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Konzert-Bericht
 
Lustige Abenteuer im Weserbergland

Orange Blossom VI Festival

Beverungen, Glitterhouse
17.05.2002/ 18.05.2002/ 19.05.2002

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Orange Blossom VI Festival - One Bar Town
"Schaut euch mal das Wetter an, so hat es letztes Jahr auch angefangen", meinte Reinhardt zur Begrüßung am sonnendurchfluteten Freitag-Abend zu den bereits zahlreich anwesenden Fans im Garten der neugetünchten Glitterhouse-Villa. Ein ehrfürchtiges Raunen ging durch die Reihen der Veteranen des letzten Jahres, die dieses a) überlebt hatten und b) dennoch wiedergekommen waren. Ja, das letzte Jahr hing mit seinen Verheißungen wie ein drohendes Damokles-Schwert über der ganzen Veranstaltung: Eisregen. Scharfer Wind von allen Seiten. Barbarische Kälte. Verzweifelte Fans im kniehohen Matsch - das war das Vermächtnis des OBS V. Doch zum Glück gab es davon in diesem Jahr nichts von alledem. Bis auf eine erträgliche Regenstrecke am Samstag Abend (die zudem im dunkeln stattfand, so daß es keiner sehen konnte), gab es schönstes Frühlingswetter (oder zumindest keine arktischen Eskapaden). Dafür war das Programm - von Rembert nach didaktischen Gesichtspunkten zusammengestellt - dieses Jahr erste Sahne.
Neben den Konzessionen an die Roots-Rock-Freunde in Form von John Dee Graham, Cary Hudson und den Yayhoos, gab es auch viele interessante und weniger bekannte Acts zu entdecken. ("Das ist ja schließlich kein Blue Rose Festival" - meinte Rembert zwischendurch süffisant zu diesem Thema). Zunächst mal ging es am Freitag abend los mit Smokestack Lightning aus Nürnberg. Das war nun mit Abstand die kurzweiligste Aufheizer-Band, die die Glitterhäusler bislang aufgetrieben hatten. Es gab feinste Tanzmucke mit Rockabilly, Twang und Schmackes, in deren Gewand mehr oder minder pikant ausgewählte Coverversionen dargeboten wurden. Wer hätte gedacht, daß man "Paradise City" (Guns'n'Roses) oder "Run For Your Life" (Beatles) schlüssig als Country-Rocker abfeiern könnte? Schade nur, daß die Jungs sich so ganz auf den Cover-Band-Act festgeschliffen hatten. Egal: Die Stimmung beim und nach dem Konzert war jedenfalls glänzend und es wurde auch ordentlich herumgetanzt. So kann man sich den Eröffnungsabend eines international renommierten Events, der zudem von Weltmarken wie Jack Wolfskin marketingtechnisch unterstützt wurde, durchaus gefallen lassen.

