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Ursprünglich, aber facettenreich

Signe Marie Rustad

Grevenbroich, Kultus
29.02.2024

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Signe Marie Rustad
Groß geworden ist Signe Marie Rustad mit der Art von melancholisch gefärbten Noricana-Klängen, die seit vielen Jahren in ihrer norwegischen Heimat prächtig gedeihen. Spätestens mit ihrem im vergangenen Jahr veröffentlichten Album "Particles Of Faith" hat sie aber ihr klangliches Spektrum spürbar verbreitert und um sanft psychedelisch umspülten Westcoast-Pop und sogar ein paar Ausflüge auf Dream-Pop-Terrain ergänzt. Das Etikett "Singer/Songwriterin" passt allerdings weiterhin, denn auch wenn sich ihr Sound weiterentwickelt hat, liegt der Fokus immer noch auf evokativen Storytelling-Songs und ihrer kristallklaren Stimme. Das unterstreicht Rustad auch bei ihrem feinen Gastspiel im Grevenbroicher Kultus, mit dem sie ein Stück weit zu ihren Ursprüngen zurückkehrt.
Der Auftritt am Niederrhein im bis auf den letzten Stuhl besetzten Kultus ist nicht der einzige Grund, warum sich Signe Marie Rustad an diesem Donnerstag Ende Februar freuen darf. Just an diesem Tag wurde nämlich auch bekanntgegeben, dass ihr aktuelles viertes Album für den Spellemann, das norwegische Pendant zum Grammy, nominiert worden ist, folgerichtig in der Kategorie "Alternative Pop/Rock", nachdem sie den Preis 2019 noch als beste Texterin für ihr treffend "When Words Flew Freely" betiteltes Breakthrough-Album gewonnen hatte. "Eine solche Art der Wertschätzung ist immer schön, aber das ist nicht der Grund, warum ich Musik mache", erklärt sie dem Grevenbroicher Publikum und unterstreicht dann in den folgenden zwei Stunden (eine kleine Pause inklusive) eindrucksvoll, dass die Musik tatsächlich eine Herzensangelegenheit für sie ist.

Die Fröhlichkeit, die sie bei ihrem Tun an den Tag legt, wirkt geradezu ansteckend, zumal sie sich zwischen den Songs ausgiebig Zeit nimmt, aus dem Nähkästchen zu plaudern, und sich bisweilen am Ende ihrer langen Monologe genötigt sieht, sich beim Publikum lachend zu entschuldigen: "Wenn ihr gedacht habt, dass ihr zu einem Konzert gekommen seid - es ist eher ein nie endender Vortrag!" Über ihre ersten Reisen auf der Autobahn lässt sie sich ebenso genüsslich aus über wie ihre fehlenden Deutschkenntnisse ("Ich habe Angst" ist der einzige Satz, die sie kennt, aber der will an diesem Abend so gar nicht passen), und am Ende gibt sie sogar freimütig zu, ein Lied namens "Mexican Standoff" geschrieben zu haben, aber erst später realisiert zu haben, dass sie in ihrem Text eher ein Duell als ein mexikanisches Patt beschrieben hat.

Obwohl Rustad das Konzert in Grevenbroich in der kleinstmöglichen Bandbesetzung als Duo gemeinsam mit Sander Eriksen Nordahl an Stromgitarre und Harmoniegesang bestreitet, ist ihre musikalische Weiterentwicklung auch hier spürbar, denn zu zeitlos schönen Laurel-Canyon-Folk-Pop-Einflüssen gesellt sich an diesem Abend bei vielen Songs das Echo von Tori Amos, Fiona Apple, R.E.M. oder Crowded House. Überhaupt ist der Auftritt trotz der kleinen Besetzung erfreulich facettenreich. Scheint ihr beim ätherischen "I Loved You From Before" noch Joni Mitchell über die Schulter zu schauen, wird aus dem auf dem Album als zeitgeistige Indie-Pop-Nummer produzierten "Bark Up Someone Else's Tree" dank Nordahls famoser Gitarrenbegleitung ein zu Herzen gehender Leisetreter mit dezentem Country-Vibe, während beim von Robert Plants "29 Palms" inspirierten "The Truth" oder bei "Oh Brother" das Tempo auch mal etwas anzieht - mit letzterem Song kommt Rustad dem Wunsch ihrer vor mehr als 40 Jahren aus Colorado in die norwegische Pampa auswanderten Mutter, sich doch mal ein wenig mehr dem Rock'n'Roll zu widmen, so nahe wie sonst bei keiner anderen Nummer.
Das heimliche Highlight ist trotzdem der einzige Song, der gar nicht auf der Setlist steht. Dass in der Pause das Gespräch auf den verlorenen Bob-Dylan-Klassiker "Changing Of The Guard" kommt, den Rustad vor einigen Jahren in einer fabelhaften Version mit ihrer fünfköpfigen Band bei einem vom norwegischen Fernsehen mitgeschnittenen Konzert gecovert hatte, nimmt sie zum Anlass, sich die lange nicht gespielte Nummer innerhalb weniger Minuten wieder in Erinnerung zu rufen und damit die zweite Hälfte zu beginnen - ganz im Geiste Bruce Springsteens, der ja auch des Öfteren ungeprobte Lieder auf Zuruf spielt, wie sie einleitend erklärt. Sie bittet zwar vorsorglich um Nachsicht, falls ihr Versuch schiefgeht, aber am Ende gelingt ihr der Song absolut perfekt - sogar die subtilen Idiosynkrasien ihres Bandarrangements überträgt sie mit leichter Hand auf ihre hinreißende Soloperformance und singt die neun langen Strophen (ohne Refrain!), als gäbe es keine leichtere Aufgabe für sie. Dass sie gleich anschließend ihren Partner-in-crime bittet, für einen Song das Mikro zu übernehmen, quittiert Nordahl mit einem leicht entsetzten "Aber doch nicht ausgerechnet jetzt!", hat dann aber keine Mühe, mit "I Couldn’t Say It To Your Face" des viel zu wenig bekannten und tragisch früh verstorbenen Tausendsassas Arthur Russell an viele der Tugenden anzuknüpfen, die auch den Rest des Auftritts der zwei besonders gemacht hatten.

Als der Abend dann mit dem Titelstück des "Particles Of Faith"-Albums als einziger Zugabe zu Ende geht, hätten viele im Saal gerne noch mehr gehört, aber bekanntlich soll man gehen, wenn's am schönsten ist.

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Text: -Carsten Wohlfeld-
Foto: -Carsten Wohlfeld-

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