Die kurzfristig für Line Up-Ausfälle eingesprungenen Lokalmatadore Antares aus Groningen machten ihre Sache als Aufwärmer ganz unlückenbüssermäßig gut. Ihr Sound ist anderen Ortes als Pendragon- oder Yes-lastig beschrieben worden, was aber der bisweilen fast an Jazz-Fusion gemahnenden Breaks-pro-Minute-Ratio der anspruchsvollen Musik nicht ganz gerecht wird. Höhepunkt des Sets der noch recht jung wirkenden Niederländer war "Works Of Wisdom", das einen angenehmen Ruhepunkt nach viel vorausgegangener 'Stroboskop'-Musik abgab.
Extra-Unterhaltungswert hatte beim diesjährigen ProgPower der Bühnenumbau mit zugezogenem Vorhang. So konnte René die nächste Band besonders effektvoll ankündigen. Wobei die Norweger Divided Multitude mit italienischem Plattenvertrag offenbar polarisieren: Ihr letztes Opus "Falling To Pieces" hatte beispielsweise in der Nietenprawda "Rock Hard" die dort leider schon fast übliche Abmeierei des Tenors einstecken müssen: "Ich weiss gar nicht, was das jetzt hier für eine Sch...band ist, dass die es wagt, Musik zu machen, die ich jetzt besprechen muss". In Baarlo kamen die Nordmänner, die nur für diesen Gig 30 Stunden lang auf Nordeuropas Straßen Elchtest gespielt hatten, hingegen gut an. Schade nur, dass bei einer der "härtesten" Bands des Festivals die Lead-Gitarre im Mix fast unterging und die Vocals etwas stumpf abgemischt waren, sonst hätten sich dem Publikum, dass die Jungs wohl mehrheitlich erstmals zu hören bekam, komplexe "Kopfdreh"-Nummern wie "Enter Paradise", "Streets Of Bucharest" vom Debütalbum oder "Falling To Pieces" wohl noch besser erschlossen.
Stonehenge, der sympathische Fünfer mit Keyboard-Steuermann blieb zwar im Härtegrad wenig hinter D. Multitude zurück, schaffte es aber, das Publikum durch weniger schockierende Rhythmuswechselorgien noch mehr auf seine Seite zu ziehen, als dies ihren Vorgängern gelungen war. Die Ungarn begeisterten mit einigem unveröffentlichten Material ("Eternal") sowie mit "Rambling", "Between Two Worlds", "Wendigo" oder "Full Moon" vom "Angelo Salutante"-Album. Vielleicht am beeindruckendsten fiel dabei die differenzierte, auch mit Fretless-Sounds nicht geizende Bass-Arbeit aus.
Zeit für die "heimlichen Headliner" des Festivals: Dead Soul Tribe sind u.a. das Ergebnis von Devon Graves' Übersiedlung nach Österreich bzw. der musikalischen Bekanntschaften, die er dort gemacht hat. Die Begegnung etwa mit dem vormaligen Punk-Bassisten Roland Ivenz hat ebenso Spuren im musikalischen Output von Graves/Lackey hinterlassen, wie die erfrischenden Ansätze des Halb-Ägypters Adel Moustafa, der sich für Dead Soul Tribe sein erstes Drumkit gekauft hat. Überdies bringt sich Graves in seine eigene Band weit mehr als (hervorragender) Gitarrist ein, als in seinem vorherigen Schaffen. Doch trotz aller neuen Einflüsse lässt sich doch eine gewisse Kontinuität von den stark suchtbildenden PsychedelicProg-Trips der Waltz-Ära bis hin zum 2002 erschienenen ersten Tribe-Album ausmachen: Diese speziellen, Kloßimhals-verursachenden Traummelodien und dieser eindringlich-charakteristische Gesang, die sich auch noch gegen die Loops und New Metal-Anklänge des neuen Materials mühelos durchsetzen. Nach Baarlo hatte Graves außer einem neuen Rhythmusgitarristen (sein bisheriger ist seit dem Dynamo Open Air spurlos verschwunden) u.a. den Opener "Powertrip" sowie Coming Down" mitgebracht, zu dem der Maestro seiner Les Paul mit einem Geigenbogen auf den wohlgeformten Leib rückte. Den Höhepunkt unter den neuen Stücken bot vermutlich das schon fast zu intensive "Once". Doch Graves sorgte beim ProgPower für eine kleine Sensation, in dem er mit beispielsweise "Locust" oder "Skeleton" einfach wundervolle Versionen von Psychotic Waltz-Klassikern bruchlos und ohne großes Aufhebens darum zu machen, in sein Konzert einfügte. Wobei es auch zu jenem oben beschriebenen Trost der Zuspätgeborenen anlässlich der Powerballade "I Remember" kam. Den Abschluss eines so außergewöhnlichen wie atmosphärischen Auftritts bildete mit "Into The Spiral Cathedral" just die Tribe-Nummer, die in ihrer Traumweltverschachtelung am ehesten auf Psychotic Waltz zurückverweist. Dead Soul Tribe sind topaktueller Rock Act und lebende Legende gleichzeitig.
Die Kanadier Heaven's Cry waren sichtlich aufgeregt, denn trotz der zwei saustarken Alben, die sie seit '96 bereits abgeliefert haben, war dies ihr erster Auftritt in Europa. Um so größer die Freude, über den nachgerade herzlichen Empfang, der ihren auf drei Gitarren - darunter einer Godin Semiakustik mit charakteristisch drahtigem Sound - beruhenden, opulenten Frickel-Prog bereitet wurde. Highlights waren hier eine sehr schön akustisch eingeleitete Version von "1 of 24" sowie das krachige "Komma". Erfreulich und schon fast ein wenig überraschend, wie diese Komplex-Kompositionen vom Publikum begeistert abgefeiert wurden, obwohl diese Songs typischerweise wohl mehrfache Verabreichung und ungestörte Konzentration verlangen.