Der nächste Tag stand dann zunächst mal ganz im Zeichen der Nordlichter. Beim OBS ist es ja fast schon Tradition, skandinavisches Liedgut zu fördern. So durfte denn dieses Mal Kristofer Aström aus Schweden mit seinem Keyboarder und einem geklauten Sperrholzhund namens Clark (der bis zu vier Bierflaschen auf einmal halten konnte) das Festival offiziell einläuten. Die poppigen Folkballaden und balladesken Pop-Stücke des Mannes mit der einschmeichelnden Stimme lagen alle in derselben Preisklasse, taten niemandem weh und vergraulten auch keinen. So begann das Festival nahezu unmerklich. Danach gab's den ersten soliden Goodfeel-Act des Tages. Die dänisch-deutsche Konspiration mit Namen One Bar Town beinhaltete mit Stefan Kletezka (ex-Hitchin' Post) an der Gitarre einen alten OBS-Veteranen und mit twah!-Labelchef Kent Nielsen am Waschbrett und Gesang einen charismatischen Frontmann. Ihre schnörkellosen Country-Rock Schlager sorgten für die ersten Zuckungen in den Tanzbeinen und als sie schließlich Neil Diamonds "Solitary Man" spielten, sangen auch viele begeistert mit. Der Vollständigkeit halber sei noch angemerkt, daß One Bar Town KEINE Coverband sind, sondern vorwiegend eigene Stücke spielten und Kent dazu haarsträubend witzige Stories erzählte (z.B. die vom schweren Schicksal des Merchandise-Mannes Tim Lyng). Danach gab es eine Überraschung: Gemma Hayes aus Irland hat hierzulande noch keine Scheibe veröffentlicht, wird aber in England bereits als das "Next Big Thing" gehandelt. So was ist ja eigentlich beim OBS nicht Usus - wurde dann aber verständlich, als Gemma ihren Alternative-Folk anstimmte. Gemma erwischte aber ein unglückliches Entree. Dieses war erst das zweite Konzert, welches sie mit der Band bestritt und das führte zu einigen Problemen. Zum einen hatte man z.B. kaum genügend Material, um die zur Verfügung stehenden 60 Minuten auszufüllen (die Tour war als Promo-Veranstaltung der Plattenfirma konzipiert), zum anderen fehlten die bei OBS-Konzerten immer gern gesehenen Witzeleien mit dem Publikum (oder den Band-Mitgliedern) und zum anderen war Gemma Anfangs doch ziemlich arg nervös und introvertiert. So sang sie z.B. dauernd mit geschlossenen Augen und verriet auch ansonsten keine großartigen Entertainer-Qualitäten. Es sei jedoch von kundiger Seite versichert, daß Gemma im richtigen Leben richtig nett und sympathisch ist und zudem - auf konkrete Nachfrage - auch Besserung für die Zukunft gelobte (siehe Interview demnächst). Dennoch: Für die Rockfreunde im Publikum war das die erste Geduldsprobe. Es sollten noch weitere folgen - und das ist gar nicht negativ zu sehen. Denn Toleranz ist es ja, was das OBS-Publikum als solches definiert, nicht wahr? Thomas Hansen alias St. Thomas überzeugte dann mit seinem Gitarristen und seinen melancholischen, ruhigen und z.T. doch sehr herzergreifenden Songs, die so viele an Will Oldham oder Neil Young erinnern. Wenn man Thomas indes sehen konnte (insbesondere mit seiner neuen, so gar nicht mehr hippiehaften Skinhead-Frisur), fiel es schon gar nicht mehr so leicht, ihn in die o.a. Ecke zu drängen. Was ja auch nicht Not tat, denn Thomas war ohnehin souverän. Auch indem er das Konzert mit einer Cover-Version seiner Freunde von Ai Phoenix (den Headlinern des zweiten Tages) eröffnete. Das war Solidarnosc pur!

Die nächste Band war für viele sicherlich die Entdeckung des Festivals schlechthin. Die Isolation Years aus Schweden stellten sich einfach hin und spielten einen großartigen Song nach dem anderen. Zum Teil unterstützt von einem Saxophon-Spieler, ansonsten aber ohne jedweden Schnickschnack boten die Jungs schlicht erstklassige Qualität. So kann man auch die These widerlegen, daß auf Festivals unbekannte Bands generell einen schweren Stand haben. In diesem Falle waren sich aber alle einig: Die Isolation Years waren schlichtweg klasse. Dann aber konnte endlich auch wieder Edgar Heckmann aus der Haut fahren. Seine Yayhoos waren für viele Rockfreunde die erlösende Krönung des Tages. Eric Ambel, Dan Baird und ihre beiden Mitstreiter hauten aber auch dermaßen viele knackigen Rocksongs aus den Verstärken, daß man gar nicht wußte, wie einem geschah. Besonders Eric "Roscoe" Ambel, der Mann, von dem Steve Wynn behauptet, daß es niemandem gäbe, der sonst noch dermaßen mühelos gute Rock Riffs aus dem Ärmel schütteln kann, überraschte mit einer wahren Orgie von Stones-mäßigen Riffs, die zuweilen schon arg am Rande der Selbstparodie herumschlingerten. Egal: Es machte ja Spaß. Wer sich übrigens fragte, ob Dan Bairds dummer Hut wirklich sein mußte: Ja, mußte er - denn ansonsten wären ihm während des Spielens immer die Haare ins Gesicht gerutscht - so meinte er selbst zu diesem Thema. Es ist eben nicht alles so wie es scheint. Oder manchmal doch: Als die Yayhoos Abbas "Dancing Queen" spielten, waren Rembert und Edgar definitiv diejenigen, die am lautesten mitsangen. Mit dem Headliner des ersten Tages zeigte sich dann auch deutlich Remberts Geschick als behutsamer Erziehungsberechtiger. Es spielten nämlich Veranda Music aus Hamburg. Nicht nur eine von Reinhardts deutschen Lieblingsbands, sondern Lieblingsbands überhaupt - so betonte er das anläßlich der Ansage. (Und Reinhardt ist der Hohepriester der Church of The Band). Zwar regnete es jetzt tatsächlich fast so schön wie im Vorjahr, dennoch verließ niemand seinen Platz, als die Jungs loslegten. Dabei spielten die Verandas keine leichtbekömmliche Sauf- und Gröl Mucke - (es war dies ja auch nicht Rock am Ring), sondern bedienten das Publikum mit intelligent gemachten Pop-Rock-Songs in einer ganz eigenen Art. Die Songs boten mit ihren vielen unerwarteten Wendungen, melodischen Überraschungen und sonstigen Haken und Ösen besonders auch für Freunde unkonventioneller Musik etwas. Der enthusiastisch und auf höchstem Niveau agierende Drummer Christoph Köhler sorgte indes dafür, daß die Songs immer wieder auch Drive boten und nach vorne gepusht wurden. Veranda Music spielten also nicht bloß wegen ihres Namens auf der Veranda-artigen Bühne. Merkwürdigerweise zeitigte das bei den Roots-Rock-Freunden Zitate wie "ganz okay" oder "nichts besonderes". Da kann man mal sehen, wie unterschiedlich Musik wahrgenommen wird. Die Nacht klang dann irgendwie mit einem DJ-Duell Blue Rose gegen Glitterhouse aus. (Kann sich eigentlich jemand daran erinnern, wie das ausgegangen ist?)

