NACHGEHAKT BEI: Eefje de Visser
GL.de: Du hast ja einen Teil deiner Songs auf der letzten Tour geschrieben. Ist das der Grund, warum du das Album "Heimwee" genannt hast? Denn in deinen Songs scheinst du ja eher von internalisierten Gefühlen, als dem Wunsch nach Hause zurückkehren zu wollen zu singen.
Eefje: Ich habe auch viele Songs während der Pandemie geschrieben. Aber der Grund, warum ich das Album “Heimwee" genannt habe, hat mit einigen privaten Dingen in meinem Leben zu tun und auch mit meiner Kindheit - das ist ja ein Gefühl, das jeder mal hat. Weißt du: Ich spreche eigentlich nie über mein Privatleben, aber durch die Art, wie sich mein Leben entwickelt hat, bin ich zu einer sehr nostalgischen Person geworden - einer Person, die immer zurückblickt und versucht, etwas aus der Vergangenheit mitzunehmen. Ich dachte, ich hätte dieses Thema für die neue Scheibe für mich erst jetzt entdeckt, aber eigentlich war das immer schon so. Deswegen war “Heimweh” ein passendes Thema.
GL.de: Was bedeutet denn "Heimat" oder "Zuhause" für dich?
Eefje: Liebe und Schmerz. Der Grund, warum ich Musik mache ist der, dass die Musik ein Trost für mich ist. Texte zu schreiben bedeutet für mich Trost für den Schmerz, der mit dem Zuhause zu tun hat. Ich bin ja auch von Holland nach Belgien gezogen und dachte, dass der Titel auch dafür stehen könnte - aber nein: Mein erstes Album handelte auch schon davon, einen Platz für mich zu suchen, der mein Heim sein könnte. Das ist einfach ein Ding von mir.
GL.de: Welche Bedeutung hat denn die Musik als solche für dich?
Eefje: Außer, dass sie eine Art von Trost für mich ist, bedeutet Musik auch Freiheit für mich. Ich fühle mich frei, wenn ich Musik mache und es fühlt sich wie ein Spielplatz für mich an. Spaß, Trauer, Verlust, Sehnen, Liebe - das alles fühle ich in der Musik vereint und das fühlt sich für mich sehr gesund an. Musik treibt mich auch an. Ich finde auch, dass es sehr wichtig für jedermann ist, sich auf irgendeine Weise kreativ auszudrücken. Für mich ist das halt die Musik. Musik macht viel für mich. Ich verarbeite damit mein Leben. Ich weiß zwar nicht, ob es therapeutisch für mich ist, aber ich glaube, dass es ein klügeres Ich von mir in der Musik gibt. Ich bin eine ziemlich chaotische Person mit vielen Zweifeln und Ängsten - in der Art, wie jeder sie wohl hat - und ich denke, dass ich mich in der Musik davon lösen kann und ich mich dadurch etwas weiser fühle.
GL.de: Kommen wir mal zu der Musik als solcher. Kannst du beschreiben, wie deine Songs entstehen?
Eefje: Wenn ich meine Melodien schreibe, dann verwende ich erst mal englische Worte - kein richtiges Englisch, sondern Gibberish - und dann arbeite ich auf Holländisch weiter. Das ist aber ein langer Prozess mit viel Suchen nach Wörtern und nach dem richtigen Klang und nach etwas Wichtigem, das ich aussagen möchte. Dieses Suchen nach Worten ist dann sehr interessant, denn ich komme da auf Dinge, auf die ich ohne die Musik nie gekommen wäre. Es gibt da also diese Weisheit in der Musik, die mir tatsächlich hilft.
GL.de: Das Schöne an der Musik ist ja auch immer, dass sie auch ohne Logik und Vernunft funktionieren kann.
