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Konzert-Bericht
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Sauna-Rock
Chastity Belt
Meagre Martin
Köln, Bumann & Sohn 03.06.2024
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Mag ja sein, dass da irgendwelche Zoll-Regularien dran schuld waren - aber dass Chastity Belt auf ihrer ersten Europa-Tour seit Äonen das Merch zu absoluten Rockstar-Preisen anboten (CDs 20 €, LPs 35 €, T-Shirts 30 €+), war dann doch irgendwie ein Downer - zumal die angebotene Auslegeware auch hierzulande im Einzelhandel deutlich günstiger zu haben ist. Sei es drum: Alle, die eher deswegen gekommen waren, um zu checken, ob sich die Band aus dem Staate Washington auch in Bezug auf die Bühnenpräsentation so konsequent weiter entwickelt hätte, wie sie das auf ihrer brillanten aktuellen LP "Live Love Love" in musikalischer Hinsicht getan hat, kamen dann schon auf ihre Kosten.
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Bevor Julia Shapiro und ihre Mitstreiterinnen die Bühne des Bumann & Sohn betraten, konnten die Wahlberlinerin Sarah Martin mit ihrem Projekt Meagre Martin den gegenwärtigen Stand ihre musikalischen Entwicklung dokumentieren. Debütierte Martin auf dem letztjährigen Pop-Kultur-Festival noch mit akustischer Gitarre, Americana-Elementen und einem klassischen Singer/Songwriter-Ansatz, so hat sich das Projekt spätestens mit der Veröffentlichung des Debüt-Albums "Gut Punch" Ende letzten Jahres neu aufgestellt und präsentiert sich heutzutage als New Wave- und College-Pop-Ensemble mit klassischem 90s Sound und heutzutage - zumindest auf der Bühne - ohne akustische Gitarren. (Die "Faux Country"-Elemente, die die Band als Inspirationsquelle zitiert, spielen dabei keine Rolle mehr.) Ob diese Entscheidung nun richtig war, muss sich noch zeigen. Bei der Kölner Show führte das jedenfalls dazu, dass die gewiss ambitioniert strukturierten Stücke der Combo aufgrund der Ähnlichkeit untereinander und der immer gleichen energetischen Gemengelage schnell in die Vorhersehbarkeit abglitten und eher anstrengend und unerbittlich als locker und und unterhaltsam wirkten. Insbesondere auch deswegen, weil sich melodische Aspekte wie z.B. bei dem Single-Titel "Please Clap" im allgemeinen Gefrickel verloren.
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Ein Problem, die melodischen Aspekte ihres Materials zu vermitteln, hatten früher auch Julia Shapiro und Chastity Belt. Jedoch hat die Band sich musikalisch konsequent weiterentwickelt und sich dabei von den spröden Riot Grrrl und Indie-Rock-Roots der Anfangstage gelöst. Heutzutage schütteln Chastity Belt vergleichsweise konventionell strukturierte, aber effektiv inszenierte potentielle Indie-Pop-Hits aus dem Ärmel. Vor allen Dingen aber - und das ist das Wichtigste - haben die vier Jugendfreundinnen ihre Limitationen erkannt und setzen diese heutzutage zu ihrem Vorteil ein. So ist Julia Shapiro vermutlich ja auch klar, dass sie nicht die größte Sängerin auf Erden ist - und so wechseln sich die Damen beim Lead-Gesang ab und versuchen sich sogar und zunehmend erfolgreich an Harmoniegesängen. Da es bei der Präsentation dann - trotz zunehmend ambitionierten Songwritings - auch nicht um Virtuosität und Schönklang gehen kann, ist es auch keine schlechte Idee, dass die Damen zuweilen nicht nur die Gesangsparts, sondern auch die Instrumente tauschten. Kurzum funktionierte die Show dann als Ensemble-Piece am Besten, ohne dass sich da jemand in den Vordergrund stellen wollte oder müsste. Tatsächlich thematisieren das Chastity Belt auch immer wieder in Songs wie z.B. der Schrammelpop-Hymne "Laugh" - die gleich zu Beginn der Show gegeben wurde - indem sie den freundschaftlichen, kollaborativen Charakter ihres Unternehmens auch textlich zum Ausdruck bringen.
So gefielen sich Chastity Belt also darin, den Band-Charakter in den Vordergrund zu stellen - wohl auch, um deutlich zu machen, dass sie sich von den Rock-Klischees männlicher Indie-Bands nach wie vor abzusetzen gedenken. Das wurde an subtilen Details deutlich - beispielsweise indem Drummerin Gretchen Grimm den rollenden Swing des Tracks "Chemtrails" nicht mit explosiver Energie, sondern heiterer Gelassenheit glatt bügelte oder wenn Gitarristin/Sängerin Lydia Lund gar nicht erst versuchte, sich mit Soli oder Gefrickel zu beschäftigen, sondern den Song-Charakter von Tracks wie "I-90" durch akzentuierte Akkordarbeit und nicht Geschrammel herauszuarbeiten. Die musikalische Entwicklung von Chastity Belt wurde dann insbesondere gegen Ende der Show deutlich, wo das Quartett alte und neue Songs gegeneinander stellte. So folgte auf das noch aus der Anfangs-Phase der Band stammende "Different Now" mit "I-90" der sicherlich bislang am klarsten strukturierte und melodischste Chastity Belt Track von der aktuellen Scheibe. Das darauf folgende "Time To Go Home" war dann der einzige Song von dem 2015er Album gleichen Namens und funktionierte demzufolge auf einer ganz anderen, dynamischen Ebene, während das abschließende "Blue" vom neuen Album dann wieder durch seine clevere Struktur und einen hymnisches Denouement begeisterte (auch wenn es nicht gelang, den E-Bow-Effekt der Studio-Version auf der Bühne zu reproduzieren).
Letztlich überzeugten Chastity Belt an diesem Abend durch eine sympathische Ensemble-Leistung und die spielerische Vermeidung irgendwelcher Klischees. Nun ja - außer vielleicht einem: Dass die Mädels an ihrem freien Tag in einem See in der Nähe schwimmen gewesen seien und anschließend einen Sauna-Besuch absolviert hätten, berichtete Jenny Lund - und dass es sich auf der Bühne ebenfalls anfühle, wie in einer Sauna. Das war dann aber wohl eher dem Berufsrisiko geschuldet als einer schweißtreibenden Bühnenshow, denn dafür sind Chastity Belt einfach zu cool.
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Surfempfehlung:
www.chastitybeltmusic.com
www.instagram.com/chazzybelt www.facebook.com/chastitybeltmusic www.youtube.com/@chastitybeltmusic www.facebook.com/meagremartin
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Text: -Ullrich Maurer- Foto: -Ullrich Maurer-
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