Der zweite Tag begann dann inoffiziell mit einer offiziellen Stadtführung durch Beverungen. Mittlerweile - so Reinhardt - hat man auch dort erkannt, daß das OBS gut für's Geschäft ist und eben nicht bloß die örtlichen Töchter von langhaarigen Besoffenen entführt werden. Auf dem Festivalgelände war derweil schon wieder alles für die zweite Schicht vorbereitet. An dieser Stelle auch mal ein dickes Lob an das Glitterhouse Team. Was der normale Festivalbesucher stets nur als kartenabreißendes Wachpersonal wahrnimmt, entpuppt sich hinter den Kulissen nämlich als emsige Schar omnipotenter Heinzelmännchen und -fräuchen, die dafür Sorge tragen, daß dieses Festival zum definitiv reibungslosesten in unseren Breitengraden gerät. Da ist wirklich kein Wunsch primelhafter Musikanten, schnorrender Kostgänger wie unsereiner oder allzu euphorischer Fans (wenn es denn überhaupt so was gibt) zu absurd oder komplex, um nicht in Sekunden realisiert zu werden - das alles noch immer im Zeitplan und mit einem freundlichen Lächeln auf den Lippen (und nicht etwa der Frage nach dem richtigen Paß). So etwas gibt es ansonsten wirklich nirgendwo! Was dann kam, mußte man indes gesehen haben, um es glauben zu können. Es war dies nämlich eine Nachwuchscombo aus dem kölnischen namens Locas In Love. Die Band spielte eine Art Americana-Versatz mit deutschen Texten - ein bißerl wie die frühen Fink, aber längst nicht so kopflastig. Das war es aber nicht, was die Festivalgäste in Begeisterung ausbrechen ließ. Vielmehr waren dies die frechen Sprüche von Frontmann Björn, der sich damit zwar einen Verweis von Reinhardt einhandelte ("Denen wird das Taschengeld gekürzt"), aber sicherlich auch die Hochachtung des Publikums. "Der nächste Song handelt vom Älterwerden - ist also für viele von euch interessant", war zum Beispiel eines der Bonmots das zum lauthalsen Lachen anregte. Daneben muß aber auch artig erwähnt werden, daß die eigenen (deutschen) von Björn im Wechsel mit Bassistin Stephanie vorgetragenen Songs sehr gelungen waren und auch wohldosierte (englische) Coverversionen wie z.B. Lou Reeds "Sweet Jane" durchaus überzeugten. Locas In Love - ein Name den man sich wird merken müssen. Nur soviel: Die Band verkaufte nicht einen oder ein paar, sondern ALLE mitgebrachten Tonträger! (Mehr später auf diesem Kanal). Dann endlich gab es den von vielen heiß ersehnten Auftritt von Johnny Dowd und seiner Band. Zwar mochte man zunächst mal Zweifel hegen, ob jemand mit dermaßen - sagen wir mal kontroversen Themen - um diese Uhrzeit gut aufgehoben war - die verflogen jedoch, als Johnny - bestens aufgelegt - eine Schote nach der anderen riß. "Ist mein Hosenstall offen?" fragte er unschuldig, als er wieder mal einen seiner Knaller losgelassen hatte ("Ihr hört jetzt die legendäre soundso Rhythmus-Maschine. Ohne diese Rhythmus-Maschine gäbe es keine Musik in Frankreich"). Bemerkenswert in diesem Zusammenhang ja eigentlich nur, daß die Musik von Johnny alles andere als witzig ist und die Themen ja auch eher morbide geraten sind. So einen Spagat aus Lachen und Weinen läßt man sich indes gerne gefallen. Dazu sang die liebreizende Kim Sherwood-Caso erwartetermaßen kontrapunktorisch (aber nicht kontraproduktiv), überraschte der Drummer, indem er neben dem Schlagwerk gleichzeitig auch noch Baßpedal und Keyboards bediente und der Gitarrist (der sich extra zum Konzert noch eine frische Unterhose angezogen hatte) nicht nur, indem er seine Gitarre mit einem Schraubenzieher bearbeitete, sondern auch dadurch, daß er den Zahnstocher, den er den ganzen Tag im Mundwinkel hängen hatte, auch beim Essen nicht herausnahm. Alles in allem war das eine wahrlich bewegende, beeindruckende Performance. Schöner hätte das auch nicht sein können, wenn Captain Beefheart mal in der Muppet Show aufgetreten wäre.

