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Konzert-Bericht
 
Sturm in der Bierflasche

Lambchop

Köln, Kantine
02.07.2002

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Lambchop
"Auf der Bühne ist der einzige Ort, an dem eine Flasche Bier zwei Stunden reicht", meinte Lambchop-Vorstandsvorsitzender Kurt Wagner während des Konzertes indem er sich die charakteristische Baseball-Kappe richtete. Das war allerdings eines der wenigen Bonmots, das er über die Lippen brachte. Denn das auf der Tour zum Ritual gewordene Witze erzählen fiel an diesem Tag aufgrund diffuser bandinterner Rituale aus. Und so ließ Wagner dann die Musik für sich sprechen. Und das tat diese dann auch - äußerst beredt sogar. Lambchop (auf der Eintrittskarte eigenwillig-kreativ als "Lambshop" angekündigt) haben sich mittlerweile - so quasi ganz unauffällig und durch die Hintertür - einen Status erspielt, der es ihnen ermöglicht, mühelos mittelgroße Hallen zu füllen. Das ist schön. Die Idee, die Kantine zu etwa 1/3 zu bestuhlen, war dann aber doch ein wenig naiv. Denn so standen etwa 2/3 der Besucher dichtgedrängt um die bereits nach 10 Minuten voll besetzten Stuhlreihen herum.
Der angekündigte Support-Act - St. Thomas aus Norwegen, der auf dem ersten Teil der Tour im April auch tatsächlich dabei war - fehlte an diesem Abend. Das machte aber nix, denn im Rahmen der dann folgenden Lambchop-Volldröhnung hätte er auch eher deplaziert gewirkt. Pianist Tony Crow setzte sich kommentarlos an den extra ausgeliehenen Flügel und leitete das Konzert mit ein paar stillen Akkorden ein. Wer nun gedacht hätte, Kurt und seine Mannen würden einfach das Prinzip der letzten CD "Is A Woman" ins Live-Medium übertragen, sah sich angenehm überrascht. Denn obwohl Crows Piano das Klangbild erheblich ausweitete, waren es weniger die jazzigen Akzente - wie etwa bei "My Blue Wave" - die die Show prägten, als vielmehr der Band-Sound als solches. Die Inkarnation auf diesem Teil der Tour umfaßte - neben Wagner und Crow - Alex McManus und William Tyler an den Gitarren sowie Matt Swanson am Baß und der (so Kurt) "unglaubliche Samuel Baker" an den Drums. Nun weiß man ja, was man im Allgemeinen von einer Band mit drei Gitarristen erwarten darf: Klangtechnischen Matsch und Grabenkämpfe. Hier allerdings nicht. Nicht nur, daß sich die drei Saitenschwinger hervorragend ergänzten - nein, innerhalb des vielschichtigen Soundgewebes blieb auch immer Platz für das Piano und auch die sehr transparent agierende Rhythmus-Gruppe. (Gerade Matt Swanson bot eine wesentlich effektivere und lebhaftere Baßarbeit als er das auf CD zuweilen tut und Baker outete sich als vielseitiger Drummer, dem kein Stil fremd zu sein schien, und der auch mal die Felle mit den Händen bearbeitete). Gerade die Tatsache, daß Tyler und McManus eine klare Aufgabenteilung vereinbart hatten (Kurt selbst spielte strikte Rhythmusgitarre fast ohne Effekte und manchmal sogar noch abgedämpft), machte die Gitarrenarbeit bei einer Band, die ansonsten immer für orchestrales Liedgut steht, zu einem überraschenden, spannenden Genuß. McManus produzierte vorwiegend Texturen auf Riff-Basis, während William Tyler (der sich des häufigeren Anspielungen auf sein jugendliches Alter gefallen lassen mußte) für die rockigeren Passagen verantwortlich zeichnete - daneben aber auch feinsinnige Atmosphären mittels eines Samplers, Loops und z.T. auch einer Orgel hinzauberte. Im übrigen war das kein Druckfehler: Es hieß tatsächlich "rockigere Passagen". Wer bislang noch daran gezweifelt hatte, daß Lambchop - trotz aller Anspielungen in Richtung Soul, Jazz und Country (auf die an diesem Abend indes ganz verzichtet wurde) - auf einer