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Konzert-Bericht
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Vom Feriencamp zum Planet der Affen
Astra Kid
Marilyn's Army
Essen, Grend 21.10.2000
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Eines kann man gleich vorweg festhalten: Für ein Konzert, bei dem beide Bands eigentlich nicht spielen wollten, war's ziemlich klasse! Und natürlich ist es eigentlich auch gelogen, dass die Bands nicht spielen wollten. Spielen wollten sie, nur eigentlich nicht jetzt. Während Astra Kid aus Datteln erst im Dezember ausführlich mit ihrem ersten Album "Planet Der Affen" durch Deutschland touren wollen, hatte das Essener Urgestein Marilyn's Army eigentlich geplant, erst nächstes Jahr zum - unglaublich, aber wahr - 15jährigen Jubiläum wieder auf der Bühne zu stehen. Eigentlich also für beide Bands "nur" ein Abend zum Aufwärmen und Ausprobieren neuer Ideen und Songs, aber vielleicht hat die ganze Veranstaltung ja gerade deshalb soviel Spaß gemacht.
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Army-Sänger Frank K. Gen hatte ganz offensichtlich vor der Show Laberwasser getrunken, auf jeden Fall übertraf er sich mit seinen gewöhnt skurril-witzigen Ansagen dieses Mal selbst. Welche Band würde den, ähm, Kurzhaarschnitt ihres Gitarristen Marc Sterra damit erklären, dass er seine Haare Uli Hoeneß zur Verfügung stellt hätte, um Christoph Daum auf's Glatteis zu führen? Um anschließend einen vom unsterblichen Jupp Derwall inspirierten neuen Song zu spielen? Richtig. Niemand. Außer Marilyn's Army. Die bewiesen mit einer ganzen Reihe neuer Songs, dass sie inzwischen Eingängigkeit über Eigensinn stellen und ihre nächste LP mit dem schönen Titel "M.A. Feriencamp 2004" ("Damit sind wir mit dem Veröffentlichungsdatum auf der sicheren Seite") ein weiterer Höhepunkt in der unendlichen Geschichte der Lokalmatadore des Abends werden könnte. Schließlich wirkte die Army nach längerer Auszeit so locker und energiegeladen wie lange schon nicht mehr. Egal, ob mit dem schrägen, wavigen Walzer "Dreizehn" oder einem leider derzeit noch unbetitelten Ohrwurm-Highlight mit einem ausgezeichneten Gitarrensolo - was an diesem Abend auf der Bühne (noch) ein ziemlich harter Rockbrett war, könnte im Studio zu einer klassischen Pop-Platte werden. Wir dürfen gespannt sein. Auch darauf, ob sich die wirklich tolle eingedeutschte Version des Uraltsongs "Back In The Streets" auch auf die Platte schleichen wird. Zum Schluss gab es erwartungsgemäß Billy Braggs "A New England" - und das in einer besseren Version, als man sie von Billy selbst dieser Tage zu hören bekommt.
Astra Kid hatten auch jede Menge Spaß, vielleicht gerade weil es eine One-Off-Show war und nicht Teil einer nervtötenden Tour. So gönnten sie uns neben den Songs aus der neuen LP sogar einen neuen Song namens "16:9", der mit zum Besten gehört, was das Quartett bisher abgeliefert hat. Dass sie dafür einen Zuschauer brauchten, der den Götzer-Brüdern den Text vor die Nase hielt, war ebenso amüsant wie sympathisch. Und echte Singalongs und ewig viele Zugaben (von denen mir persönlich "Nichts Neues" am besten gefiel) sind es bei Konzerten dieser Größenordnung auch nicht unbedingt eine Alltäglichkeit. Ein Indiz dafür, dass Astra Kid ganz kurz vor dem großen Wurf stehen? Kann schon sein. Schließlich wird auch nicht jede Band bei VIVA zu Tobi Schlegl eingeladen. Schön zu hören vor allem, dass die Vier ihre anfänglichen Tocotronic-Anleihen inzwischen hinter sich gelassen haben und sich auf eine hörbar amerikanischere Rockvariante eingelassen haben. Und wenn Liquido oder Jonas in Deutschland mit englischen Texten Erfolg haben, sollten Astra Kid das gleiche Kunststück in deutscher Mundart eigentlich erst recht schaffen.
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Text: -Carsten Wohlfeld- Foto: -Carsten Wohlfeld-
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