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Konzert-Bericht
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¡Chucky baila!
Chuck Prophet
Our Man In The Field
Oberhausen, Zentrum Altenberg 05.11.2024
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Nachdem Altmeister Chuck Prophet mit der Cumbia-Musik ein Heilmittel gefunden hatte, das ihm dabei geholfen hatte, sich während der schwierigen Zeit seiner Krebsdiagnose emotional über Wasser zu halten und sich letztlich ins Leben zurückzukämpfen, war es natürlich nicht besonders erstaunlich, dass er seine aktuelle Europatour dann letztlich ganz im Zeichen dieser für ihn neuen musikalischen Leidenschaft präsentierte. "Diese Musik hat mich gerettet", hatte er schließlich bei den Gesprächen über seine aktuellen LP "Waking The Dead" gesagt, die er mit der Cumbia-Band ¿Quiensave? eingespielt hatte. Auf der aktuellen Tour hatte sich Chuck neben seinen Mission Express-Kollegen Vicente Rodriguez und James de Prato noch Mario Cortez und Alejandro Gomez von ¿Quiensave? und den quirligen Bassisten Joaquim Zamudia Garcia aus Mexico-City mitgebracht und nannte diese Zusammenstellung dann schlicht "The Cumbia Shoes". Das vor allen Dingen wohl auch deswegen, weil die ganze Angelegenheit von vorneherein als Tanzveranstaltung angelegt war.
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Dass dabei ausgerechnet Alex Ellis a.k.a. Our Man In The Field als Support-Act gebucht worden war, hatte sicherlich damit zu tun, dass der Mann die Tour als Roadie und Merch-Handler unterstützte, denn musikalisch passten die melancholischen Männerschmerz-Tracks - jedenfalls in dem systembedingt reduzierten Solo-Setting - so gar nicht zu dem, was Chuck und seine Jungs im Folgenden abbrennen sollten. Mag ja sein, dass das Anliegen Ellis' in einem anderen Zusammenhang - und mit einem zünftigen Band-Arrangement wie auf seinem Album "Gold On The Horizon" - eine ganz eigene Wirkung hätte entfalten können; aber in Oberhausen strapazierte der zurückhaltende Vortrag schlicht die Geduld der Zuhörer, denn die Songs klangen in dem Setting alle recht ähnlich und das Publikum zum Mitsingen animieren zu wollen, klappte dann auch nicht so recht.
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Um was es Chuck und den Cumbia Shoes dann ging, machten sie durch einen musikalischen Rahmen deutlich: Die Show ging los mit einer Cumbia-Version des Klassikers "Come On Everybody" (der zu diesem Zweck auf spanisch als "Avien Dense Todos" auf der Setlist stand) und sie endete mit einer besonders energischen Version von "Wooly Bully" von Sam The Sham & The Pharaos (die dann von Mario Cortez zumindest auf Spanisch angezählt wurde). Tatsächlich waren dann die meisten Stücke zwischen dieser "Klammer" dann auch als Tanzhaus-Versionen im Cumbia-Stil angelegt. Als Chuck die Tour plante, war er sich noch nicht sicher, ob er das so konsequent implementieren wollte, aber der Spaß, den die Band auf der Bühne hatte und die Reaktionen des Publikums darauf hatten ihn dann wohl dazu bewogen, diesen Ansatz zu verfolgen. Dabei war das gar nicht so einfach, denn obwohl seine Musiker ja durchaus in dieser Art von Musik zu Hause waren, musste sich der Rock'n'Roller Chuck Prophet ja erst mal die charakteristische Art, sich als Cumbia-Rhythmusgitarrist zu betätigen, drauf schaffen. Das führte dann am Ende dazu, dass es für eine Chuck Prophet-Show erstaunlich wenige Rockstar-Soli gab - und einige davon dann auch noch (recht psychedelisch ausgelegt) von Vicente Rodriguez gespielt wurden. Musikalische Highlights gab es dann hingegen viele. Da waren zum Beispiel die enthusiastisch implementierten Percussion-Einlangen des stets gut gelaunten Mario Gomez, die im Zusammenspiel mit Joaquim Garcias schaukelnden Bass-Spiel erst den rechten Cumbia-Groove erzeugten. Ebenfalls erwähnenswert waren die Einlagen von Alejandro Gomez auf einem Mikro-Keyboard, dem er geradezu schwelgerische Klangwolken entlockte oder eben Chucks erstaunlich ökonomisches und sachdienliches Gitarrenspiel. Es mag dann auch daran liegen, dass Prophet als virtuoser Gitarrero sowieso alles spielen kann, dass das Ganze dann nicht etwa aufgesetzt, sondern vollkommen authentisch rüberkam. Dazu gehörte dann auch, dass es mehrere Instrumentals auf die Setlist geschafft hatten, die mit Phantasie-Titeln wie "Dance Parritos" oder "Sonido Amazonica" aufwarteten.
