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Konzert-Bericht
 
Besser geht's nimmer!

Slut
Carrera/ Garish

Köln, Gebäude 9
07.11.2002

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Slut
Man kennt das ja. Da geht man zu einem Konzert, und die Band, für die man eigentlich den Eintritt gezahlt hat, spielt erst irgendwann um 23.00 Uhr, und bis dahin "darf" man sich die Zeit mit einer Vorgruppe vertreiben. Oder, wie an diesem Abend in Köln, sogar gleich mit zwei Supportbands. Was sich nach dem Super-GAU anhört, war im Gebäude 9 der reinste Glücksfall. Denn das Fazit nach dem dreieinhalbstündigen Marathon an diesem kalten Novemberabend lautete schlicht und ergreifend: Wow! Denn von den drei Bands war eine besser als die andere! Den Anfang machten um kurz nach neun die österreichischen Newcomer von Garish mit ihrem überhaupt erst dritten Auftritt in Deutschland!
Die vier Herren waren ob ihrer ewig langen Anreise ("Unser Tag hatte bereits 17 Stunden", ließ Sänger Thomas Jarmer das Kölner Publikum fast entschuldigend wissen) zwar sichtbar müde, konnten aber dennoch auf der ganzen Linie überzeugen. Garish sind anders, denn obwohl sie deutsche Texte machen, ist genaues Hinhören Pflicht, um die oftmals verschlüsselten Botschaften entziffern zu können, die dazu mit einer Musik der großen Gesten untermalt werden, wie man sie heute vor allem in England findet. Bands wie Radiohead, Placebo oder Coldplay scheinen bei der Produktion des tollen Debüts "Wenn die Nacht erzählt vom Tage" Pate gestanden zu haben, ohne dass man bei Garish je das Gefühl hat, es handle sich um einen bloßen Abklatsch der großen Vorbilder. Live wirkte das Ganze - vor allem bei den Highlights "Zum Mond" und "Radiosong" - etwas ungeschliffener, aber deshalb nicht weniger effektiv, denn Garish klangen auch auf der Bühne sehr erwachsen, ohne gleich kopflastig zu sein. Ganz so, wie gute Popmusik sein sollte!

Popmusik im eigentlichen Sinne fabrizieren Carrera aus München nicht: Wären die vier Herren ein paar Jahre jünger und würden sie auf der Bühne Shorts tragen, man würde sie wohl als Emo-Band bezeichnen. So trifft die Beschreibung, die der Kollege Dirk Ducar vor einigen Wochen an dieser Stelle verwendete ("klassische Stromgitarren-Band") schon wesentlich besser zu: Ultra-intensive Instrumentalmusik, die (nicht nur) der Band wie Starkstrom in die Glieder fährt - das jedenfalls schien die "Gymnastik" unter Beweis stellen zu wollen, die das Quartett zu seinem oft brachial-druckvollen Sound vollführte. Bekanntlich finden sich auf dem schlicht "Carrera" betitelten Erstling der Band ja auch einige Vokalnummern, und einer der Gäste, so wurde dem Publikum mitgeteilt, sei zufällig vor Ort, weil er mit seiner Band eh noch spielen würde. Der fragliche Gast war natürlich Christian Neuburger von Slut, der für eine Nummer den Platz an Mikro und Gitarre einnahm und so für einen gelungenen Kontrast sorgte. Denn so großartig Carrera auch sind, dem ein oder anderen im Publikum waren die vier Münchner fast schon zu eindringlich. Carrera sind halt ein wenig wie Medizin: Es macht nicht immer unbedingt Freude, sie zu schlucken, aber nachher fühlt man sich besser.

Apropos besser: Ein bisschen schien es, als seien Slut selbst ein wenig skeptisch, ob sie zu vorgerückter Stunde und nach zwei so ausgezeichneten Bands noch würden zulegen können. Zumindest bedankte sich Christian gleich zu Beginn fast übertrieben artig beim Publikum fürs Kommen (und Bleiben!), doch allerspätestens, als "Time Is Not A Remedy" echt früh im Set zum Zuge kam, war klar, dass dieses Konzert zu einem kleinen Triumphzug für die Ingolstädter werden würde. Mit einer traumhaft sicheren Melange aus Lockerheit, Perfektion, Spaß und Hingabe brannte das Quintett ein Feuerwerk aus Hits und Hymnen (vor allen aus den beiden letzten Alben "Lookbook" und "Nothing Will Go Wrong") ab, das in seiner ganzen Großartigkeit nur schwer in Worte zu fassen ist. Egal ob "Something To Die For", "Universal" oder "Easy To Love" - jeder Song war, ebenso wie die gewohnt charmanten Ansagen von Christian, ein Volltreffer! Aber nicht nur als R.O.C.K.-Band zeigten sich Slut in Köln von ihrer besten Seite, auch die ruhigeren, respektive experimentelleren Nummern mit Christian am Klavier saßen wie eine Eins. Hatten sie im Sommer noch "Universal" als ihr Lieblingslied angekündigt, war es dieses Mal "No Time", dem dieser Ehrentitel zuteil wurde. Und als der Song dann zu Ende ging, wusste man wirklich nicht, was nun mehr Spaß gemacht hatte: Die schwer rockende Version des Stücks selbst oder in die hellauf begeisterten Gesichter der Musiker zu schauen, während sie den Song spielten! Das letzte Stück sollte dann laut Christian die "aus Funk und Fernsehen bekannte Ballade" sein, "das ruhigste Stück, das wir bisher geschrieben haben", wie er schelmisch anfügte. Denn was als letzter Song des regulären "Repertoires" folgte, war natürlich das ganz und gar nicht balladeske "Cloudy Day", das Slut an diesem Abend mit ganz besonderer Härte auf den Boden der Bühne im Gebäude 9 nagelten. Jedenfalls hoben die Herren Neuburger, Schaller und Rosenacker gleich mehrmals vom Boden ab!

Die Zugaben waren dann ganz den melancholischeren Momenten von "Lookbook" vorbehalten, was aber nach rund 75 Minuten Rock-Brett zuvor äußerst passend war. Jedenfalls ebneten "The Day It Rained Forever" und "Andy" perfekt den Weg für das große Discokugel-beleuchtete Finale mit dem immer wieder grandiosen "Hope". Fazit? Hierzulande gibt es keine Band, die live überwältigender klingt als The Notwist, keine, die perfektionistischer ist als Readymade, keine, die das Publikum auf humorvolle Art so gut im Griff hat wie die Sportfreunde Stiller und keine, die so schön auf ihre Füße starrt wie Tocotronic. Doch die perfekte Mischung aus alledem, die hat nur eine Band, die ganz einfach beste deutsche (Live-) Band. Und die heißt nun einmal eindeutig - Slut! Besser geht's nimmer!

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Surfempfehlung:
www.slut-music.com
www.garish.at
Text: -Carsten Wohlfeld-
Foto: -Carsten Wohlfeld-


 
 

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