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Konzert-Bericht
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Ich könnte ja mal einen Witz erzählen
Nikita Lev
Adam Lytle
Aachen, Domkeller 02.12.2024
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Obwohl die New Yorker Songwriterin Nikita Lev ihre Debüt-EP "I Believed It At The Time" im Frühjahr dieses Jahres veröffentlichte - und bereits damals feststand, dass sie im Winter auf Tour auch in unseren Breiten aufspielen würde -, stand dieses Projekt insofern unter einem schlechten Stern, als dass aufgrund einer verwirrenden Ankündigungspolitik nicht immer ganz klar war, wann und wo die Gute mit ihrer Band und dem Support Künstler Adam Lytle auftreten würde, sodass gewisse Termine (etwa der in Köln) schließlich sogar abgesagt werden mussten. Was ein Glück, dass zum Abschluss der Tour der Aachener Domkeller als Spielort relativ kurzfristig in die Tourplanung aufgenommen werden konnte. Als Support war der ebenfalls aus New York stammende Songwriter Adam Lytle als Support.
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"Es sind Orte wie dieser, die mich gerettet haben", begrüßte Adam Lytle das Publikum im gut gefüllten Domkeller, nachdem er ein paar Songs seines im letzten Jahr erschienenen Debüt-Albums "This Is The Fire" zum Besten gegeben hatte - und spielte damit darauf an, dass man "an Orten wie diesen" die Welt um sich herum vergessen könne, um gemeinsam für ein paar Stunden in der Welt der Musik aufgehen könne. Jedenfalls dann, wenn wie in diesem Falle die Fans und die Musiker offensichtlich über ihre Liebe zur Musik eine unmittelbare Kommunikationsbasis zur Verfügung haben.
Nikita Lev und Adam Lytle kannten sich noch gar nicht, bevor sie nun für einige gemeinsame Termine auf ihren jeweils ersten Europa-Touren geschickt wurden - hatten dann aber schnell einen guten Rapport entwickelt, denn musikalisch und menschlich stimmte da vieles, was bei anderen Projekten dieser Art oft im Argen liegt. So passten zum Beispiel Adam Lytles eher konventionell ausgelegte, klassische Folk-Songs schon alleine deswegen gut zu dem, was Nikita und ihre zweiköpfige Band im Folgenden bieten sollte, weil dies ein akustischer Abend werden sollte (obwohl Nikita stilistisch in eine andere Richtung tendiert). Adam Lytle ist dabei ein Barde der alten Schule, der seine Songs als Geschichtenerzähler mit mystisch/spiritueller Note und jeder Menge bildgewaltiger, poetischer Aphorismen und Metaphern anreichert. Dabei macht er keinen Hehl daraus, wes Geistes Kind er ist und greift mit seinen fast schon biblisch anmutenden Formulierungen und seinen zum Teil desolaten Themenwelten den Geist von Leonard Cohen und/oder Townes Van Zandt auf - auch wenn er auf der musikalischen Seite durchaus eine eigene Note verfolgt. Fast schon logisch, dass er dann auch ein TVZ-Cover im Angebot hatte. Bevor er 2023 sein Solo-Album einspielte, war Lytle bereits mit seinen Bandprojekten Wild Leaves und Quicksilver Dream (nicht zufällig benannt nach einem TVZ-Song) als Songwriter tätig. Heutzutage überzeugt Lytle mit einer bemerkenswerten Kontrolle über sein Gitarrenspiel und seinen Gesang und trägt seine Songs mit klarer Diktion und unglaublich präzisem Gitarrenspiel vor. Interessant ist dabei, dass Adam Lytle sich thematisch nicht in persönlichen Männerschmerz-Elegien verliert, sondern sich in seinen Songs auch auf aktuelle weltpolitische Ereignisse bezieht. Sein als klassische Folkballade angelegter Track "Last Twist Of The Knife" etwa bezieht sich die aktuellen Entwicklungen in der Ukraine, während "The Fatal Share" von den Anfangstagen der Pandemie handelt. Andere Songs wie "Seeds Of Joy" oder "At Your Command" weisen dann auf einen offensichtlich spirituellen/religiösen Background.