Eefje: Da stimme ich total zu - denn das sage ich auch immer. Da sind wir also auf derselben Seite. Musik reicht über die Sprache und die Logik hinaus. Wir sind immer so darauf bedacht, alles logisch zu erklären. Die Welt ist aber ebenso logisch wie auch unlogisch und mit Musik kann man Dinge ausdrücken, die man mit der Sprache nicht ausdrücken kann. Und was ich an der Musik auch mag, ist eine gewisse körperliche, physische Angelegenheit. Es geht um die Resonanz beim Singen oder das Gefühl in deinem Herzen.
GL.de: Noch mal zurück zum Gebrauch der Sprache. Ist es eigentlich schwieriger, Texte in seiner Muttersprache zu schreiben, anstatt beispielsweise auf Englisch?
Eefje: Sagen wir mal so: Es ist schwierig für mich, gute Texte zu schreiben. Auf Englisch geht das gar nicht, weil mein Englisch so limitiert ist. In meiner Muttersprache kann ich eine außergewöhnliche Texterin sein - was mir im Englischen nicht möglich ist, da mein Englisch nicht genug entwickelt ist. Ich denke aber, dass das Klang und die Emotionen auch ohne Englisch durchdringen. Das ist ja das Spannende - man versteht die Musik auf eine gewisse Weise auch ohne die Sprache zu verstehen. Es ist schwierig Holländisch wirklich poetisch klingen zu lassen, ohne dass es anmaßend wirkt. Denn ich denke, dass das leicht passiert, weil Holländisch sehr direkt ist - und zudem mit diesen ganzen Rachenlauten wie "ch" daher kommt und ziemlich harsch klingt. Es ist nicht leicht, das angenehm und weich klingen zu lassen und das Ganze subtil zu gestalten. Es ist jedenfalls leichter, auf Englisch emotional zu werden, ohne dabei peinlich zu wirken.
GL.de: Ist das eigentlich der Grund, warum du dann auch immer so "weich" singst?
Eefje: Da gibt es eigentlich keinen konkreten Grund für. Mir ist aufgefallen, dass ich instinktiv immer nach einer weichen Zerbrechlichkeit suche und ich suche nach einem gewissen Understatement. Ich mag es nicht, wenn solche Sachen zu groß und offensichtlich werden. Es geht um Neutralität. Ich will nicht allzu offensichtlich emotional wirken - eher verletzlich als expressiv. Als ich jünger war versuchte ich immer laut und kraftvoll zu singen - das war aber nicht mein Ding.
GL.de: Auf der neuen Scheibe stehen ja die Stimmen besonders im Zentrum.
Eefje: Mit der letzten Scheibe "Bitterzoet" haben wir ja auf den größten Festival-Bühnen gespielt und ich hatte das Gefühl, dass die Sache mit der Zeit größer als ich selbst geworden war. Deswegen wollte ich auf der neuen Scheibe wieder zurück zu den organischeren Momenten zurück, nachdem auf der letzten Scheibe die elektronischen Sachen dominiert hatten. Es sollte dieses Mal alles subtiler werden. Ich wollte deswegen auch die Stimmen deutlicher betonen. Nicht das wir uns falsch verstehen: Ich mag auch die elektronischen Elemente, aber ich wollte nicht die akustische Seite von mir verlieren. Ich habe immer gerne im Chorformat gearbeitet. Das kommt aus der familiären Situation. Mein Vater ist ein Gesangs-Arrangeur - das ist sein Job. Das sollte dieses Mal im Zentrum stehen. Ich habe ja immer viele Stimmen auf meinen Alben, aber das wurde auch oft in den Hintergrund gestellt. Dieses Mal sollte es umgekehrt sein: Die Stimmen sollten im Vordergrund stehen, und die anderen Elemente in den Hintergrund treten. Ich möchte frei in meinen Entscheidungen sein, aber ich möchte immer starke Melodien und Harmonien in den Vordergrund stellen, die die Leute jenseits der Sprache im Herzen berühren können. Ich habe so viele Ideen für Melodien, dass es fast schon zu viel zum Verarbeiten ist. Ich liebe es aber und ich suche immer nach neuen Möglichkeiten für Melodien und Harmonien. Das ist das coolste Ding: Die Welt mit neuen Kombinationen von Sounds ein wenig schöner zu machen.