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Hallo Euphoria - Teil 2

Heimspiel Knyphausen

Eltville, Draiser Hof
27.07.2024/ 28.07.2024

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Emiliana Torrini
Schon die ersten Konzerte am Freitagabend und Samstag(nach)mittag hatten eindrucksvoll bewiesen, dass Gisbert zu Knyphausen und Benjamin Metz beim Booking auch dieses Jahr wieder ein gewohnt glückliches Händchen hatten. Dieser Eindruck bestätigte sich auch am Samstagabend und Sonntag ausnahmslos.
Eine Band wie Die Sterne hätte man sich auf dem Heimspiel auch problemlos als Headliner vorstellen können - stattdessen läuteten Frank Spilker & Co. am frühen Abend die zweite Hälfte des Festivalsamstags ein und stellten ihre Setlist ganz in das Zeichen ihrer "Grandezza"-Best-of-Tour. Von "In diesem Sinn" über "Big in Berlin", "Trrrmmer" und "Die Interessanten" zum "Universal Tellerwäscher" mussten Personen mit durchschnittlicher Sterne-Affinität nur auf wenige Standards verzichten, natürlich auch nicht auf "Was hat dich bloß so ruiniert?", das bandeigene "House Of The Rising Sun". Seinen Siedepunkt erreichte der Auftritt jedoch während "Du musst gar nichts", mit dem sich das Quartett endgültig die lange Autoanreise von der Nordsee aus den Knochen schüttelte und im Publikum auf reichlich Mitwirkung beim Intonieren der Titelzeile zählen konnte. Am Ende der Zeitreise durch mehr als 30 Jahre Bandgeschichte kam man wieder in der jüngeren Vergangenheit an. So endete das Set mit dem Titeltrack des letzten regulären Albums "Hallo Euphoria". Die auf der Setlist vermerkte letzte Zugabe "Fickt das System" wurde dagegen ausgelassen - vielleicht um den zahlreichen Kindern im Publikum Rechnung zu tragen. Diese werden ihren Eltern künftig stattdessen aber vermutlich mit dem Satz "Ich muss gar nichts!" fleißig Paroli bieten.

Beim anschließenden Auftritt der Kanadier von Timber Timbre sorgte der Bühnenaufbau bereits für Aufsehen, noch bevor der erste Ton gespielt wurde: Frontmann Taylor Kirk machte sich gewissermaßen selbst zum Background-Sänger, indem er sich mit seiner Gitarre weit nach hinten verzog und seinen beiden Bandkollegen den vorderen Bühnenbereich überließ, wo diese sich mit Schlagzeug, Keyboard und dem restlichen Equipment auf zwei Rollpodesten vis-à-vis - und dem Publikum damit halb abgewandt - aufgebaut hatten. Gemeinsam wurde das Trio so zu einem musikalischen Bermuda-Dreieck, welches das Heimspiel-Publikum im verstärkt einsetzenden Regen mit seiner Mischung aus Folk, Blues und einer Art Garage Noir-Sound in seinen Bann zog.

Calexico bewiesen zum Abschluss des Abends, dass Songs, die nach der Sonne Südamerikas klingen, durchaus auch im Rheingauer Regen funktionieren - und diesen vergessen machen können. Die letztjährigen Feierlichkeiten zum 20. Geburtstag des Meilenstein-Albums "Feast Of Wire" hallten in der Setlist noch gewaltig nach, besonders in Erinnerung bleiben dürften allerdings zwei Coverversionen. Gemeint ist dabei nicht "Love Will Tear Us Apart", in das der Song "Not Even Stevie Nicks" auf Konzerten thematisch passend schon geradezu traditionell übergeht, sondern zwei Songs, für die Calexico sich prominente Unterstützung auf die Bühne holten: Zum einen gab Susan O'Neill, die die Band kürzlich auch bei Hallenkonzerten als Support begleitet hatte, noch eine späte Zugabe zu ihrem Nachmittagsset, indem sie mit der Band Neil Youngs "Heart Of Gold" intonierte. Zum anderen spielten Calexico gemeinsam mit Gisbert zu Knyphausen die Kid Kopphausen-Nummer "Hier bin ich". Nicht trotz, sondern vielleicht gerade wegen der widrigen Begleitumstände dürfte dieses Konzert allen Anwesenden lange in Erinnerung bleiben.

Ein Blick auf den Ablaufplan des letzten Tages konnte bei Uneingeweihten durchaus für Irritationen sorgen: 10:45 Uhr Hatha Vinyasa? Wurde da vielleicht noch auf den letzten Drücker ein Überraschungsact verpflichtet? Nein, natürlich nicht, bei diesem Programmpunkt handelte es sich lediglich um die mittlerweile auch schon obligatorische Yoga-Einheit vor dem Festivalfinale.