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Ganz anders geht Nikita Lev als Songwriterin an die Sache heran. Da sie noch ziemlich am Anfang ihrer Karriere steht, hat sie sich vor allen Dingen sich selbst, ihr konfuses Liebesleben und die Suche nach dem Sinn des Lebens zum Thema gemacht und bedient dabei klassische Coming Of Age-Themen - und zwar auf eine äußerst charmante Art. Es gibt ja öfter mal Konzerte junger Künstler, die sich erstmalig vor einem neuen Publikum präsentieren, die von performerischen Unsicherheiten, nobler Distanz, introvertierter Selbstbespiegelung oder übertriebener Selbstdarstellung geprägt sind. Die Show von Nikita Lev im Aachener Domkeller gehörte jedenfalls nicht zu dieser Gattung. Nachdem sie mit dem Publikum - das ihre Musik ja zum Großteil noch gar nicht kannte - nach den ersten Tracks warmgeworden war, redete sich die New Yorkerin ohne Punkt und Komma um Kopf und Kragen, als es darum ging, ihre Songs zu erklären bzw. die Pausen dazwischen zu füllen. Da ging es dann um Freunde, die ihr die eigenen Gefühle absprechen wollten oder sie ungefragt küssten und die Frage, wie man sich dann solchen Freunden gegenüber verhalten solle oder um ihre Liebe zu Coverversionen oder darum, dass sie sich schon sehr darüber freue, nun wieder nach New York zurückkehren zu können, nachdem sie ihre erste Tour in unseren Breiten aber doch sehr genossen habe oder schmutzige Witze (von denen sie dann auch einen zum besten gab).
Das bedeutete dann allerdings nicht, dass Nikita und ihre Band die Songs selbst dann ins Lächerliche gezogen hätten - sorgte aber für eine lockere Atmosphäre, was dann dazu führte, dass die Veranstaltung irgendwie kein Ende finden wollte; denn als die (nicht vorhandene) Setlist abgearbeitet war, bat Nikita kurzerhand ihren Gitarristen Richie Quake ein paar eigene Songs vorzutragen, während sie dann ihre eigene Gitarre umstimmte, um eine Solo-Zugabe geben zu können. Und nachdem diese dann absolviert war, die Leute aber nicht gehen wollten, wurde Adam Lytle noch mal auf die Bühne gebeten, um den Abend dann mit ein paar weiteren Songs ausklingen zu lassen.
Musikalisch gab es dann keine großen Überraschungen - wohl aber einige kleine. Da Nikita unbedingt mit einer Band auf ihre erste Europa-Tour gehen wollte, musste aus Budgetgründen auf einen Bassisten verzichtet werden, so dass sie im Trio-Format mit Richie Quake an der Gitarre und Drummer Stoops unterwegs war. Das hatte seine Vor- und Nachteile: Einerseits konnten Nikita & Co. so auch mal losrocken - aber andererseits hat Nikita ja gar nicht so viel Material zum losrocken im Angebot, weil sie ja nur selten zornige Songs wie "Raw" schreibt - wie sie anschaulich erklärte. Deshalb hätten sie meisten der Songs auch ohne Drums ganz gut funktioniert. Allerdings trug das Band-Setting dann dazu bei, dass einige Songs wie z.B. der Single-Titel "Nowhere Bar" oder das bereits erwähnte "Raw" dann zu echten Extended-Live-Versionen aufgebohrt werden konnten oder die komplexe Struktur von Songs wie "Now I Think Of You Unspeakably" auch ohne die fülligen Arrangements auf der EP mit Volumen und Tiefe aufgefüllt werden konnten - dann aber Bass und E-Gitarren irgendwie fehlten. Wie gesagt: Es gab vor und Nachteile.
Obwohl Nikita Lev bereits ein paar hundert Songs geschrieben hat (und eine komplette LP zurückgezogen hatte, bevor sie ihre EP veröffentlichte), beschränkte sie sich bei der Aachener Show auf das Material der EP, einige Single-Titel und die beiden Coverversionen "There She Goes" und "Dancing Alone" - weil die ja so viel Spaß machten. Einen neuen Song zum Thema "Küssen" gab es dann aber auch noch. Auf eine neue EP müssen wir dann schon noch bis nächstes Jahr warten - zur Zeit ist Nikita dabei, neues Material zu schreiben. Insgesamt überzeugte Nikita Lev als Performerin durch ihre ungekünstelte, lebensbejahende Frohnatur, die am Ende sogar in einem interessanten Kontrast zu ihren dann doch eher nachdenklich und melancholisch ausgerichteten Songs steht. Das war denn auch einer dieser unkonventionellen Konzertabende, die man als Zuschauer gerne in Erinnerung behält - übrigens auch deswegen, weil man nach der Show die beteiligten Protagonisten etwas besser zu kennen schien als vorher (was längst nicht immer der Fall ist). Bei der nächsten Tour sollte dann aber bitte darauf geachtet werden, dass die richtigen Tourtermine und -Lokalitäten frühzeitig stringent koordiniert und angekündigt werden.
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Surfempfehlung:
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Text: -Ullrich Maurer- Foto: -Ullrich Maurer-
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