Nachdem man dann emotional, mental und lateral richtig schön aufgeputscht war, konnte man sich beim nächsten Act wieder gepflegt beruhigen. Pleasant Grove aus Texas spielten nämlich eine vergleichsweise entspannte Version moderner alt.country@dot.com (oder wie immer das heißen mag). Was nun nicht bedeuten soll, daß die Musik etwa kraftlos daherkam - nein, nur eben mit Überlegung und Verstand. Da gab's dann auch mal Haken und Ösen zum Nachdenken drin. "Es ist unfair, uns zu fragen, wer denn unsere Lieblingsband ist", meinte Rembert zur Ansage, "aber diese Jungs sind zweifelsohne unsere Pets." Bret Egners Haare waren jedenfalls echt und keine Perücke. Als Überraschungsgast kam dann noch Martin Wenk von Calexico mit seiner Trompete bei einem Stück hinzu. Sowas gibt's auch nur beim OBS! Wie Pleasant Grove wurde auch John Dee Graham weiland so richtig in Austin beim SXSW Festival entdeckt. Seit Jahren schon erzählten die Glitterhäusler und Edgar immer mit Tränen in den Augen von des Mannes toller Bühnenpräsenz und seinen prächtigen Live Shows. Solch eine gab's dann auch beim OBS VI. "It's A Big Sweet Life" war ja nicht nur der Titel eines Graham Songs, sondern auch des ganzen Festivals. Und so ließ es Big John sich denn auch nicht nehmen, den besagten Titel zusammen mit seiner Band, den Enemies Of Progress und dem Publikum, das den Refrain kreuz und quer durchs Weserbergland grölte, geradezu zu zelebrieren. Auch wenn er danach meinte, jetzt wieder etwas düstereres spielen zu müssen. "We have to do this, because it offsets my balance," war sein Kommentar hierzu. So richtig düster war Johns Show indes dann doch nicht. Vielmehr gab es einige schöne Southern Rock-Momente - unisono von John und Michael Hartwick ("The angriest man in the Western World") an der elektrischen Dobro dargeboten. Auch das Stück "One Moment To Another", welches John vor 10 Jahren für Patty Smith geschrieben hatte, wurde vorgetragen. Wer nun dachte, daß man sich beim folgenden Konzert der Friends Of Dean Martinez entspannt zurücklegen könnte, hatte nur bedingt recht. Denn Bill Elm und seine beiden Mitstreiter machten das, was ihnen vielleicht an Baßvolumen oder Speed abgehen mochte, durch Energie und Lautstärke wieder weg. "Vermißt ihr nicht den Regen vom letzten Jahr?" fragte Elm verschmitzt, bevor er in die Saiten griff. Bill hatte einen gewaltigen Kasten mit allerlei wunderlichen Effektgeräten neben sich aufgebaut und trieb seine Pedal-Steel Gitarre mittels Fuzz-Box, Overdrive, E-Bow, Reverb, Tremolo und allem was sich nicht wehrte, in wahrhaft überirdische Sphären. Und wie gesagt: Laut war's.

