischen Heimat - keine Worte und sind mit ihren effektschwangeren, entschleunigten Instrumentals an der Schnittstelle von Surf-Rock, Dub-Rhythmen und Funk trotz einiger etwas zu sehr ausufernden Nummern die Entdeckung des Abends.
Die längste Anreise hatten derweil Sara Ammendolia und ihre Band Her Skin, die eigens den Weg aus Italien nach Dortmund angetreten hatte. Cat Power, Iron & Wine und Laura Marling leuchten im Hintergrund, wenn sie melancholische Texte und zerbrechliche Melodien mischt und dabei keine Probleme hat, mit leisen Solonummern genauso zu glänzen wie mit vor punkiger Energie sprühenden Nummern, bei denen ihre drei Mitstreiter auch in puncto Posing ihre Rockstar-Fantasien ausleben können, während Sara selbst amüsiert vor ihrem Pedalboard kniet. Die Zugaberufe am Ende kommen für sie überraschend, sind nach dem feinen Auftritt aber auch wirklich verdient, denn ganz ehrlich: Schöner und emotionaler hätte das Etepetete-Festival 2023 kaum enden können!

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Text: -Carsten Wohlfeld-
Fotos: -Carsten Wohlfeld-

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