"Immer gut trocken" lautete in den letzten Jahren der eigentliche Titel des Festivals, denn trotz des frühsommerlichen Termins Ende Mai hatte das Wetter immer ein Einsehen. Es war sonnig und warm. Ganz anders dieses Mal, zumindest am Freitag hatten nicht wenige Besucher schon beim Zeltaufbau mit strömendem Regen zu kämpfen und als ob das noch nicht genug wäre, ging dann auch noch ein fetter Hagelschauer auf das Festivalgelände nieder. Gut, wer hier nicht am Material gespart hatte! Für Aldi-Zelte war das sicher nichts!
Doch gegen Abend wurde das Wetter ein wenig besser und ein Blick ins Programmheft machte schnell wieder den eigentlichen Grund des Hierseins klar: Musik! Und mit Pluxus eröffnete die im Festival-Kontext vielleicht ungewöhnlichste Band das Immergut Festival 2002 auf der Hauptbühne. Die vier Schweden spielen im weitesten Sinne Elektropop, der stark an 80er Computerspiele erinnert. Verschanzt hinter ihren analogen Synthesizern, an denen sie wild herumspielten, boten Pluxus ein spannendes Set. Indie-Musik mal ganz anders. Schade nur, daß zu so früher Stunde erst wenige Besucher vor der Bühne versammelt waren. Etwas besser hatten es da die Jungs von Astra Kid, die kurz darauf wenig Mühe hatten, die kleine Zeltbühne voll zu kriegen. Die erste Band, die sich auf der Hauptbühne vor größerem Publikum präsentierte, waren Tomte, deren Sänger Thees Uhlmann in gewohnt lustiger Manier auftrat. Eine feine Show jedenfalls, doch wer sie im letzten Jahr auf der kleinen Bühne gesehen hatte, hätte sich diesen Auftritt zurückgewünscht. Tomte machen defintiv keine Show für große Bühnen! Ganz anders die Berliner Beatsteaks, die auch schon im letzten Jahr die Hauptbühne fulminant gerockt haben. Auch dieses mal sollte das nicht anders sein. Wem der Sinn mehr nach Britpop-Klängen stand, für den waren sicherlich die Belgier von Das Pop der Tip des Tages. Und ihre Show im kleinen Zelt hielt durchaus den hohen Erwartungen stand. Eine Band, von der man noch einiges erwarten darf und die live zu überzeugen weiß. Höhepunkt des Abends war definitiv der Auftritt von Frank Spilker und seiner Sterne. Mit neuem Album im Gepäck legten die Hamburger gleich los und auch wenn man diese Band schon zigmal gesehen hat, macht sich erstaunlicherweise keine Langeweile breit. Die neuen Nummern reißen sofort mit und alte Hits, die man immer wieder gerne hört zaubern ein Lächeln aufs Gesicht! Mit "Was hat Dich bloß so ruiniert" oder "Fickt das System" im Ohr endet dieser wunderschöne Festivalabend. Und auch das Wetter läßt für den Samstag hoffen.
Der Samstag beginnt traditionell mit dem Immergutzocken-Fußballturnier oder einem Ausflug im (kostenlosen) Shuttle-Bus zum wunderbaren Fürstenseer See. Der Auspruch "Der schönste See Deutschlands" wird Sportfreunde-Sänger Peter Brugger immer wieder gerne zugeordnet. Doch wieviele Seen kennt der überhaupt? Kann der das beurteilen? Wie auch immer. Recht hat er mit der Tatsache, daß es sich bei diesem Gewässer um ein wunderschönes Fleckchen Erde handelt, das freilich noch schöner wäre, wenn nicht alle Festivalbesucher gleichzeitig da wären! Aber das Wasser ist herrlich frisch und klar und so kann man einem Besuch guten Gewissens empfehlen. Doch zurück zur Musik. Das Samstags-Line-Up hatte es in sich und es wäre zuviel des Guten, alle Bands zu erwähnen. Beeindruckt durfte man jedenfalls den Auftritt der Indie-Rocker von Solarscape auf der Hauptbühne zur Kenntnis nehmen. Eine Band jedenfalls, die es schafft, den Spagat zwischen langsamen, countryesken Stücken und rockigen Songs hinzubekommen. Ihr neues Album "Secret Everything" sei an dieser Stelle ausdrücklich empfohlen. Etwas entäuscht durfte man hingegen von Scumbucket sein. Ganz im Gegensatz zum großartigen Album "Aficionados" wollte der Funke auf das Neustrelitzer Publikum nicht überspringen und so schauten nicht wenige lieber am Intro-Stand oder bei der Billy-Boy-Kletterwand vorbei.
Einen seiner Höhepunkte, wenn auch ein zwiespältiger, erlebte das Immergut-Festival mit dem nun folgenden Auftritt der Berliner Elektropunk-Band Mia. auf der Zeltbühne. Maria Mummert und ihre Jungs legen einem Auftritt hin, der das Zelt zum kochen bringt. In Sachen Spiefreude, sich verausgaben und Selbstinszenierung sicherlich der überzeugendste Gig. Songs wie die neue Single "Alles Neu" oder "Machtspiele" rauben auch dem eingefleischten Kritiker die Puste. Man konnte sich dem Sog dieses Gigs eigentlich kaum entziehen. Dann plötzlich, als die letzte Zugabe verklungen ist: Ruhe. Man kommt zu sich. Und als die Urteilsfähigkeit wieder da ist, stellt man sich erschrocken die Frage, ob die Band mit dieser dreisten Ideal-Kopie durchkommen wird. Augen zu, Mia. auf der Bühne, Humpe im Sinn. Kurzum Mia. sind retro und neu ist hier nichts. Dennoch eine Show, die man der Truppe erstmal nachmachen muß. Die rocken wie die Hölle. Man darf jedenfalls auf das Album gespannt sein, das wohl im August erscheinen dürfte. Zum Glück kann man sich bei Samba danach erholen, denn deren groovige Klänge sind zwar gewohnt angenehm, aber in Sachen Power mit Mia. nicht vergleichbar.
Gut so. Höhepunkt des Abends, in den Augen vieler des ganzen Festivals, war der auftritt der Schweden von Soundtrack Of Our Lives. Sänger Ebbot Lundberg zelebriert Rock'n'Roll wie ein Priester. Mit langem Gewand und ausgestreckten Armen. Eine Show, die keinen Zuschauer kalt lassen konnte. Und doch schien es gegen Ende des Gigs, als ob nicht wenige auf etwas anderes warten. Immer mehr Trainingsjackenträger füllen den Raum vor der Bühne und man ahnt. was bald kommen wird: Der Headliner des Abends. Tocotronic aus Hamburg.