Die erste Veränderung ist schon vor dem Konzert sichtbar: Nicht nur, dass es tatsächlich eine Setlist gibt - und nicht wie sonst nur einen gigantisch großen Zettel, auf dem Begemanns Gesamtwerk als Inspirationsquelle für die spontane Songauswahl verzeichnet ist -, auch mit der Auswahl der Lieder verschiebt der inzwischen 61-jährige Singer/Songwriter und Entertainer den Fokus. Die Songs, die in den letzten Jahrzehnten das Rückgrat seiner Shows gebildet hatten, rücken ein Stück weit in den Hintergrund, dafür sind einige selten gespielte Stücke von Begemanns 80er-Jahre-Band Die Antwort im Programm und natürlich die Lieder des just veröffentlichten neuen Albums. Dass am Ende trotzdem niemand "Oh, St. Pauli" oder das eigentlich unausweichliche "Fernsehen mit deiner Schwester" vermisst, unterstreicht, wie überzeugend Begemann und Co.an diesem Abend sind. Das liegt nicht zuletzt an Schlagzeuger Achim Erz, Bassist Ben Schadow und Keyboarder Kai Dorenkamp alias Die Befreiung.

Die Unterstützung seiner Mitstreiter scheint Begemann mit der Bestätigung zu versorgen, die er in jüngster Vergangenheit bisweilen etwas zu offensichtlich vom Publikum eingefordert hatte und gibt ihm außerdem immer dann, wenn ihm die Puste oder die Ideen ausgehen, die Möglichkeit, sich im Stile eines Jazzers in die hinterste Bühnenecke zurückzuziehen und das Spotlight auf die beachtlichen Fähigkeiten seiner drei Musiker zu richten. Abgesehen von einem ausufernden, dabei aber wirklich unterhaltsamen "Eigentlich wollte ich nicht nach Hannover" liegt der Schwerpunkt an diesem Abend auf der Musik anstatt auf Klamauk. Das ist, trotz der Freude über die Momente, wenn sich Begemann vor versammelter Menge um Kopf und Kragen redet, etwas Gutes, wenn Songs aus der zweiten Reihe wie "Wer hätte das gedacht?", "Warum kommst du nicht zu mir rüber?" oder "Es ist so wie du sagst" besonders herausstechen und auch die auf dem neuen Album bisweilen etwas artifiziell klingenden Power-Pop-Nummern - "Ich muss berührt werden" oder "(Der weltweit führende Experte) für Patrizia Dombrowski" - angeschoben von ordentlich ROCK-Wucht der Befreiung besonders hell erstrahlen. Amüsant am Rande: In der zweiten Hälfte beweist Begemann, dass er doch nicht ganz aus seiner Haut kann, und würfelt mehrfach die doch eigentlich sorgsam ausgeklügelte Setlist durcheinander, sodass es bisweilen etwas dauert, bis alle auf der Bühne den gleichen Song spielen...

Dass Begemann an diesem Abend in der für ihn vergleichsweise kurzen Auftrittszeit von 140 Nettominuten vor allem das tut, was ihn glücklich macht, unterstreicht nicht nur die Tatsache, dass er auf die sonst eigentlich unausweichliche Frage nach Publikumswünschen vollkommen verzichtet, sondern auch, dass bei der Zugabe auf eigene Stücke rar sind und er lieber testet, durch wie viele Coverversionen von Songs der 50s und 60s ihm seine Band spontan folgen kann. Und was sollen wir sagen? "At The Hop", "Tainted Love" und "Twist And Shout" können sie!