Rock-Basis agieren (können), dem dürfte spätestens bei der Buzzcocks-Zugabe "Why Can't I Touch It?" (von der 79er Scheibe "Singles Going Steady") klar geworden sein, daß dies eine der leichteren Aufgaben für Wagner und Co. ist. Gerade deshalb wurde diese Fähigkeit so sorgsam, punktuell und effektiv wie möglich eingesetzt. Lambchop schafften es, immer wieder Passagen einzubauen, die von der Andeutung eines Flüsterns sich zu einem wahren Orkan steigerten - mit polternden Drums, Feedback und mächtigen Gitarrenriffs inklusive. "Caterpillar" oder "The Butcher Boy" ließen so z.B. die Strings und / oder Bläser keine Sekunde vermissen. Im Gegenteil: Wer diese Show gesehen hatte und sich daraufhin etwa CDs von Lambchop kaufte, lief mit Sicherheit Gefahr, enttäuscht zu werden. Gerade dieses Spiel mit der Dynamik hätte man - auch aufgrund vorangegangener Live-Konzerte - nicht unbedingt erwarten dürfen. Sicherlich war dies zum großen Teil der Verdienst Tylers, der z.B. eine tierische Freude daran hatte, den Rhythmus von "Up With People" an sich zu reißen, und das Stück so zu seinem zu machen. Was nun überhaupt nicht heißen soll, daß Tyler mit der Bratpfanne arbeitete. Was er an zerbrechlichen Strukturen und filigranen Figuren aus seiner Gitarre herauszauberte, war z.T. schon beeindruckend. Und: Wie jedes ordentliche Lambchop-Mitglied, versteht es auch Tyler, sich im entscheidenden Augenblick dann wieder vollständig zurückzunehmen, so daß man auch während der Stücke wieder die berüchtigte Stecknadel fallen hören konnte. Das Lambchop Publikum weiß ja im allgemeinen, worum es geht und lauscht während des Vortrages aufmerksam und andächtig - um dann umso begeisterter zu applaudieren.
Es war sehr angenehm, hier einmal Musik geboten zu bekommen, von der sich eben NICHT zuverlässig vorhersagen ließ, wie sie sich weiterentwickeln würde. Kurt und seine Mannen erzeugten Spannungsbögen, von denen man in diesem Zusammenhang nicht mal zu träumen gewagt hätte. Daneben präsentierten sie sich als eingespielte, hervorragend interagierende Band und zeigten so ganz nebenbei, welche Substanz in den einzelnen Songs steckt, bzw. welche Bereiche diese zuweilen abdecken. Kurts Fähigkeiten als Songwriter basieren ja nicht zuletzt auf seinem hervorragenden Blick für's Detail (wie sonst wohl erklären sich seine Songs über Käfer, Raupen und Spinnweben) und die ungewöhnliche Sichtweise (nämlich aus der Perspektive eines langjährigen Fliesenlegers). Dies übertrug er nun offensichtlich auch auf die Arrangements der Songs und voila: Eine ganz neue Welt ward geboren. Es wäre wirklich zu wünschen, daß mehr Musiker dermaßen mutig mit ihrem Werk umgingen - immerhin kann so etwas ja auch nach hinten losgehen. Zum Beispiel ist Wagners Timbre denkbar ungeeignet für große Lautstärken und obwohl er sich zuweilen die Seele aus dem Leib schrie, ging er bei den Brachial-Passagen gnadenlos unter. Aber besser viel gewagt und interessant gescheitert, als immer die ausgetrampelten Pfade entlanggetaumelt! Und für die, denen das vielleicht zu viel des Guten war - obwohl es die wohl gar nicht gab - boten Lambchop auch das, was man von ihnen erwartete: Songs wie "The New Cobweb Summer" wurden im gewohnt relaxten Ambiente vorgetragen. Fazit: Das war wieder eines jener raren Konzerte, das dazu anregte, wieder an das Gute in der Musik zu glauben. Unter anderem auch gerade deswegen, weil Lambchop es verstanden, die auf sie gerichtete Erwartungshaltung auf charmante Art zu unterminieren und auszuhebeln. Atemberaubend.

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Text: -Ullrich Maurer-
Foto: -Ullrich Maurer-


 
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