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Konzert-Bericht
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Zwischen Chaos und Präzision
Deadletter
King No-One
Bonn, Harmonie 10.10.2024
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Post-Punk mit politischem Gewissen, einem trockenen Sinn für Humor und der kribbeligen Energie eines Saxofons - das sind Deadletter. Im Sommer haben sie schon die Festivalbühnen - unter anderem auch beim Haldern Pop - aufgemischt, jetzt kommen die britischen Senkrechtstarter Ende Oktober erstmals auf Headline-Tournee nach Deutschland, um das Publikum in München, Berlin, Hamburg und Köln mit ihrem explosiven Sound an der Schnittstelle von Chaos und Präzision zu fesseln. Zuvor allerdings statteten sie beim "Crossroads Festival" in Bonn dem altehrwürdigen "Rockpalast" des WDR einen Besuch ab. Das wollten wir uns natürlich nicht entgehen lassen.
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Schaut man an diesem Abend um kurz nach 19.00 Uhr durch die Bonner Harmonie, kann man kaum glauben, auf einem Konzert ausgemachter Indie-Lieblinge zu sein. Passend zum ansonsten eher traditionell ausgerichteten Programm der viertägigen "Crossroads"-Aufzeichnungen tummeln sich vor allem in Ehren ergraute Menschen im Saal, und selbst später sind die jüngeren Semester deutlich in der Unterzahl. Kein Wunder also, dass an diesem Abend in puncto Euphorie und Energie leider etwas Luft nach oben bleibt, ohne dass das den Bands anzulasten wäre.
Den Anfang machen King No-One. Wie Deadletter ursprünglich aus Yorkshire und inzwischen in Manchester zu Hause, schlägt das schon seit mehr als einem Jahrzehnt aktive Quartett in Bonn einen Bogen vom britisch gefärbten Alternative Rock zu glamourösem Zeitgeist-Pop und vereint so ordentlich Energie mit der Art von Eingängigkeit, die nicht nur die jungen Damen in der ersten Reihe immer wieder zum Mitsingen bewegt, die ihre Liebe zur Band auf handgemalten Schildern verewigt haben, als sei die Harmonie die Lanxess Arena. Dazu gesellen sich Texte, in denen es nicht zuletzt auch um Inklusion, Vielfalt oder Gleichberechtigung geht - oder anders gesagt: King No-One sind stets bemüht, den Puls der Zeit nicht aus den Augen zu verlieren, und sind genau deshalb am Ende ein bisschen... langweilig.
75 Minuten steht die Band um Frontmann Zach Lount auf der Bühne und deckt dabei alles ab, was man im Anfängerkurs für Rockstars beigebracht bekommt. Theatralisches Bühnengebaren (vom Kniefall des Bassisten bis zur Erlöserpose des Sängers) darf deshalb genauso wenig fehlen wie Ausflüge ins Publikum und das Erklimmen von Stehtischen, und die obligatorische superemotionale Ballade zum Mitweinen lässt auch nicht lange auf sich warten. Bisweilen wirkt das Ganze allerdings ein wenig zu kalkuliert und inszeniert, zumal so die Show oft wichtiger zu sein scheint als die Songs. Fazit? Was King No-One trotz eines grundsoliden Auftritts letztlich fehlt, ist das Alleinstellungsmerkmal, das aus guten Bands großartige macht.
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Deadletter sind da aus einem anderen Holz geschnitzt. Anders als bei King No-One hat man bei dem inzwischen in Süd-London heimischen Sextett nie das Gefühl, dass es darum geht, dem Publikum zu gefallen. Deadletter machen, was sie wollen - und begeistern gerade dadurch. Die Leichtigkeit, mit der die Band aus Gegensätzen eine Einheit formt, ist vielleicht auch der Grund dafür, dass Frontmann Zac Lawrence sich bisweilen ähnlicher Mittel bedienen kann wie zuvor Zach Lount, sein expressiver Habitus dabei aber ganz organisch Teil des Sounds und der Show wird. Spätestens als er sich seines Hemdes entledigt und immer wieder auf Tuchfühlung mit dem Publikum geht, hat sein Auftreten etwas von der manischen Energie eines Iggy Pop.
"Deadletter verstehen es, mit Finesse und Bravour verschiedene Genres zu kombinieren, ohne dabei das Ziel vor Augen zu verlieren - nämlich die atmosphärisch packende Dichte", hieß es bereits an anderer Stelle über den vor wenigen Wochen veröffentlichten Erstling "Hysterical Strength", und genau das macht auch den Reiz des Konzerts in der Harmonie aus, wenn die sechs Musiker zwischen der messerscharfen Klarheit von Magazine oder Gang Of Four und der unbarmherzigen Klangflut von Black Midi und Squid ihren eigenen Weg finden.
Vom ersten Ton an setzen Deadletter auf fieberhafte Power und unbedingte Kompromisslosigkeit und haben in ihrem eindringlichen Art-Rock, dessen Spuren sich von den späten 70ern bis in die Gegenwart verfolgen lassen, mit dem bissigen Klang des Saxofons auch genau die Zutat, die sie aus der Masse all der Bands, die heute ihre Inspiration im (Post-)Punk und New Wave von gestern und vorgestern finden, herausstechen lässt. Das Saxofon ist - mal im aufregenden Duell mit den Gitarren, mal in druckvoller Eintracht -, das auffälligste Element, trotzdem ist hier das Team der Star, denn im Sound von Deadletter ist trotz sechs Leuten auf der Bühne alles unverzichtbar.
Apropos unverzichtbar: Neben den Highlights ihrer alten Singles und EPs spielen Deadletter - übrigens mit einem nicht namentlich vorgestellten neuen Saxofonisten anstelle der jüngst ausgeschiedenen Poppy Richler - ihr neues Album tatsächlich komplett, und auch wenn es Meckern auf hohem Niveau ist: Am Ende sind 18 Songs in 80 Minuten, erst recht vor einem eher behäbigen Publikum, vielleicht etwas zu viel raw power. Das scheint übrigens auch die Band so zu sehen, denn an den Folgeabenden wurde die Setlist etwas gekürzt und gestrafft. Soll heißen? Für rauschende Abende auf der Deutschlandtournee ist alles bereit!
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Surfempfehlung:
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Text: -Carsten Wohlfeld- Foto: -Carsten Wohlfeld-
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