"The Room" - das vierte Album der Berliner "Experimental-Pop-Band" Fenster erschien bereits im Jahre 2018 und die letzten Konzerte spielte das Quartett vor der Pandemie. Seither ist Fenster als Bandprojekt etwas auf den Backburner gerutscht - auch weil Jonathan Jarzyna a.k.a. John Moods mit seinen Solo-Projekten und der neu aufgenommenen Zusammenarbeit mit The Zenmen, Lucas Chantre als World Brain und JJ Weihl mit ihrem Projekt Discovery Zone mehr als gut ausgelastet waren. Nicht so ausgelastet indes, dass Fenster sich gelegentlich nicht zusammenfinden konnten, um neue Songs zu fabrizieren. Noch bevor also später im Jahr das neue Album erscheinen wird, ging das Quartett nun auf eine spontan anberaumte "Summer Tour", um eben dieses neue Material und einen bunten Querschnitt durch das bisherige Fenster-Oeuvre live antesten zu können.
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Das Interesse an der Wahlberliner Band schien aber über die Jahre - trotz der Pandemie und der Auszeit - nicht geschwunden zu sein, denn die Tour, die ohne großes Promo-Getöse initiiert worden war, war dann doch recht gut besucht. Beispielsweise musst für das ausverkaufte Berliner Konzert eine Zusatzshow anberaumt werden, um die Nachfrage befriedigen zu können und auch das Kölner Konzert im Bumann & Sohn war am Ende richtig schön voll. Obwohl das zunächst gar nicht so aussah. Während nämlich der Biergarten schon lange vor der Show bis auf den letzten Platz besetzt war, war der Club sozusagen entsprechend leer. Das lag aber zum Glück dann nicht daran, dass die Fans den lauschigen Sommer-Abend einem Konzertbesuch vorgezogen hätten (wie das leider allzuoft der Fall ist), sondern sich an dem extrem heißen Tag lieber im Biergarten auf das Konzert vorbeireiten wollten. Das war vielleicht gar nicht mal die beste Idee, weil im Club die Klimaanlage bereits eingeschaltet war - aber kurz bevor es losging, strömten dann praktisch alle Biergartenbesucher in den Club.
Die quirlige Zentralperson JJ Weihl begrüßte das Publikum - teilweise mit Ansagen auf akzeptablem Deutsch - und konnte es offensichtlich gar nicht erwarten, dass es endlich wieder losgehen sollte mit dem Fenster-Projekt. Tatsächlich wirkte sie dabei sogar gelöster und extrovertierter als bei Shows mit Discovery Zone, wo sie die Zuschauer schon mal mit Sprüchen wie "I won't talk much 'cause I'm shy" begrüßt. Das hat aber auch seinen Grund, denn bei Fenster geht es ja nicht um ein übergeordnetes künstlerisches Konzept oder gar Einzelkämpfertum, sondern um das muntere Miteinander... und den Instrumententausch; denn die Musiker wechselten munter zwischen Keyboards, Bass und Gitarren hin und her.
Optisch präsentierten sich Fenster dabei als psychedelisches Hippie-Outfit mit entsprechendem 70s Flair. Sowohl Jonathan wie auch Lucas sahen dabei aus wie Statisten aus einem entsprechenden Underground-Documentary. "Du weißt schon, dass du eine Sonnenbrille trägst?", fragte JJ Weihl, als sich Lucas darüber beklagte, dass es zu dunkel sei. Freilich hatte er damit schon recht. Wieder ein Mal war die Technik im Bumann der Meinung, dass die Musik dadurch besser wird, wenn man nicht sehen kann, wer auf der Bühne steht und nebelte die Band konsequent bei eh schon geringstmöglicher Grundbeleuchtung tüchtig mit Kunstnebel ein. Gerade in der letzten Zeit beklagen sich ja sogar zunehmend die Musiker über diese Praxis vor Ort - Fenster gehörten indes nicht zu dieser Kategorie.
Kommen wir aber mal zur Musik: Fenster gehörten ja von Beginn an zu jener Spezies von Künstlern, die das Unerwartbare erwartbar zu machen verstehen. Frei nach dem Anything Goes-Prinzip mischen Fenster Krautrock-, E-Pop-, New Wave-, Prog-, Weltmusik-, Lounge-Jazz-, Rock-, Indie-Pop-, Samples und Noise-Elemente aller Art - und zwar in jedem einzelnen Song und zuweilen auch noch mit geänderten Lead- und Instrumental-Parts, mal mit, mal ohne Vocals. Keiner der Fenster-Tracks - ob alt oder neu - ist dabei konsequent straight angelegt. Selbst dann nicht, wenn die Band mal richtig losrockt , sich im Disco-Grooves ergeht oder scheinbar improvisiert. Bestes Beispiel dafür ist der im Zugabenblock gegebene alte Gassenhauer "Memories" - im Grunde ein konventioneller, psychedelischer Gitarrenpop-Song, der aber am Ende in frickelige Prog-Verstiegenheiten und psychedelische Jam-Situationen ausfasert. Andere Tracks wie "Rhythm A", "HBW" oder der Titeltrack von dem Room-Album scheinen einfach aus mehreren Songfragmenten zu bestehen, die die Band geschickt aneinander gereiht hat. Und Fenster verstehen auch was von performerischer Dramatik. So überraschen die Musiker immer wieder mit Stop & Go-Momenten, falschen Enden oder Breaks an Stellen, wo nun wirklich niemand danach sucht. So gab es es an einer Stelle einen Moment, an der die Band ohne Grund ungefähr zwei Minuten regungslos inne hielt, bevor es dann weiterging.
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