Threshold, die Headliner des Samstages, waren von Devon Graves schon mit einer feinen Spitze angekündigt worden: Er erinnerte sich auf der Bühne daran, wie er mit Psychotic Waltz zu "Mosquito"-Zeiten schon mal mit den Briten getourt hatte, wobei die sich furchtbar über die losen Sitten der Psychotiker aufgeregt hätten. Ganz Gutmensch hatte er nun breit grinsend Threshold eine "allzeit drogenfreie Umwelt" gewünscht. Ob das zutraf, war nicht mit letzter Sicherheit auszumachen, zweifelsfrei war jedoch, dass die Briten in Topform und wild entschlossen waren, die "Schlappe" ihres suboptimalen Auftritts beim ProgPower '99 wieder wett zu machen. Hierzu wurden zunächst mal die eingängigen, fast radiotauglichen Ohrmaden von "Critical Mass" aufgeboten, wie "Phenonemon", "Fragmentation" oder das mit besonders tierischen Keyboards-Passagen seitens Richard West (leider wie immer völlig im schattigen Bühnenhintergrund versteckt) aufwartende "Falling Away". Von den vielen anderen Threshold-Prachtalben hatte man u.a. "Clone" mit "Freaks" und "Angels" oder "Decadent", vertreten mit "Virtual Isolation" im Gepäck. Letzteres war von einem jener Gitarren-Soli zwischen Gefühl, Virtuosität und purer Energie eingeleitet worden, für die Karl Groom zurecht berühmt ist. Am auffälligsten vielleicht die für das Genre ungewohnt swingende Rhythmusarbeit des farbigen Ausnahmedrummers Johanne James. Ingesamt ein starker Gig der - wie wir feststellen konnten - auch für Nicht-Rock-Fans noch am ehesten bekömmlichen Band des Festivals.
Den Sonntag eröffneten die Niederländer von Arabesque, die schon mit Yngwie Malmsteen getourt sind. Und sie belohnten alle, die sich von der bis in den frühen Morgen hingezogenen After-Show-Party bei lauter Musik erholten, mit u.a. optischer Labsal: Das Bühnenkonzept beruht auf zwei attraktiven jungen Damen, von denen die eine eher dem indischen Kulturkreis zurechenbar scheint (und die sich auch entsprechend zu bewegen versteht), während die andere Eurasierin ist und wie eine jüngere Schwester von Baby Jane von Mother's Finest den Luftraum über der Bühne bevölkert - tatsächlich scheint diese Frau fast nur zu springen. Musikalisch gemahnte das Gebotene bisweilen ein wenig an frühe Dream Theater. Der harmonisch gelegentlich fast "indianische" Gesang der Frontfrauen kontrastierte dabei reizvoll mit den oft schroffen Gitarrenriffs und den Ansätzen zu Death Metal-Grunts seitens des Bassisten.
Für Sun Caged, die Band des Ayreon-Keyboarders Joost van den Broek, war das Festival ein Heimspiel - und nicht nur in geographischer Hinsicht: Die Band spielt eine sehr moderne, nur durch gute Melodik von ihrer stark technischen Ausprägung ablenkende Spielart von Progressive Metal. Nummern wie das aberwitzige Passagen aufweisende "Secrets Of Flight" oder das wahrlich nicht einschläfernde "Sedation", aber auch "Curiosity Kills" oder das unveröffentlichte "Unchanging" schüttelte noch den letzten After-Show-Invaliden wach. Als ungewöhnlich beeindruckender Instrumentalist entpuppte sich Rob Van der Loo: Der Wahnsinnige behängt sich nicht nur mit einem wunderschönen siebensaitigen Bass (der etwa das Gewicht eines Schützenpanzers aufweisen dürfte), sondern entlockt diesem auch noch flüssige Tappings, bei denen sich die meisten Gitarristen garantiert rettungslos die Finger verknoten.
A.C.T. waren uns zuvor völlig unbekannt und gerade darum eine der positivsten Überraschungen des ganzen Festivals. Während die Prog-Szene bisweilen etwas in inhaltsarmer Technikverliebtheit festzustecken scheint (Anwesende wie immer ausgeschlossen), so haben diese Jungs aus Schweden einen völlig eigenständigen Sound entwickelt, der sich ungeniert bei Latino-Rhythmen, beatlesken Chören, Reggae-Einsprengseln und den kinderliedhaften Passagen, die für Frank Zappa der frühen Siebziger typisch waren, bedient, um daraus etwas Eigenes entstehen zu lassen. Etwas Eigenes, das auch erfreulich viel mit Theatralik und Comedy zu tun hat. Der singende Hutträger Herman wirkt auf den ersten Blick wie eine blonde Charlie Chaplin-Ausgabe und lebt sich auch dementsprechend auf der Bühne aus: Urkomisch. Stücke wie "Take It Easy" (nicht verwandt oder verschwägert mit der Laid-Back-Lebenshilfe von Eagles und Jackson Browne), Groove-Monster wie "Biggest Mistake", in Breaks geschrotete Karusselmusik wie das unveröffentlichte "Situation" machen einfach Lust auf mehr - read about it on Gaesteliste.de...