Das änderte sich auch nicht, als John Dee Graham und Martin Hardwick noch mal auf die Bühne zurückkehrten und die eh geplante Zugabe "Like A Hurricane" wieder zu einem jener wehmütigen Momente werden ließ, an den sich die Fans noch Jahre später gerne zurück erinnern werden. (Und sei es auch nur deswegen, weil auf diese Weise Neil Young auch beim diesjährigen OBS wieder gehuldigt werden konnte). Cary Hudson, der nächste Act, ist ein dermaßen charmanter, unauffälliger und zurückhaltender Mensch, daß er bei jedem anderen Festival aufgrund dieser Eigenschaften nicht mal bis zur Bühne gekommen wäre. Beim OBS lief er indes zu Höchstform auf. Unterstützt von seiner mittlerweile eingespielten Band Ted Gainey und Justin Showah legte er ein bemerkenswert unprätentiöses und schlüssiges Set hin. Als eines der ersten Stücke spielte er z.B. den Blind Willie Johnson Klassiker "God Don't Never Change" - und der klang wie eines von Carys eigenen Stücken - oder aber umgekehrt. Der Mann geht dermaßen in seiner Musik auf, daß man ihm gerne nachsieht, die Musik nicht neu erfinden zu wollen. Da machte es auch nichts, daß sein Fußpedal den Geist aufgab (ansonsten bei Blues-Musikern eine Katastrophe). Noch bevor der wackere John Parker (oder Mocoyaya, wie der Stage Manager an diesem Tag hieß) das Gerät wieder ans Laufen gebracht hatte, hatte Hudson aus dieser Not eine Tugend gemacht und ein paar knackige Rocksongs eingeschoben. Wenn alle Gitarrengötter ansonsten so auf dem Boden blieben wie Cary Hudson, wäre dies einfach eine bessere Welt!

Als krönenden Abschluß des Festivals gab's dann wieder eine erzieherische Maßnahme. Anstatt einfach wieder Neal Casal oder die Walkabouts zu bemühen, hatten die Glitterhäusler diesen Spot für einen ihrer neuesten Acts reserviert. Es handelte sich hierbei um eine norwegische Neo-Hippie-Kommune namens Ai Phoenix (siehe auch wunderliches Interview). Es ist ja unbestreitbar so, daß Skandinavier - und insbesondere Norweger - auf einer ganz anderen Wellenlänge funktionieren, als unsereiner. Nicht auf einer schlechten Art, wohlgemerkt, nur eben anders. Insofern standen denn bei Ai Phoenix weder der ultimative Rock-Riff, noch die Wahnsinns Bühnenpower, noch der technisch versierte Vortrag im Vordergrund. Nein - bei Ai Phoenix ging es eher um Friede, Freude und Blumengirlanden. Letztere hatte Sängerin Mona im Vorfeld strategisch auf der Bühne plaziert und erst da fragte man sich, wo denn die Wohnzimmereinrichtung der Vorjahre hingekommen sein mochte. Egal: Die Musik von Ai Phoenix kommt unspektakulär und leise daher (bis auf den Baß - der war unsinnig laut). Zu wellenartigen, melodiösen Konstrukten singt Mona - und zuweilen auch Gitarrist Patrick Lundberg - von Vögelchen, verwunschenen Schlössern und sonstigem romantischen Zeugs. Für die einen war's die vielleicht längste Ballade der Welt ("Keine Höhepunkte" war das fachmännische Urteil eines strammen Blue Rose Freundes), für die anderen indes der versöhnliche Abschluß eines an Höhepunkten reichen Festivals - zu denen nach neuer Zeitrechnung auch Ai Phoenix gehörten - und sei es auch nur deshalb, weil sie sich den Erwartungshaltungen verweigerten und vergleichsweise cool ihr Ding durchzogen. Unter dem Strich kann man sagen, daß der mutige Schritt, das Ereignis von der reinen Rockmucke bis fast in esoterische Gefilde hin zu streuen, ein an Weisheit kaum noch zu überbietender Entschluß gewesen ist. Denn so gab es sowohl etwas für die hartgesottenen Fans wie auch zum Beispiel für die jüngeren Leute im Publikum (die langsam ja auch zu einem festen Bestandteil werden - schon alleine deswegen, weil sie langsam älter werden). Da kann man nur ausrufen: Weiter so und bis nächstes Jahr.

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Text: -Ullrich Maurer-
Foto: -Ullrich Maurer-


 
 

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