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Konzert-Bericht
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Americana und Südstaaten-Rock ohne Redneck-Attitüde
Blackberry Smoke
Bones Owens
Hannover, Capitol 19.09.2024
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Vor fast einem Vierteljahrhundert in Georgia gegründet, hatten es Blackberry Smoke vor allem in den amerikanischen Südstaaten nicht leicht. Und auch die Musikindustrie fremdelte mit der Band. Vermarktet man sie für den Country-Markt oder doch lieber für Rockfans? Dabei ist gerade das Crossover aus Southern Rock in der Tradition von Lynyrd Skynyrd und Americana, wie es Bob Dylans ehemalige Begleitcombo The Band perfektionierte, so bestechend. Mit dem dritten Album "The Whippoorwill" schafften sie dann doch den Durchbruch und füllen weltweit mittelgroße Hallen, so auch das Capitol in Hannover. Von den vor zehn Jahren in Europa verspätet veröffentlichten Songs finden beachtliche acht Titel den Weg auf die Setlist.
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Den Einheizer macht Caleb "Bones" Owens, der tonnenschwere Bluesriffs aus seinen Gitarren würgt, garagigen Heavy Rock kredenzt und gern die Mikrofone wechselt, um seine Stimme zu verzerren und zerkratzen. Das Trio aus Gitarre, Bass und Drums erreicht zwar nicht die Klasse der White Stripes oder der Black Keys, hat aber seinen Charme. Am Ende des 45-minütigen Auftritts hat Owens sich seiner Jacke entledigt, unter den Latzhosenträgern prangen reichlich Tattoos. Owens tritt an die Rampe, legt die Hand hinter das Ohr, Ovationen einfordernd. Die bekommt er von den 1.400 Gästen im Saal.
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Ab Viertel nach neun gehört für die nächsten zwei Stunden Blackberry Smoke die Bühne. Gründungsmitglieder sind Sänger und Gitarrist Charlie Starr, der zweite Gitarrist Paul Jackson und Bassist Richard Turner. Dessen Bruder Brit Turner starb im März aufgrund eines Hirntumors mit erst 57 Jahren. Er galt als die gute Seele der Band. So bleibt das aktuelle Album "Be Right Here" sein Vermächtnis. Am Schlagzeug folgte ihm Kent Aberle, der ihn in Krankheitsphasen immer mal wieder auf Tour vertreten hatte. Seit 2009 sitzt Brandon Still hinter den Keyboards, während Benji Shanks seit 2018 das Line-Up an der Gitarre und Mandoline komplettiert. Mit "Six Ways to Sunday" starten die Südstaatler sofort durch und spätestens mit dem poppigen Ohrwurm "Pretty Little Lie" und dem Gassenhauer "Hey Delilah" sind die Fans euphorisch gestimmt. Wer Americana und Southern Rock liebt, bekommt alles, was das Genre zu bieten hat. "Waiting For The Thunder" punktet mit seinem Stop-and-Go-Effekt und lädt in den Riff-Pausen zum Call-and-Response-Mitgrölen ein. "Ain’t Got The Blues" ist trotzdem ein Blues, beginnt aber als akustischer Countrysong. Die Ballade "The Whippoorwill" endet in einem Lavastrom aus drei mäandernden Gitarren und "Little Bit Crazy" startet mit einem Riff-Verbeugung vor den Rolling Stones.
Einerseits ist da der abgehangene Country-Rock von "Like It Was Yesterday" und "Everybody Knows She’s Mine" oder von einer der schönsten Kompositionen Starrs: "One Horse Town", bei dem die wunderbaren Jayhawks um die Ecke lugen. Mitklatschen und Mitschunkeln passieren wie konditioniert. Und dann sind da Hard-Rock-Monster wie "Sleeping Dogs", die auf keiner Setlist fehlen dürfen. Locker wird die Zehn-Minuten-Grenze gerissen: Zeit für diverse Soli aller drei Gitarristen, die aber nie zu ausufernden Selbstbespiegelungen ausarten. Dazwischen fast träumerische Intervalle, bevor die schlafenden Hunde wieder geweckt werden. In "Azalea" greift Shanks zur Mandoline und Aberle tauscht die Sticks in Schlägel ein. Wie oft in Blackberry Smokes Songs geht es um das Loslassen und den Aufbruch: "Half the learnin's in the leavin'/That's the only thing we fear/Maybe it's not out there/Maybe this leads nowhere/Home will always be right here". Auch der Titel des aktuellen Albums versteckt sich hier: "Be Right Here". Ähnliche Erfahrungen thematisiert "Run Away From It All", das ebenso hymnisch gerät wie das finale, mit einem ZZ Top-Riff geschmückte "Ain‘ Much Left of Me".
Mögen einige Südstaaten-Musiker noch mit der Rebellenflagge der Konföderation die Bühne dekorieren und eine gewisse Redneck-Mentalität ausleben, so nehmen Starr und Co. trotz aller Heimatliebe eine distanziertere Haltung ein: "Maybe you could find a new harmony/You hear Georgia". Und ja, nach wilden, nicht ganz drogenfreien Jahren hat man geheiratet und Verantwortung für Kinder, wovon "Hammer and the Nail" erzählt. Blackberry Smoke bleiben live eine Bank: gutes Songwriting, famose Gitarrenarbeit, ob akustisch, hart rockend oder mit Röhrchen im Slide-Modus. Etwas unterzugehen im Gitarrengewitter drohen das Bar-Klavier oder die Orgel-Passagen von Brandon Still. Bestens hörbar ist dagegen der oft dreistimmige Gesang von Starr, Jackson und Turner. Wer allerdings die neuen Songs auf einem physischen Tonträger mit nach Hause nehmen will, wird am Devotionalienstand enttäuscht. Ausverkauft.
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Surfempfehlung:
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Text: -Martin Jedicke- Foto: -Martin Jedicke-
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