Um den musikalischen Einstieg kümmerten sich anschließend Willow Parlo, ein Quartett aus Hamburg, das bislang durch zwei EPs in Erscheinung getreten war. Ihren Indie-Dream-Pop, der an Bands wie Alvvays denken lässt, könnte man sich hervorragend im Vorprogramm von Soft Loft vorstellen - oder eben Soft Loft als Support von Willow Parlo, denn eine Priorisierung ist hier wirklich schwer vorzunehmen. Für einen besonders zauberhaften Moment sorgte das auf wundervolle Weise einlullende "Spinning" von der letztjährigen EP "See U Whenever", mit dessen wortlosem Refrain Sängerin Noemi Bunk sich ganz tief in die Gehörgänge (und vermutlich auch Herzen) der Festivalbesucher eingegraben haben dürfte.

Blickt man auf die vergangenen Jahre zurück, scheint es langsam zu einer Tradition zu werden, dass der mittlere Sonntagsslot Künstlern vorbehalten ist, die man instinktiv vielleicht eher in die (späten) Abendstunden schieben würde: Das galt sowohl 2022 für die entrückten Klänge von Lisa Morgenstern als auch 2023 für Tristan Bruschs morbide Moritaten. In beiden Fällen zeigte sich aber, dass das aufmerksame Heimspiel-Publikum beide Konzerte auch - oder sogar ganz besonders - im strahlenden Sonnenschein zu würdigen wusste. So war es dieses Jahr auch bei Enno Bunger, der zuletzt oft mit Bandbegleitung unterwegs gewesen war, nun aber wieder einmal ganz alleine mit seinem E-Piano auf der Bühne stand. Sein Programm stellte er gewohnt selbstironisch unter das Motto "Bis eine:r weint" (der Doppelpunkt sollte dabei ein kleiner Spezialgruß an Markus Söder und seine Abneigung gegen das Gendern sein) und ließ es sich auch nicht nehmen, in der brütenden Mittagshitze "Regen" zu performen, das natürlich deutlich besser zum feuchten Vorabend gepasst hätte. Manchmal wurde Ennos Humor allerdings auch zur Gratwanderung, etwa wenn er das Publikum via Applaus darüber abstimmen ließ, ob er lieber einen Song über den Klimawandel oder über Depressionen spielen soll - dank seines vorbildhaft offenen Umgangs mit seinen eigenen mentalen Baustellen darf man aber annehmen, dass das Gros der Zuhörenden Enno seinen oftmals spielerischen Umgang mit ernsten Themen nicht übelgenommen haben wird.

Auch über die Ansetzung von Emilíana Torrini am Sonntagnachmittag dürften sich nicht wenige Besucher gewundert haben, schließlich handelte es sich bei der Isländerin mit italienischem Vater um einen der größten und international bekanntesten Namen im Line-Up - doch wer sagt eigentlich, dass diese notwendigerweise immer abends spielen müssen? Die Künstlerin selbst schien sich durch ihren Zeitslot jedenfalls nicht im Geringsten herabgesetzt zu fühlen, sondern betrat mit strahlendem Gesicht die Bühne. Sie begrüßte ihr Publikum auf Deutsch, merkte aber im nächsten Moment fast schon entschuldigend an, dass sie viele Sprachen spreche - in ihren eigenen, kritischen Augen offensichtlich nicht gut genug. Das sahen die Zuhörenden anders und waren Emilíanas Charme verständlicherweise sofort erlegen. Kernstück ihres überragenden Konzertes waren die Songs ihrer jüngst erschienenen LP "Miss Flower", ihrem ersten regulären Werk seit dem 2013er "Tookah" (dazwischen erschienen unter anderem noch zwei Alben mit The Colorist Orchestra). Die neuen Songs sind inspiriert von der äußerst umfangreichen Liebesbriefsammlung einer Frau namens Geraldine Flower, Mutter einer von Emilíanas engsten Freundinnen, und fangen die darin zum Ausdruck kommende Leidenschaft eindrucksvoll musikalisch ein. Auf Emilíanas kommerziell größten Erfolg "Jungle Drum" von 2009 musste das Publikum in Eltville aber ebenso wenig verzichten wie auf den Übersong "Birds" von ihrem Durchbruch-Album "Love In The Time Of Science" aus dem Jahr 1999. Einen Nachschlag wird es dann im Oktober geben, wenn Emilíana noch einmal für ein paar Konzerte in Deutschland vorbeischaut.

Zunächst endete nun jedoch erst einmal ein euphorisierendes Heimspiel 2024 mit langanhaltendem Applaus für Emilíana Torrini und ihre tolle Band, der zugleich aber sicherlich auch noch einmal allen Menschen gelten sollte, "die dieses Festival so schön machen" (so hatte Enno Bunger es in einer seiner Ansagen treffend zusammengefasst), weshalb das Publikum auf dem Draiser Hof sich zum Abschluss durchaus auch ein wenig selbst zujubeln durfte.
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Text: -Achim Fischelmanns-
Foto: -Ullrich Maurer-

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