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Konzert-Bericht
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"Gott schütze die GEMA!"
Niels Frevert
Geislingen an der Steige, Rätschenmühle 25.01.2025
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"Endlich!", möchte man sagen. Endlich Niels Frevert in der Rätschenmühle, diesem altehrwürdigen Kulturzentrum in Baden-Württemberg, wo schon in den 90ern große Helden wie Giant Sand, The Walkabouts oder The Go-Betweens auf der Bühne gestanden haben und bis heute ein feines Programm mit viel Herzblut geboten wird. Auch Deutschlands bester Singer/Songwriter hätte hier eigentlich längst zu Gast sein sollen, aber den ersten Termin im Frühjahr 2020 verhinderte der COVID-19-Ausbruch, den ersten Versuch, das Gastspiel nachzuholen im vergangenen Jahr, die Krankheit eines Bandmitglieds. Deshalb hatte Frevert - angeblich - sogar schon überlegt, am Merchandise-Tisch Magnete anzubieten, mit denen man die Tickets für seine verschobenen Konzerte am Kühlschrank befestigen kann, aber dieses Mal gab es zum Glück nichts, was einen wirklich schönen Konzertabend verhindern konnte.
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In Gedanken ist Niels Frevert langsam schon bei einer weiteren Platte, in diesem Frühjahr gibt es aber noch einmal eine Handvoll Chancen, ihn auf der Bühne in sein aktuelles Album "Pseudopoesie" abtauchen zu sehen, mit dem er 2023 deutlicher als je zuvor die Fühler Richtung Mainstream ausgetreckt hatte - und das durchaus mit Erfolg. Plötzlich waren auf der Band-Tournee vor zwei Jahren selbst Venues wie das Kölner Gloria, die zu füllen jahrelang ein unerfüllter Traum für den Hamburger Musiker geblieben war, praktisch bis auf den letzten Platz gefüllt. In Geislingen ist Frevert mit kleinem Besteck unterwegs, doch das ist an diesem Abend ein echter Gewinn.
Intim ist der Rahmen an diesem Abend in der Rätsche, intim ist aber auch die Performance, denn in Geislingen fasziniert Frevert einmal mehr als sensibler Geschichtenerzähler, der trotz eines gewissen melancholischen Grundtenors auch mit seinem Gespür für feinsinnigen Humor zu begeistern weiß und dabei gleichermaßen auf Kopf und Herz seiner Zuhörer zielt. Neu ist das zwar nicht, aber dennoch immer wieder beindruckend, wenn er in reduzierten, gedämpften Versionen noch mehr Gewicht auf die nachdenkliche Poesie legt, mit der er wie kein Zweiter selbst das greifbar macht, was nicht an der Straße der Worte liegt.
Mit augenzwinkernder Leichtigkeit führt Frevert durch das 90-Minuten-Programm, und als kurz das Gespräch auf die Rechteverwertungsgesellschaft GEMA kommt, liefert ihm das die Steilvorlage für den besten One-Liner des Abends, als er sagt: "Gott schütze GEMA, das nur kurz nebenbei!" Irritieren lässt er sich auch nicht, als ausgerechnet sein Lieblingslied vom neuen Album ("Waschbeckenrand") zwei Anläufe braucht, bis es gelingt: "Das war eine kleine Schwäche von mir", entschuldigt er sich danach, bevor er lachend hinzufügt: "Auch ich bin nicht perfekt." Das mag für ihn gelten, aber viele seiner Songs erstrahlen an diesem Abend so hell, dass "perfekt" durchaus kein zu hoch gegriffenes Adjektiv für sie ist: "Du kannst mich an der Ecke rauslassen", "Niendorfer Gehege", "Brückengeländer" - niemand sonst schreibt hierzulande Lieder, die so gut sind. Auch die Songs der aktuellen Platte wie "Pseudopoesie" oder das unwiderstehlich ohrwurmige "Fremd in der Welt" rücken in der verschlankten Trio-Besetzung in ein ganz neues Licht.
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Das liegt nicht zuletzt an Freverts Mitstreitern, wenn Gitarrist Christoph Bernewitz bei Songs wie "Leguane", "Speisewagen" oder "Der Typ, der nie übt" als Solist brilliert oder Martin Hornung an den Tasten bei gleich mehreren Songs die Aufgaben einer halben Band zu schultern scheint. Das Schönste dabei: In diesem Setting kehrt die Verletzlichkeit in die Songs zurück, die in den größeren Auftrittsorten zugunsten von spürbar mehr "Show" ein Stück weit in den Hintergrund gerückt war. Im immer wieder hinreißenden "Als könnte man die Sterne berühren" heißt es: "Man wird für seine Stärken bewundert. Aber geliebt, geliebt wird man für seine Schwächen", und vermutlich ist genau das der Grund, warum gerade die Trio-Konzerte von Niels Frevert immer etwas ganz Besonderes sind.
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Surfempfehlung:
www.nielsfrevert.net
www.facebook.com/nielsfrevert www.instagram.com/niels_frevert www.groenland.com/pages/artist/niels-frevert
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Text: -Carsten Wohlfeld- Foto: -Carsten Wohlfeld-
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