Im Zentrum standen dabei logischerweise vor allem die Songs des aktuellen Albums "Waking The Dead". Neben dem Titeltrack waren es dann die für Chuck ungewöhnlich Charakter-geprägten Songs wie "Betty" oder das mit Alejandro Escovedo verfasste "Sally Was A Cop" die mit den liebevoll aufgedröselten Cumbia-Vibes die Highlights der Show markierten. Dass die neuen Songs im Mittelpunkt standen, war aber schon alleine deswegen sinnvoll, weil Chuck bereits auf der Tour im letzten Jahr bereits den ultimativen Querschnitt aus seinem Back-Katalog präsentiert hatte, so dass er sich dieses Mal auf wenige Klassiker wie z.B. "Ford Ecoline" oder "Wish Me Luck" von seinem "Night Surfer”-Album beschränken konnte, um die wenigen, die lieber immer lieber die älteren Sachen hören wollen, bei Laune zu halten. Chuck Prophet an der Vergangenheit messen zu wollen, macht aber schon alleine deswegen keinen Sinn, weil dieser eben lieber im Hier und Jetzt lebt. Am deutlichsten wurde das an diesem Abend, als er zum Abschluss den gar nicht auf der Setlist aufgeführten Song "It's A Good Day To Be Alive" solo akustisch vortrug. Diesen Song hatten Chuck und sein Songwriting-Kumpel Klipschutz geschrieben, als Chuck gerade auf die Diagnose wartete, mit der festgestellt werden sollte, ob seine Lymphdrüsenerkrankung behandelbar sei (was zum Glück der Fall war) und sich dabei überlegt, was einen Tag eigentlich lebenswert machen könnte - wobei sie dabei zu dem Schluss kamen, dass eigentlich alles irgendwie lebenswert sein kann, wenn man am Leben ist. Auch wenn Chuck selbst den Song "One Lie For Me And One For You" als Schlüsseltrack des neuen Albums sieht, war es dann doch "Good Day", der das Publikum mit einer beseelten, positiven, hoffnungsvollen Grundstimmung in die Nacht entließ.
Zwischen den Tracks führte Chuck dann mit einigen Insider-Gags und Ansagen als Conferencier in eigener Sache durch die Show. Dabei ließ er dann auch einige politische Statements vom Stapel. So kündigte er den Song "Killing Machine" mit der Bemerkung an, dass John Lennon noch leben könnte, wenn man in den USA nicht so einfach an Waffen kommen könnte und scherzte, dass die Jungs aus der Band wohl Schwierigkeiten bekommen könnten in die USA zurückzukehren, wenn Trump wiedergewählt würde (was zu dieser Zeit noch nicht feststand, da die Show am Wahltag stattfand) und flocht nicht zuletzt seinen Song "In The Shadows" ein, mit dem er sich über Elon Musk lustig gemacht hatte, weil dieser lieber ins Weltall fliegt, als mit seinem Geld die Welt zu retten. In Oberhausen präsentierte sich dann also ein gut gelaunter Chuck Prophet, der mit der bislang düstersten Phase seines Lebens abgeschlossen hat, dementsprechend positiv in die Zukunft blickt und mit Trübsinn so gar nichts am Hut hat. Das betonte der Meister auch noch mal, als er sich während der sich anschließenden Autogrammstunde über die im Hintergrund laufenden melancholischen Countryballaden Don Gallardos beklagte. "Ich mag diese Art von Musik nicht", erklärte er, "die ist viel zu traurig."
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Text: -Ullrich Maurer- Foto: -Ullrich Maurer-
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